"Vorne kommt der LKW gerade an mit den Teilen von unserer Traglufthalle. Es passt alles in einen LKW rein, in einen Sattelzug. Als nächstes werden jetzt die Folien ausgelegt: erst mal die Hauptmembran, dann kommen drüber die Isolationsfolie und die Schutzfolie."
Jürgen Wowra steht auf einem abgelegenen Bahngelände im Westen Berlins und weist einen schweren Tieflader ein. Vor drei Tagen hat ein Energieversorger den Chef des Traglufthallen-Bauers Paranet um Unterstützung gebeten. Er soll für die Obdachlosen in Berlin eine 1.300 Quadratmeter große Wärmehalle zur Verfügung stellen. Eine beheizbare Traglufthalle. Ohne groß nachzudenken hat der gebürtige Bayer zugesagt. Gerade trifft die gesamte Ausrüstung ein.
Bislang dienen Traglufthallen vor allem als Überdachung im Bereich des Breitensports, zum Beispiel als wetterfeste Tennis- oder Fußballplätze. Kommunen nutzen sie, um ihre Freibäder im Winter öffnen zu können oder als Ausweichlösung für marode Schulsporthallen.
Vor drei Jahren hat Jürgen Wowra das Geschäft mit den Traglufthallen aus einem insolventen Unternehmen in Augsburg herausgelöst und in eine eigenständige Firma überführt. Inzwischen hat das Unternehmen mehr als 100 große und kleinere Traglufthallen in alle Welt verkauft, einen jährlichen Gewinn von vier Millionen Euro erwirtschaftet und sich zum deutschlandweiten Marktführer in diesem Bereich entwickelt, so Jürgen Wowra. Vor allem im Logistikbereich kommen die aufgeblasenen Wabenkonstruktionen immer häufiger zum Einsatz:
"Für Lagerhallen, für Umschlagplätze, für schnelle Lösungen, die benötigt werden. Weil, so eine Traglufthalle ist innerhalb von zwei, drei Tagen aufgebaut mit aller Rückverankerung und innerhalb von einem Tag abgebaut. Wir sind in der Lage, wenn heute ein Logistikunternehmen sagt oder ein produzierendes Unternehmen, wir brauchen unbedingt schnell eine Lagerkapazität auf unserem Parkplatz da draußen, dann sind wir in der Lage, innerhalb von drei Tagen über diesen Parkplatz sozusagen diese Traglufthalle drüber zu setzen und damit Flächen zu überdachen."
Ein selbstversorgendes System
Traglufthallen sind aber nicht nur wesentlich flexibler und vielfältiger einsetzbar als festinstallierte Hallen. Sie kosten mit weniger als 200.000 Euro auch nur etwa ein Viertel eines vergleichbar großen Neubaus. Ihr Funktionsprinzip ist dabei so einfach wie effizient: Mehrere übereinander liegende Membran- und Dämmschichten aus wetterbeständigem Material werden - ähnlich eines Heißluftballons - von unten mit Umgebungsluft aufgeblasen. Das besorgt ein Generator. Innerhalb der Hülle entsteht dabei ein Überdruck von 0,1 bar. Den kann der Mensch zwar kaum spüren, dafür aber sehen. Denn dieser Überdruck ist in der Lage, tonnenschwere Gewichte wie die gesamte Hallenkonstruktion mit zusätzlichen Deckeninstallationen zu tragen. Ein Drahtgitternetz über der Außenseite der Halle verleiht ihr die typische, unheimlich stabile Wabenform und hält sie zugleich sicher am Boden. Egal, wie dieser beschaffen ist. Da ist selbst das Berliner Bahngelände mit seinen abgefahrenen und löchrigen Pflastersteinen kein Problem.
"Wir sind nicht darauf angewiesen, wie zum Beispiel bei einem Zelt, dass wir eine halbwegs gerade Ebene haben. Sondern wir können Geröll überdecken, wir können - wenn Schieflagen drin sind oder wenn Gräben gezogen sind -, da können wir einfach drüber gehen, ohne dass wir da irgendwelche Probleme haben mit der Hallenkonstruktion."
Gemeinsam mit einem deutschen Elektrokonzern hat Paranet die klassische Traglufthalle zu einem sich selbst versorgenden System weiter entwickelt. Denn den Strom, den die Generatoren brauchen, um ständig Luft unter die Außenhülle blasen zu können, den produzieren die Traglufthallen inzwischen selbst. Dazu wurden hochflexible Sonnenkollektoren gebaut, die auf der Außenhaut der Traglufthallen angebracht werden:
"Das hat zur Folge, dass wir Insellösungen versuchen zu entwickeln für unsere Traglufthallen speziell auch für Entwicklungshilfe, für den Katastrophenschutz. Dass man wirklich an jeder Stelle, egal ob es in der Sahelzone oder ob es irgendwo im Hochwassergebiet ist, unsere Traglufthalle schnellstmöglich aufstellen kann und dass wir aber nicht darauf angewiesen sind, dass eine Stromquelle oder Erdgas oder Öl oder Heizöl zur Verfügung steht."
Für Paranet ist die Berliner Wärmehalle für Obdachlose zugleich Einstiegsprojekt in der Hauptstadt. Das Unternehmen hat gerade seinen Firmensitz von Bayern nach Berlin verlegt und wird seine gesamten Aktivitäten künftig von hier aus steuern.
"Wir sind in Berlin mit offenen Armen empfangen worden. In Bayern müssen wir schon darum kämpfen, dass wir Grundstücke vorhalten können, dass wir expandieren dürfen, dass die Banken den Weg mitgehen."
Den Umsatz verzehnfachen
Mit dem neuen Firmensitz in der Hauptstadt rechnet sich Jürgen Wowra gute Chancen aus, den jährlichen Umsatz von Paranet mittelfristig auf rund 50 Millionen Euro steigern, also fast verzehnfachen zu können. In den kommenden Jahren will er in jedem Bundesland eine eigene Niederlassung mit Service und Vertrieb einrichten. Ab 2015 sollen dann auch wieder fast sämtliche Komponenten der Traglufthallen aus eigener Produktion stammen, die sogenannte Fertigungstiefe auf 80 Prozent steigen.
In die Höhe gestiegen ist inzwischen auch die Traglufthalle im Westen Berlins. Innerhalb von drei Tagen hat die wabenförmige Konstruktion das Bahngelände. Und das soll bis Ende April so bleiben. Danach wird die Traglufthalle wieder verpackt und für andere Projekte verwendet:
"Mittlerweile sehen sie die Halle stehen. Oben ist noch ein Windrad, ein Windwächter, der dann den Winddruck auch misst, dass die Halle eben dann auch automatisch gesteuert wird und den Innendruck erhöht. Wir haben jetzt hier den Platz für ungefähr 100 Leute, die jetzt hier auch quartieren können beziehungsweise dann eben auch verköstigt werden durch dieses Sozialprogramm, das da jetzt veranlasst wurde."