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Parallele in der Geschichte

Finanzkrise in Griechenland ist nicht die erste große Währungskrise der Europäischen Gemeinschaft. 1992 hatte die britische Regierung ihre Währung aufgewertet, und schon einmal gehorchten die Märkte ihren Gesetzen und nicht den politischen.

Jürgen Krönig im Gespräch mit Britta Fecke |
    Fecke: Als am schwarzen Mittwoch 1992 das scheinbar stabile Währungsgefüge der Europäischen Gemeinschaft aus den Fugen geriet, befand sich das britische Pfund im freien Fall, und der Wirbel auf den Devisenmärkte zog alle Kurse der europäischen Währungen mit hinunter. Nun haben wir eine gemeinsame Währung und ein ähnliches Problem. Jürgen Krönig arbeitet als freier Journalist in London. Herr Krönig sehen Sie Parallelen zwischen dem Fall Großbritannien 1992 und Griechenland 2010?

    Krönig: Insofern nur so, als man nicht gegen die Märkte ein System errichten kann, das nicht haltbar und tragbar ist. Damals, 1992, rächte sich, dass Großbritannien - unter Margret Thatcher übrigens interessanterweise, die eigentlich sehr skeptisch war gegenüber der Währungsschlange, dem Vorläufer des Euro -, in diese Währungsschlange eintrat zu einem zu hohen, unrealistisch hohen Wechselkurs zur D-Mark. Und in dieser Währungsschlange durfte dieser Wechselkurs nach oben und unten nicht unterschritten werden. Aber da das Pfund einfach zu schwächlich war, mussten die Zentralbank – die Englische Bank und die Bank von England - immer wieder intervenieren und nachkaufen, um den Pfund-Kurs zu stützen, was sich aber dann letztlich als untragbar, als nicht möglich erwies, weshalb nach einem kurzen Kraftakt, wo die Zinsen in Großbritannien auf 15 Prozent stiegen, dann das Pfund schließlich aufgab und aus der Währungsschlange herausgenommen wurde. Das heißt: Die Märkte, die Spekulation, wenn man so will, George Soros, hatten gesiegt und hatten für das Ende dieses Währungsabenteuers gesorgt.

    Fecke: Gerade im Nachgang, in der Analyse dieser Krise ergab sich, dass die Märkte die fragwürdigen Konstrukte der Politik zurechtgerückt haben beziehungsweise zu Fall gebracht haben. Sind in Großbritannien jetzt die Stimmen zahlreich, eben auch durch diese Erfahrung Anfang der 90er, die einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion fordern?

    Krönig: Na, sie fordern es nicht, aber sie beobachten sehr genau, was passiert. Es ist ja sehr aufregend. Auch Großbritannien wird indirekt zumindest davon betroffen sein. Aber in Großbritannien zunächst einmal sagt man: Man fühlt sich ganz generell bestätigt, dass es gut war, dass Großbritannien nicht in den Euro hineingegangen ist, sonst würde es sozusagen auch mit zur Kasse gebeten von einem verantwortungslosen Griechenland, das betrogen, gelogen und über seine Verhältnisse gelebt hat. Und insofern sind die Briten da zumindest nicht davon betroffen. Aber sie sehen natürlich auch und viele Kommentatoren glauben, dass es am Ende womöglich doch zu einem Austritt oder einem zeitweiligen Austritt von Griechenland aus der europäischen Währungsunion kommen wird.

    Fecke: Auch Großbritannien hat sich ja von den Auswirkungen der Finanzkrise noch lange nicht erholt. Wie sehr würde eine Verschärfung der Lage von Griechenland, womöglich auch noch von Portugal, Spanien oder Italien die britische Wirtschaft treffen?

    Krönig: Na ja, eine solche Krise, die Sie an die Wand malen, die also andere schwache oder schwächelnde Euro-Länder beträfe wie Portugal und Spanien und auch vielleicht Italien, würde natürlich auch Großbritannien, das derzeit mit einem Budget-Defizit von ungefähr zwölf Prozent des Bruttosozialproduktes zu kämpfen hat und dieses unbedingt reduzieren muss in den nächsten Jahren, auch insofern betreffen, als eine solche Krise womöglich auch die gesamten Banken wieder erschüttern würde. Und insofern wäre Großbritannien, das ja auch auf den internationalen Finanzmärkten sein Defizit ausgleichen muss und Geld leihen muss auch davon betroffen. Also, insofern schaut man mit sehr gemischten und auch bangen Gefühlen dieser ganzen europäischen Entwicklung zu.

    Fecke: In der EU wird Kanzlerin Merkel, wenn es um das Finanzpaket für Griechenland geht, momentan mit "Madame No" betitelt. Wird in Großbritannien die Ansicht geteilt, dass der deutsche Kurs gegenüber Griechenland zu hart ist?

    Krönig: Nein, im Grunde genommen nicht. Es wird mit Verständnis reagiert. Es gibt nicht diese anti-deutschen Ausfälle, die in anderen europäischen Ländern zu vermelden sind, wo man auch gleichzeitig wieder wie in Griechenland Nazibilder beschwört. Hier wird im Grunde genommen gesagt: Das, was Deutschland macht, ist ganz verständlich und vernünftig. Die Griechen müssen Schmerzen ertragen, die auf sie zukommen werden. Sie müssen den Gürtel sehr viel enger schnallen, denn sie haben, wie gesagt, durch Betrug und durch Täuschungsmanöver – es werden hier auch zustimmend sogar Stimmen aus der Boulevard-Presse, aus der "Bildzeitung" zitiert, die sagen, dass sich deutsche Rentner bitter beschweren darüber, dass sie das luxuriöse Wohlergehen von griechischen Pensionären zahlen müssen – das wird mit Verständnis gesehen, und insofern gibt es hier keine anti-deutsche Stimmung. Im Gegenteil: Man findet Frau Merkels Verhalten im Grunde richtig.