Die grundlegende Idee der "Matrix"-Trilogie ist nicht neu, aber sie wurde noch nie derart konsequent und massenwirksam auf die Leinwand gebracht: Die Welt, die wir zu kennen glauben, gibt es gar nicht. Sie wird uns von Computern, die tatsächlich die Menschen einzeln in Tanks halten und ausbeuten, künstlich vorgespiegelt. Wo die Welt nur eine Simulation ist, sind die filmischen Möglichkeiten unbegrenzt: Menschen können in Minuten Kung Fu lernen, sie fliegen, weichen Geschossen aus und tragen in tiefster Nacht die coolsten Sonnenbrillen.
Bereits 1967 schrieben die Science Fiction-Autoren James Blish, Alexei Panshin und Joanna Russ, die verbreitete Paranoia in der Science Fiction leite sich aus deren Wurzeln in der Gothic Novel her: Im Schauerroman sei niemand je sicher vor Bedrohungen, die willkürlich jeden von uns zu jeder Zeit treffen können. Diese Haltung präge auch weite Teile der Science Fiction. Seither hat die Science Fiction stets auch als eine Arena für sämtliche paranoiden Vorstellungen gedient, die Menschen je erdacht haben. Science Fiction ist also ideal geeignet, einer Kultur-Industrie Ideen und Impulse zu liefern, für die Verfolgungen, Größenwahn und Sinnestäuschungen gar kein Problem sind - solange es nur genug davon gibt.
Paranoide Science-Fiction-Filme der 50er Jahre drehten sich um Bedrohungen durch äußere Mächte, etwa um Invasoren aus dem Weltraum oder China. Später kamen die Gefahren dann von innen, etwa in Gestalt von Verschwörungen im Staatsapparat. Zuletzt kam dann die Verschmelzung von Verschwörungsängsten und Virtual Reality. So spielte Steven Lisbergers "Tron" 1982 als erster Hollywood-Film im Inneren eines Computers. Im gleichen Jahr befasste sich Ridley Scotts epochemachender Science-Fiction-Film "Blade Runner" mit der Fälschbarkeit von Erinnerungen.
Rainer Werner Fassbinder ließ in seinem Fernsehzweiteiler "Welt am Draht" zwar schon 1974 seinen Helden Stiller gegen eine Verschwörung in einer Computersimulation antreten, aber diese wegweisende Romanverfilmung blieb international weitgehend unbeachtet.
Die Verbindung von Virtual Reality mit Verschwörungen ist für Filmemacher sehr verführerisch: Wie sind Menschen besser zu täuschen als durch eine perfekte Illusion? Welche Verschwörung wäre größer als die Vortäuschung einer ganzen Welt? Das Einzige, dessen sich Paranoide ganz sicher sein können, ist ihre Existenz. Ob auch ihr Körper Teil einer realen Welt ist, schon dessen können sie sich nicht mehr gewiss sein. Sie denken, also sind sie - alles weitere ist zweifelhaft.
Kein Wunder, dass in unserer schwer durchschaubaren Zeit das Konzept einer ganz anderen, einer parallelen Wirklichkeit neben, unter und hinter der nur scheinbaren Welt die Grundlage vieler Kulturprodukte ist: Seien es Fernsehserien, die Nebenwelten mit Werwölfen, Vampiren und Dämonen zeigen, Bücher, in denen Magier mit Vergessenszaubern bewirken, dass wir Muggel nicht die Natur der Realität erkennen, oder Filme wie "Matrix". Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Idee, die Welt sei vor allem ein Produkt von Täuschungen. Es fällt heute sogar schwer, noch Filme zu finden, die ganz frei von derartigen Vorstellungen sind. Welche Rolle Verschwörungsängste und Täuschungsahnungen in der Politik spielen, wurde im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und der Suche nach versteckten oder nicht vorhandenen Raketen und ABC-Waffen erschreckend deutlich. Ist da die Annahme, die Welt sei im Allgemeinen so, wie sie scheint, berechtigt oder zu vertrauensselig? Die Angst, es entgehe uns etwas Wichtiges, wenn wir nicht immer genau wissen, was unser Nachbar tut, könnte man ja leicht für paranoid halten - wer wird schon Biowaffen in seiner Wohnung lagern, Terrorkommandos oder Folterzentralen dort errichten? Nie aber schien Misstrauen andererseits so berechtigt wie heute: War der Amokläufer von Erfurt nicht erst ein gewöhnlicher Nachbar? Stellen sich nicht immer häufiger Nachbarswohnungen als Folterkammer heraus und Gärten als Friedhöfe? Wer ist sicher vor Attentätern, die jahrelang in Hamburg studieren, um unversehens in New York Massaker anzurichten? Ist die Welt nicht wirklich voller Bedrohungen? Ist es also doch ratsam, den Nachbarn genau im Auge zu behalten?
Franz Kafka hat in der Erzählung "Der Nachbar" schon eindringlich beschrieben, wie ein diffuses Gefühl des Bedrohtseins unmerklich zum Verfolgungswahn werden kann. Filme wie "Matrix" bringen nicht nur solche Massenstimmungen der Gegenwart auf den Punkt. Sie bieten darüber hinaus als - durchaus zweifelhaften - Ausweg aus der Paranoia den Solipsismus an.
