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Pandemie-Bekämpfung
Corona-Warn-App: zahnloser Tiger oder wichtiges Werkzeug?

Die Corona-Warn-App soll dabei helfen, Infektionsketten zu unterbrechen. Doch seitdem sie im Juni gestartet ist, ist die Debatte um ihre Wirksamkeit in vollem Gang. Gesundheitsminister Jens Spahn nennt sie "ein wichtiges Werkzeug - aber nur eines unter vielen in dieser Pandemie."

Von Peter Welchering | 21.10.2020
Ein Handy mit der geöffneten Corona-Warn-App
Wirksam oder nicht? Die Corona-Warn-App (Unsplash/Markus Spiske)
Die Corona-Warn-App ist in den politischen Streit geraten. Immer wieder gibt es Fehlermeldungen, User sind verunsichert oder tragen ihre positiven Testergebnisse nicht gewissenhaft ein. Einen zahnlosen Tiger hat sie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder genannt. Die App sei wichtig und funktioniere gut, meint dagegen SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Amtsärzte sehen kaum einen Nutzen in der App - jede Infektionskette, die mit Hilfe der App durchbrochen werde, sei gut, sagt dagegen Gottfried Ludewig, Leiter der Digital-Abteilung im Bundesgesundheitsministerium.

Wie viele Deutsche nutzen die App?

Die Corona-Warn-App ist fast 20 Millionen Mal heruntergeladen worden. Hochrechnungen gehen davon aus, dass rund 16 Millionen Menschen sie aktiv nutzen. Derzeit melden täglich 500 App-Nutzer über die App, dass sie positiv auf das Coronavirus getestet wurden - und das bei durchschnittlich 7.000 Neuinfizierten. Über die vergangenen Monate betrachtet sollen 60 Prozent der 16 Millionen App-Nutzer ihr positives Textergebnis in die App eingetragen und so für die Information ihrer Kontaktpersonen gesorgt haben.

Welche Kritik gibt es an der Aktualität und der Technik?

Es gibt den Vorwurf, die App bilde nicht mehr die Erkenntnisse ab, die die Forschung inzwischen über das Virus habe, zum Beispiel bei der Berechnung des Risikowertes. Da ist das Kriterium implementiert, dass ein Aufenthalt länger als 15 Minuten und mit einem geringeren Abstand von 1,50 Meter eine hohen Risikowert zugeordnet bekommt. Der Aufenthalt mit mehreren Menschen über längere Zeit in größeren Räumen dagegen einen niedrigeren. Das müsse angepasst werden, lautet die Forderung. Eine weitere Kritik geht in die Richtung, dass man zwar erfahre, dass eine der Kontaktpersonen positiv auf das Coronavirus getestet ist - man aber nicht weiß, bei welcher Gelegenheit man diese Kontaktperson getroffen hat.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Das geschieht aus Datenschutzgründen, damit man nicht erschließen kann, wer die positiv getestete Person ist. Dieses Problem soll etwa mit Ereigniscodes gelöst werden, die dann die an diesem Ereignis Beteiligte gesondert warnen, aber nicht auflösen, um welches Ereignis es sich handelt. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen und Vorschläge. So könnte etwa mit so einem Ereignis-Code der Tag benannt werden, aber nicht die konkrete Uhrzeit. Eine andere Vorstellung geht in die Richtung, dass die Ereignis-Code ähnlich eines Kontaktcodes ausgetauscht werden: War man an einem Ereignis beteiligt, an dem auch ein positiv Getesteter teilgenommen hat, bekäme man eine Warnmeldung.

Was bringt die neue Version der App?

Patienten können Symptome eintragen, wenn sie sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert haben. Das hilft bei der Berechnung des Infektionsrisikos, weil das im Verlauf der Covid-19-Erkrankung unterschiedlich ausgeprägt ist. Außerdem kann die deutsche Warn-App Daten mit Warn-Apps anderer Staaten austauschen, bisher allerdings nur Irland und Italien. Andere Länder sollen demnächst allerdings folgen. Die jeweiligen Kontaktdaten könnten dann auch auf ausländischen Servern landen, allerdings handelt es sich dabei wieder nur um verschlüsselte Kontakt-Codes - wie in Deutschland.

Warum gibt es Probleme beim Datenaustausch mit den Testlabors?

Das Labor teilt mittels QR-Code dem Server beim RKI das positive Testergebnis mit. Der Getestete kann dann mithilfe seiner App und dem QR-Code, der ihm beim Test gegeben wurde, ebenfalls auf den RKI-Server zugreifen und das Testergebnis abfragen. Das Problem dabei ist ganz simpel: Noch längst nicht alle Labors haben die Software installiert, um das Testergebnis mittels QR-Code an den RKI-Server zu übertragen. Daher müssen die Getesteten weiterhin bei den Hotlines anrufen. Der Preis für die Software inklusive Installation liegt bei etwas unter 20.000 Euro. Kleinere Laboratorien können das einfach nicht stemmen.

Es gibt Forderungen, weitere Apps zu entwickeln. Könnte das bei der Anbindung der Labors helfen?

Wenn es für diese Anbindung Geld gibt, ja. Denn das ist in erster Linie eine Frage der Kosten. Der FDP-Netzpolitiker Manuel Höferlin hält die App zum Beispiel grundsätzlich technisch für "in Ordnung". Es gebe aber noch viele Ideen für den Ausbau einer Corona-App, sagt er: "Das sollte allerdings nicht die staatliche Corona-Warn-App tun, sondern das sollten andere Apps machen, in denen so etwas mit drin ist".
Die Corona-Warn-App mit der Seite zur Risiko-Ermittlung ist im Display eines Smartphone vor der Kuppel des Reichstags zu sehen.
FDP-Netzpolitiker: " App muss in die Freiheit entlassen werden"
Der FDP-Netzpolitiker Manuel Höferlin hält den Aufbau weiterer privater Corona-Warn-Apps für sinnvoll. Viele Funktionen würden in der staatlichen App immer noch fehlen. Private Entwicklungen sollten mehr gefördert werden.
Allerdings wurde die App von zwei IT-Unternehmen, SAP und der Telekom entwickelt. An der Telekom hält die Bundesregierung zwar immer noch Anteile. Die Entwicklung stand aber unter dem Open-Source-Verfahren. Mehr Transparenz, mehr Freiheit geht eigentlich nicht. Da ist an der Stelle noch Diskusisonsbedarf.