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Papst, Kaiser und eine Frau

Vor über 900 Jahren will der deutsche Kaiser Heinrich IV. im Büßergewand vor den Papst Grevor VII. treten. Letztlich beendete dieser Gang nach Canossa nicht die Machtprobe zwischen dem geschickten Kaiser und dem fanatischen Kirchenmann. Dass aber bei der historischen Schlüsselszene eine Frau dazwischen war, wird in Schulgeschichtsbüchern nicht erwähnt: Zwei Ausstellung in Italien widmen sich der Figur der Mathilde von Canossa.

Von Thomas Migge |
    Der italienische Dichter Petrarca beschrieb sie als machtlüsternes Weib, als brutal und kriegerisch. Für seinen Kollegen Dante war die Signora eine liebevolle und aufopfernde Herrscherin. Wer war Mathilde von Canossa, jene Markgräfin, die von 1046 bis 1115 lebte und in die Geschichtsbücher als Vermittlerin zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. einging? Hatte der Papst doch den Deutschen exkommuniziert, der daraufhin seinen berühmten Gang nach Canossa zu Mathilde antrat, wo sich auch Gregor VII. aufhielt. Für den Historiker Arturo Calzone war Mathilde eine der faszinierendsten Frauengestalten des Mittelalters:

    "Anhand von mehr als 200 Ausstellungsobjekten, Dokumente, Kunstwerke, Waffen und Kunsthandwerk, versuchen wir, der Persönlichkeit einer Frau auf die Spur zu kommen, die es im männerdominierten Mittelalter und als Herrscherin über ein Reich, das weite Teile Mittelitaliens umfasste, alles andere als leicht hatte. Die aber einer Schlüsselfigur der italienischen Geschichte wurde."

    In gleich zwei Ausstellungen in Mantua und Reggio Emilia wird Mathildes Leben vorgestellt. Das Leben einer Frau zwischen Kaiser und Papst. Nach ihrer anfänglichen Vermittlung im sogenannten Investiturstreit - es ging um das Recht auf die Einsetzung von Bischöfen und Äbten, also um das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht - unterstützte Mathilde schließlich rückhaltlos das Reformpapsttum; eine innerkirchliche Reformbewegung, die jede religiöse Ämterbesetzung durch Laien entschieden ablehnte. Mathildes politisch-geografische Position in der Mitte Italiens, zwischen Kirchenstaat und deutschem Kaiserreich, erklärte ihre große Bedeutung in der Auseinandersetzung zwischen Heinrich IV. und Gregor VII..

    Wie lebte es sich am Hof einer solchen Frau? Zelebrierte und förderte sie die Künste? Gab es darin einen Unterschied zu ihren männlichen Herrscherkollegen? Ausstellungskuratorin Renata Salvarini bejaht diese Fragen:

    "Die Ausstellungen zeigen deutlich, wie Mathilde die Künste förderte. Vor allem die Buchkunst. Die Frau, die drei Schlachten als Heerführerin leitete, finanzierte kostspielige Buchprojekte. In der Ausstellung sind einige ihrer Kodexe zu sehen. Sie scheint Elfenbeinobjekte gesammelt und antike Kunstwerke geschätzt zu haben. Sie war eine Förderin der romanischen Renaissance, die sich an der Antike inspirierte. Eine Seite der historischen Mathilde von Canossa, die recht unbekannt ist."

    Ihr Interesse für die Antike scheint auch jener hellenistische Sarkophag zu belegen, in dem sie sich beisetzen ließ.

    Neben dem Fokus auf ihre Förderung der Künste wird Mathilde in den beiden Ausstellungen vor allem als Politikerin vorgestellt. Als Souverän, als Kriegsherrin, als Diplomatin zwischen Papst und Kaiser. Eine Rolle, für die sie in der Kirchengeschichte auch Jahrhunderte später immer wieder gewürdigt wurde. Die Ausstellungen zeigen vatikanische Gobelins aus dem 17. Jahrhundert, auf denen Papst Gregor VII. dargestellt wird, der Mathilde mit allen Ehren empfängt. Ausgestellt wird auch eine Büste von Gian Lorenzo Bernini, die ein idealisiertes Abbild der Herrscherin zeigt. Ein Werk aus einer Privatsammlung, das noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt wurde.

    Für die beiden Ausstellungen konnten nur selten zu sehende Objekte zusammengeliehen werden, darunter einen marmornen Papstthron, der aus einem Fürstenthron aus altgriechischer Zeit geschaffen wurde: ein Objekt aus der römischen Johannesbasilika. Zu sehen sind sämtliche erhaltenen Siegel und Dokumente von Mathilde von Canossa, das Goldkreuz Kaiser Heinrich IV., das in seinem Sarkophag gefunden wurde und Seidenstickereien aus dem 11. Jahrhundert. Renata Salvarini:

    "Die beiden Ausstellungen unterscheiden sich wesentlich von derjenigen zu Mathilde und Heinrich, die 2006 in Paderborn zu sehen war. Dort interpretierte man diese Persönlichkeiten und ihre Geschichte aus reichsdeutscher Sicht. Wir hingegen sehen diese historischen Figuren aus dem Blickwinkel des damaligen Italien, das heißt: Wir erzählen die Geschichte einer Herrscherin und ihres Papstes."

    Dem sie übrigens bis in ihr Privatleben voll ergeben war. Auf päpstlichen Wunsch hin heiratete Mathilde von Canossa mit 43 Jahren in zweiter Ehe Guelfo V., der nur 16 Jahre jung war. Ihre Kinder starben früh. Ohne Erbe konnte sie keine Dynastie und somit auch kein dauerhaftes Staatsgebilde in der Mitte Italiens schaffen. Aus diesem Grund hinterließ sie ihr Reich nach ihrem Tod den Päpsten in Rom - die auf diese Weise ihr Herrschaftsgebiet enorm ausweiten konnten.