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Papierlose Behörden im App-Dschungel

IT.- Das virtuelle Rathaus, das Bürgern den Gang zum Amt ersparen soll, steht hierzulande noch auf einer unteren Entwicklungsstufe. Der Bundesinnenminister möchte die Entwicklung beschleunigen und startete zum Auftakt der Kongressmesse "Moderner Staat" den Wettbewerb "Apps4Deutschland".

Von Wolfgang Noelke |
    Willkommen im Apps-Paradies, war der erster Eindruck dieser 15. Kongressmesse "Moderner Staat". Immerhin startete Bundesinnenminister Friedrich den Wettbewerb "Apps4Deutschland", der sogar behördliche Datenschatzkammern öffnet:

    Friedrich:

    "Es ist schon mal ganz wichtig, dass wir alle Statistiken, dass wir alles das, was der Staat im weitesten Sinne an Daten für sich gesammelt hat, dass das auch bereitgestellt wird. Wir haben heute gehört, dass auch die Bundesanstalt für Geodäsie Geo-Daten zur Verfügung gestellt hat. Das ist ein unschätzbarer Rohstoff, aus dem man jetzt was machen kann – und das ist ja der Sinn des Wettbewerbs, aus diesem Rohstoff tolle Anwendung zu machen."

    Direkt neben dem Messestand des Bundesinnenministeriums - der Stand des Nachbarlandes Österreich. Bereits viele Jahre vor der Apps-Zeit habe man sich von fast allen, aus der Kaiserzeit stammenden, Hierarchiestrukturen verabschiedet, an deren unterster Stelle Bürger Anträge auszufüllen hätten, um diese untertänigst persönlich im Amt abzugeben, sagt Johann Mittheisz, Leiter der Informations-und Kommunikationstechnologie der Stadt Wien:

    "1995 hat unser Bürgermeister gesagt, 'die Daten werden laufen und nicht der Bürger - das ist ein Auftrag!' Und daher haben wir eine mehr als zehnjährige Kultur im Internet, im Leistungsangebot und auch in dem Bemühen, auch den Bediensteten in diese Richtung glaubhaft und für ihn selbst positiv erlebbar weiterzuentwickeln. Und das können Sie nicht machen, indem man dann Richtlinien macht, Grundlagen oder so eine Definition 2.0, 3.0, 4.0 – das überzeugt nicht. Miterleben, dies selbst gestalten lassen, proaktiv das zu tun."

    Dazu, so Johann Mittheisz, gehörte die Verpflichtung der Behörden, auf die althergebrachte Vorschrift zu verzichten, nach der behördliches Wissen auf keinen Fall veröffentlicht werden dürfe. Während in Deutschland oft genug noch die Freigabe behördlicher Datensammlungen vor Gericht erstritten oder teuer bezahlt werden muss und es den Behörden überlassen bleibt, die Daten nach Abschluss des Wettbewerbs wieder zu verbergen, seien österreichische Behörden verpflichtet, Statistiksammlungen und ähnliche, nicht personenbezogene Daten grundsätzlich freizugeben, um den experimentellem Weg, neue Formen des elektronischen Regierens, des sogenannten eGovernment zu finden fortzusetzen:

    Mittheisz:

    "Mehr Mut, auch in Deutschland, wäre nicht schlecht. Wenn ich da sehe, die eGovernment-Architektur ist ein super Werk. Die Umsetzung wäre nicht schlecht, etwa die Nutzungsbedingungen im Umfeld Geo-Daten. Wir sind reingegangen jetzt mit CreativeCommons-Lizenz 3.0. Nur Namensnennung, kostenlos. Geht auch – ja?- Kein Risiko, denn sollte irgendetwas auftreten, dann will ich mal sagen – Hoppla – dann sind wir in Haftung, Gewährleistung. Dann müssen wir es eh behandeln.""

    Dank kostenloser Daten entstanden in Österreich schon in kurzer Zeit weitgehend funktionsfähige virtuelle Rathäuser. Rathäuser, die von Bürgern nicht mehr betreten werden müssen. Man soll auch keine Dokumente mehr herunterladen, sagt Johann Mittheisz, weil in Österreich fast alles papierlos online abgewickelt werden muss. Österreicher füllen am eigenen Bildschirm Anträge aus, die sie online versenden. Falls es mal hakt, reagieren die Behörden angeblich sofort:

    "Wir haben diese Feedback-Formulare, wo wir konkreteste Hinweise für Leistungsverbesserungen haben. Und dort werden die wichtigsten Verfahren regelmäßig von uns kontrolliert. Und das freut auch einen, nicht nur der Hinweis, wo es dann eine Anregung gibt, sondern auch das Lob, wo eben eine schreibt, 'ich bin zwar schon etwas alt, in Klammern 80 Jahre – aber das Formular ist sehr verständlich und es ist mir gelungen es auszufüllen' Super!"

    Im Gegensatz zu Österreich ist für viele deutsche Katasterämter der Verkauf von Geodaten ein Geschäftsmodell. Die mit hohem technischen Aufwand erstellten Daten stehen - wenn überhaupt – öffentlich nur in einer geringen Auflösung zur Verfügung und werden von einigen Kommunen verkauft, zum Beispiel an Architekten, die für die höhere Auflösung eine Urheberrechtslizenz zahlen. Bleibt das Henne-Ei-Problem, ob mit guten Apps nicht doch ein wesentlich höherer volkswirtschaftlicher Nutzen, erzielt werden kann als mit Lizenzgebühren. Bundesinnenminister Friedrich:

    "Das Thema Urheberrechte bleibt natürlich ein Thema – keine Frage! Wir haben dort das klassische Spannungsfeld, das wir in der anlogen Welt auch haben, zwischen denen, die ein Anrecht haben auf die Früchte ihrer Kreativität, auf der einen Seite – und auf der anderen Seite die Zurverfügungstellung für die Allgemeinheit. Und dieses Spannungsfeld muss auch einem fairen Ausgleich zugeführt werden."