Dienstag, 30. April 2024

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Paralympics
Ankunft afghanischer Athleten als emotionale Inszenierung

Sie wurden aus Kabul evakuiert und sind nun doch bei den Paralympics dabei: Die afghanischen Taekwondo-Kämpfer Zakia Khudadadi und Hossain Rasoulinun. Medienwirksam inszenierte das Internationale Paralympische Komitee die Nachricht – und auch in Sachen Politik orientiert man sich an der Schwesterorganisation IOC.

Von Felix Lill | 30.08.2021
Paralympics in Tokio: Eröffnungsfeier im Olympiastadion. Das Flagge Afghanistans wird von Volonteers bei den Paralympics präsentiert.
Bei der Eröffnungsfeier hatten die Para-Sportler aus Afghanistan noch gefehlt (dpa/Karl-Josef Hildenbrand)
"Wie Sie sich vorstellen können, war das Zusammentreffen extrem emotional. Es flossen viele Tränen, von jedem im Raum. Es war wirklich, wirklich ein bemerkenswertes Treffen. Wenn man Bilder gesehen hat, wie die Athleten am Flughafen evakuiert wurden, und man sie dann persönlich trifft, wie sie dann ins Paralympische Dorf einziehen, das ist so groß. Ich glaube, das werde ich nie vergessen. Es unterstreicht die Fähigkeit des Sports, die Menschheit zusammenzubringen."
Der Vortrag von Craig Spence am Sonntagvormittag japanischer Zeit war an Emotionalität kaum zu übertreffen. In der Nacht zuvor war die zweiköpfige Delegation aus Afghanistan, nachdem diese wegen der Konfliktsituation im eigenen Land eigentlich schon ihre Teilnahme abgesagt hatte, doch noch in Tokio eingetroffen. Zuvor waren sie über Kabul nach Paris evakuiert worden, von wo sie dann mit einer Maschine von Air France an den Austragungsort der Paralympics geflogen waren.

IPC: "Hier geht es nicht um Medienberichterstattung"

Craig Spence, Sprecher des Internationalen Paralympischen Komitees, berichtete von diesen Details minutiös. Behauptete dann aber: "Hier geht es nicht um Medienberichterstattung. Beide Athleten sind hier, um ihren Traum zu erfüllen, an den Paralympischen Spielen teilzunehmen. Das IPC ist eine Organisation, die sich auf Athleten konzentriert. Wir werden uns nicht von Ihrem Durst nach Storys treiben lassen. Und nach ihren Wettkämpfen werden die beiden Athleten nicht durch die Mixed Zone gehen."
Es gehe hier nicht um Medienberichterstattung, behauptet der Sprecher des IPC auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Die emotionale Inszenierung der Nachricht, dass die zwei Taekwondo-Kämpfer Zakia Khudadadi und Hossain Rasoulinun doch an den Spielen teilnehmen, lässt an Craigs Behauptung Zweifel zu. Zumal das IPC nicht nur im Fall der afghanischen Athleten deren persönliche Geschichten in den Mittelpunkt stellt.

Das IPC und die Paralympics wachsen seit Jahren

Vor einigen Tagen stellte Teddy Katz, Presseattaché des IPC-Flüchtlingsteams, seine Athleten folgendermaßen vor: "Gewaltige Athleten, gewaltige Geschichten. Ein Team wie kein anderes." Auch bei anderen Athletinnen und Athleten bemüht das IPC gern Narrative, die mit großen Rückschlägen beginnen, aber wegen des starken Willens der Athleten in Unbesiegbarkeit münden – denn sie sind ja hier, bei den Paralympics.
Gern betont das IPC auch, man inspiriere mit diesen Geschichten die ganze Welt. Was zutreffen mag, zeigt zugleich, wie sehr es hier sehr wohl um Inszenierung und Berichterstattung geht. Und es scheint zu gelingen: Das IPC und die Paralympics wachsen seit Jahren. Aber für ein gelungenes Drehbuch bleibt etwas auf der Strecke, was bei den Olympischen Spielen schon länger auffällt: Die Stimmen aller Athleten, ohne deren Diversität die Sportveranstaltung so nicht denkbar wäre. Doch sobald es droht, kontrovers zu werden, drängelt sich das IPC schnell vor.

Politische Fragen nicht erwünscht

Bei der Pressekonferenz des Flüchtlingsteams blockte der Presseattaché sämtliche politische Fragen ab, bevor die Sportler antworteten. Und die afghanischen Athleten sind nun in Tokio, sollen aber keinen Satz mit Journalisten austauschen. Craig Spence sagte am Sonntag noch dies: "Ich glaube nicht, dass Sport und Politik eine besonders gute Mischung ergeben. Wir sind eine Sportorganisation und wir versuchen, dass die Paralympics das Beste der Menschheit zeigen."
Das sind Worte, die wenige Wochen zuvor genauso bei einer Pressekonferenz der Olympischen Spiele hätten fallen können. Von ihrer größeren und beeindruckend vermarkteten Schwesterorganisation IOC hat das IPC offenbar einiges gelernt.