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Palmengekrönt

Der thailändische Regisseur Apichatpong Weerasethakul hat mit seinem Film "Onkel Boome, der sich an seine vergangenen Leben erinnert" die goldene Palme in Cannes gewonnen. Für Kinoexperten ist die Jury-Entscheidung keine Überraschung.

Von Josef Schnelle | 24.05.2010
    "Ich möchte mit bei allen Geistern und Gespenstern meines Landes bedanken. Sie haben es möglich gemacht, dass ich hier stehe."

    Er lässt sich nur Joe nennen, auf dem Boot des deutsch-französischen Kultursenders Arte der seinen Film mitfinanziert hat und ein Essen zu Ehren seiner Teilnahme am Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes gibt. Doch ab jetzt werden alle üben müssen, um den Namen des Thailändischen Regisseurs Apichatpong Weerasethakul richtig auszusprechen und sich darauf zu einigen, wie er sich schreibt. Denn gestern Abend hat er mit seinem Film "Onkel Boome, der sich an seine vergangenen Leben erinnert" die goldene Palme, den Filmpreis der Filmpreise gewonnen.

    Überglücklich widmete er das weltberühmte Schmuckstück der Edelgoldschmiede Chopard seinem Land, das im Augenblick eher freudlose Zeiten erlebt. Der Preis für Weerasethakul ist keine Überraschung. Im Berliner Arsenal-Kino ist ihm im Frühjahr sogar schon eine komplette Hommage gewidmet worden und auf den großen Festivals dieser Welt ist er schon eine Weile ein gern gesehener Gast. Dass sein Film der beste des diesjährigen Wettbewerbs sei, pfiffen schon seit Tagen die Spatzen von den Dächern des etwas heruntergekommenen Städtchens an der Côte d´Azur, das sich in jedem Jahr für zwei Wochen in die Weltfilmmetropole verwandeln möchte.

    Weerasethakul mischt die Mythen, die Zauberer und die Geister, die Lebenden und die Toten und die spektakuläre Landschaft seines Lands, und auch dessen Leidenschaft fürs spirituelle zu einem Kinoerlebnis der besonderen Art. Anfangs reist sich ein ans Seil gebundener Büffel los und rast in den Dschungel bis er nicht mehr weiterkommt. Tote sitzen plötzlich wieder am Tisch, Verschwundene tauchen als glutäugige Monster wieder auf und eine Prinzessin sucht die Schönheit wieder im Jungbrunnen, in dem ein kapitaler Wels mit ihr kopuliert. Weerasethakul zeigt grandiose Bilder aus den dunklen Höhlen der Erinnerung und aus der grünen Hölle der Natur, die fremd nur dem sein können, der die Magie des Kinos längst verloren gegeben hat.

    "Es ist eine Beschreibung meiner Erinnerungen, an das Kino so wie es war, an die alte Landschaft und an das, woran früher geglaubt wurde - wie Geister und Gespenster."

    Nichts ist eindeutig in diesem Meisterwerk von betörender Schönheit - aber irgendwie ist auch alles ganz einfach und schlicht. Die Welten der spirituellen Wahrheit und der Realität sind eben nicht genau voneinander zu unterscheiden. Ebenso wenig wie Leben und Tod, Moderne und Tradition und dann zwinkert Weerasethakul noch dazwischen mit gehörigem Schalk im Nacken. Unlocker, gläubig oder vollgepackt mit heiliger Verehrung darf man seine Filme nicht sehen. Es ist eben Joe - der mit dem komplizierten Namen - der das Weltkino von nun an verändern und mitbestimmen wird. Das Festival von Cannes gewinnen ist keine Kleinigkeit, noch dazu wenn man den mit Abstand schönsten und poetischsten Film gedreht hat. Alle reden von 3D.

    Weerasethakuls schafft es mühelos vier bis sechs Dimensionen aufzutürmen. Technische Mätzchen braucht er dazu nicht. Das Happy-End des Festivals von Cannes mit dem wichtigsten Preis für den eindeutig besten Film darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass in diesem Jahr eigentlich Mittelmaß Trumpf war. Nach der Berlinale schrieben Viele Journalisten, in Cannes, ja da werde man endlich die wirklich guten und großen Filme des Jahres sehen. Jetzt schreiben das ebenso viele schon von Venedig, das in drei Monaten das Festivaljahr abrunden wird. Die Karawane zieht weiter. Aber in schöne Bilder sich einmal versenkt und die poetische Kraft des Kinos auf der Haut gespürt zu haben, das ist doch schon ein Ganzes Festival Wert. Man muss es sich einfach auf der Stelle merken. Der Mann heißt APICHATPONG WEE-Ra-SETHA-KUl . Hoffentlich gibt es unter den Hörern einen deutschen Verleiher, der diesen wunderschönen Film seinem Publikum zutraut.