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Parallele Resistenz

Biologie. - Ob ein Mensch sich ansteckt oder nicht – hängt von vielen Faktoren ab. So gibt es Gene, die Menschen vor bestimmten Infektionen schützen. US-amerikanische Wissenschaftler berichten jetzt im Fachblatt Nature, dass sie erstmals auch bei Wildtieren "schützende Gene" entdeckt haben.

Von Martin Winkelheide |
    Ihre Paviane kennen die Biologen der Duke Universität sehr gut. Seit beinahe 40 Jahren beobachten sie die Tiere im Amboseli Nationalpark in Kenia. Was fressen die Tiere? Wie ziehen sie ihren Nachwuchs groß? Wie verändert sich die Rangordnung? Wer ist aktuell der Chef? Nun wollten die Forscher mehr wissen. Diesmal nicht über das Verhalten – dafür aber über die Genetik der Paviane. Kein leichtes Unterfangen. Denn, wer genetische Daten sammeln will, muss an Blutproben der Tiere heran kommen, sagt Jenny Tung. Sie hat sich drei lange Sommer täglich vorsichtig an Paviane angeschlichen und auf den richtigen Moment gewartet, einen Pfeil mit Betäubungsmittel abzuschießen.

    "Am besten klappt es früh morgens, wenn die Paviane von den Bäumen herunter kommen. Dann müssen Sie warten. Manchmal sehr lange. Bis ein Pavian sich weit genug von der Gruppe entfernt hat. Damit kein anderes Tier sieht, dass wir ihn betäuben."

    Hätte ein Tier Jenny Tung auf frischer Tat ertappt, hätte es sofort die ganze Pavian-Gruppe alarmiert. Und dann wäre auf absehbare Zeit Schluss gewesen mit wissenschaftlich brauchbarer Verhaltensforschung. Aber alles ging gut. Zurück an der Duke Universität in Durham, North Carolina, konnte Jenny Tung die Blutproben analysieren und erlebte eine erste Überraschung. Bei vielen Pavianen konnte sie Parasiten nachweisen. Die Tiere waren offensichtlich krank. Und kein Forscher hatte es zuvor bemerkt.

    "Wir wussten es wirklich nicht. Unvorstellbar eigentlich. Wo die Tiere seit 1971 erforscht werden. Fast jeden Tag sind Forscher in ihrer Nähe und beobachten sie."

    Die Paviane aus dem Amboseli National Park waren mit Hepatocystis infiziert. Sechs von zehn Tieren trugen den Erreger der Malaria-ähnlichen Krankheit im Blut. Tung:

    "Wir sagten uns: Wow, wirklich viele unserer Tiere sind infiziert - aber nicht alle. Die Frage lautete also ganz einfach: Warum sind die einen Tiere infiziert – und die anderen nicht?"

    Ähnlich wie bei Pavianen - ist es beim Menschen: Einige sind empfänglich für Malaria – andere nicht. In Afrika leben besonders viele Menschen, die unempfänglich sind für den Malaria-Erreger Plasmodium vivax. Das hat genetische Ursachen. Es kommt darauf an, welche Variante eines Gens mit Namen "Duffy" ein Mensch trägt.

    "Beim Menschen ist die Geschichte eindeutig: Das Duffy-Gen ist verantwortlich für eine Struktur auf der Oberfläche der Blutzellen, einen so genannten Rezeptor. Genau diesen Rezeptor benutzt einer der vier Malaria Erreger, plasmodium vivax, als Eintrittspforte, um in die roten Blutzellen einzudringen."

    In Afrika ist eine besondere Duffy-Variante weit verbreitet. Sie sorgt dafür, dass der Malaria-Erreger plasmodium vivax nicht in die roten Blutzellen hinein gelangt. Träger der Duffy-Variante sind vor Malaria geschützt. Als Jenny Tung sich das entsprechende Gen bei ihren Pavianen genauer anschaute, erlebte sie eine weitere Überraschung. Auch bei Pavianen existiert das Duffy-Gen in verschiedenen Varianten, und alle Tiere, die nicht mit dem Hepatocystis-Parasiten infiziert waren, trugen dieselbe genetische Variante.

    "Das war für uns ein aufregendes Ergebnis. Wir haben zum ersten Mal gesehen, dass eine bestimmte genetische Variante bei unseren Pavianen darüber entscheidet, ob sie gesund bleiben oder ob sie infiziert werden von Parasiten."

    Wie genau die spezielle Duffy-Variante die Paviane vor Hepatocystis schützt, das will Jenny Tung mit ihren Kollegen an der Duke Universität jetzt genauer erforschen. Sie geht davon aus, dass es sich bei Mensch und Pavian nicht um absolut identische Schutz-Mechanismen handelt.

    "Natürlich hat die Evolution für jedes Problem eine eigene Lösung gefunden, aber es schon verblüffend zu sehen, wie sehr sich in diesem Punkte die Pavian-Evolution und die Evolution des Menschen ähneln."