Mittwoch, 24. April 2024

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Papstbesuch in Irland
Ansehen der katholischen Kirche sei "unrettbar beschädigt"

Beim katholischen Familientreffen in Irland dominierte ein Thema: das System von Missbrauch und Vertuschung. Papst Franziskus bat um Vergebung, doch viele Opfervertreter wollten Maßnahmen statt Worte. Noch genießt Franziskus ein deutlich höheres Ansehen als seine Institution - doch das könnte sich ändern.

Martin Alioth im Gespräch mit Susanne Fritz | 27.08.2018
    Papst Franziskus geht während seiner ersten Rede im irischen Dublin an drei Flaggen vorüber, der irischen (links), der europäischen (Mitte) und der des Vatikan (rechts).
    Bei seinem Irlandbesuch hat Papst Franziskus um Vergebung für kirchlichen Missbrauch gebeten (AFP/Tiziana FABI)
    Eigentlich stand das Weltfamilientreffen auf dem Programm des Papstbesuches in Irland, eine katholische Selbstvergewisserung in Sachen Ehe und Familie. Doch das dominierende Thema war die sexuelle Gewalt, die Geistliche gegen Kinder und Jugendliche verübt haben.
    "Das Verhältnis der irischen Bevölkerung zur katholischen Kirche ist geprägt durch die Missbrauchs-Erfahrung. Es war offenbar dem Papst neu, dass es um ein ganzes Institutionengefüge ging, das von der katholischen Kirche mit Duldung des Staates aufgebaut wurde, um Missliebige einzukerkern, etwa unverheiratete Mütter. Es war ein System".
    Das Verhältnis sei "unrettbar beschädigt". Irland habe sich von den katholischen Vorgaben emanzipiert, die Katholiken seien "ein klein wenig protestantischer geworden", so Deutschlandradio-Korrespondent Martin Alioth. "Sie fühlen sich mehr dem eigenen Gewissen verpflichtet als dem Wort von der Kanzel."
    "Wir bitten um Vergebung"
    Franziskus sagte im Gottesdienst: "Wir bitten um Vergebung für Missbrauch in Irland, Missbrauch von Macht und Gewissen, sexuellen Missbrauch durch Mitglieder, die verantwortungsvolle Positionen in der Kirche innehatten, und insbesondere um Vergebung für jeden Missbrauch, der in verschiedenen Arten von Institutionen unter der Leitung von Ordensleuten und anderen Kirchenangehörigen begangen wurde. Wir bitten auch um Vergebung für die Fälle von Arbeitsausbeutung, zu denen so viele Kinder gezwungen wurden: Wir bitten um Vergebung. Wir bitten um Vergebung für all jene Zeiten, in denen wir als Kirche den Überlebenden keinerlei Form von Mitgefühl, von Suche nach Gerechtigkeit und Wahrheit mit konkreten Taten gezeigt haben: Wir bitten um Vergebung. Wir bitten um Vergebung für jene Mitglieder der Hierarchie, die diese schmerzhafte Situation nicht angegangen sind, sondern geschwiegen haben: Wir bitten um Vergebung."
    Opfervertreter fordern die Öffnung der Archive
    Am Samstag traf Franziskus Vertreter von Opfergruppen. "Einige der Anwesenden schöpften daraus Linderung. Sie äußerten sich nachher positiv", berichtet Martin Alioth. Aber es gebe auch starke Kräfte in der irischen Bevölkerung und unter den Opfervertretern, die konkrete Maßnahmen fordern. Dies könnte zum Beispiel die lückenlose Öffnung sämtlicher kirchlichen Archive im Vatikan und in Irland sein. Noch unterschieden die Iren zwischen der Person Franziskus und der Institution Kirche. Wenn nun, wie in den Anschuldigungen des ehemaligen Nuntius behauptet wird, dieser Papst selbst Teil des Vertuschungs-Apparates gewesen sei, dann werde sich das positive Franziskus-Bild ändern.
    Präsentiert wurde auf dem Familientreffen der neue "Youcat für Kids", ein Katechismus für Kinder. Dies wurde laut Deutschlandradio-Korrespondent Martin Alioth angesichts des Themas Missbrauch als "Kuriosität" empfunden worden.