Manchen mag es ja beruhigen: Kann sein, dass der Nachbar böse ist. Kann aber auch sein, dass er gar nicht existiert - wie alles andere auch.
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Bereits 1967 schrieben die Science Fiction-Autoren James Blish, Alexei Panshin und Joanna Russ, die verbreitete Paranoia in der Science Fiction leite sich aus deren Wurzeln in der Gothic Novel her: Im Schauerroman sei niemand je sicher vor Bedrohungen, die willkürlich jeden von uns zu jeder Zeit treffen können. Diese Haltung präge auch weite Teile der Science Fiction. Seither hat die Science Fiction stets auch als eine Arena für sämtliche paranoiden Vorstellungen gedient, die Menschen je erdacht haben. Science Fiction ist also ideal geeignet, einer Kultur-Industrie Ideen und Impulse zu liefern, für die Verfolgungen, Größenwahn und Sinnestäuschungen gar kein Problem sind - solange es nur genug davon gibt.
Paranoide Science-Fiction-Filme der 50er Jahre drehten sich um Bedrohungen durch äußere Mächte, etwa um Invasoren aus dem Weltraum oder China. Später kamen die Gefahren dann von innen, etwa in Gestalt von Verschwörungen im Staatsapparat. Zuletzt kam dann die Verschmelzung von Verschwörungsängsten und Virtual Reality. So spielte Steven Lisbergers "Tron" 1982 als erster Hollywood-Film im Inneren eines Computers. Im gleichen Jahr befasste sich Ridley Scotts epochemachender Science-Fiction-Film "Blade Runner" mit der Fälschbarkeit von Erinnerungen.
Rainer Werner Fassbinder ließ in seinem Fernsehzweiteiler "Welt am Draht" zwar schon 1974 seinen Helden Stiller gegen eine Verschwörung in einer Computersimulation antreten, aber diese wegweisende Romanverfilmung blieb international weitgehend unbeachtet.
Die Verbindung von Virtual Reality mit Verschwörungen ist für Filmemacher sehr verführerisch: Wie sind Menschen besser zu täuschen als durch eine perfekte Illusion? Welche Verschwörung wäre größer als die Vortäuschung einer ganzen Welt? Das Einzige, dessen sich Paranoide ganz sicher sein können, ist ihre Existenz. Ob auch ihr Körper Teil einer realen Welt ist, schon dessen können sie sich nicht mehr gewiss sein. Sie denken, also sind sie - alles weitere ist zweifelhaft.
Kein Wunder, dass in unserer schwer durchschaubaren Zeit das Konzept einer ganz anderen, einer parallelen Wirklichkeit neben, unter und hinter der nur scheinbaren Welt die Grundlage vieler Kulturprodukte ist: Seien es Fernsehserien, die Nebenwelten mit Werwölfen, Vampiren und Dämonen zeigen, Bücher, in denen Magier mit Vergessenszaubern bewirken, dass wir Muggel nicht die Natur der Realität erkennen, oder Filme wie "Matrix". Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Idee, die Welt sei vor allem ein Produkt von Täuschungen. Es fällt heute sogar schwer, noch Filme zu finden, die ganz frei von derartigen Vorstellungen sind. Welche Rolle Verschwörungsängste und Täuschungsahnungen in der Politik spielen, wurde im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und der Suche nach versteckten oder nicht vorhandenen Raketen und ABC-Waffen erschreckend deutlich. Ist da die Annahme, die Welt sei im Allgemeinen so, wie sie scheint, berechtigt oder zu vertrauensselig? Die Angst, es entgehe uns etwas Wichtiges, wenn wir nicht immer genau wissen, was unser Nachbar tut, könnte man ja leicht für paranoid halten - wer wird schon Biowaffen in seiner Wohnung lagern, Terrorkommandos oder Folterzentralen dort errichten? Nie aber schien Misstrauen andererseits so berechtigt wie heute: War der Amokläufer von Erfurt nicht erst ein gewöhnlicher Nachbar? Stellen sich nicht immer häufiger Nachbarswohnungen als Folterkammer heraus und Gärten als Friedhöfe? Wer ist sicher vor Attentätern, die jahrelang in Hamburg studieren, um unversehens in New York Massaker anzurichten? Ist die Welt nicht wirklich voller Bedrohungen? Ist es also doch ratsam, den Nachbarn genau im Auge zu behalten?
Franz Kafka hat in der Erzählung "Der Nachbar" schon eindringlich beschrieben, wie ein diffuses Gefühl des Bedrohtseins unmerklich zum Verfolgungswahn werden kann. Filme wie "Matrix" bringen nicht nur solche Massenstimmungen der Gegenwart auf den Punkt. Sie bieten darüber hinaus als - durchaus zweifelhaften - Ausweg aus der Paranoia den Solipsismus an.
Manchen mag es ja beruhigen: Kann sein, dass der Nachbar böse ist. Kann aber auch sein, dass er gar nicht existiert - wie alles andere auch.
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