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Parasiten erobern die Welt

Die Ökosysteme auf der Welt wandeln sich ständig und schaffen nicht selten neue paradiesische Verhältnise für Parasiten. Während einer Tagung in Freudenstadt ergründen Umweltwissenschaftler, wie sich das auf Tierarten auswirkt, die parasitisch leben.

Von Gerhard Trey |
    Populär ist derzeit in Deutschland als tierischer Schädling für den Menschen die Zecke. Sie ist als potentieller Überträger von Krankheiten gefürchtet. Was das Risiko angeht, durch tierische Parasiten zu erkranken, sind wir in Deutschland noch gut dran, aber das könnte sich bald ändern. Professor Horst Taraschewski, er leitete die Tagung in Freudenstadt, nennt dramatische Zahlen:

    "Man muss davon ausgehen, dass etwa alle zwanzig Minuten in Europa eine neue Tierart ankommt. Viele dieser Tierarten werden bei uns scheitern und werden sehr schnell wieder verschwinden, aber viele von denen sind auch ausgesprochen erfolgreich bei uns, und wenn man sich dann noch vorstellt, dass fünfzig Prozent aller Tierarten parasitisch leben, dann haben die Parasiten unter diesen Neueinwanderungen schon eine große Bedeutung."

    Solche Schmarotzer können sich in relativ kurzer Zeit nahezu weltweit verbreiten. So etwa der Schwimmblasenwurm, der den Aal als Wirt nutzt. Er wurde vor etwa 25 Jahren von Taiwan nach Bremerhaven eingeschleppt, und von da aus hat er sich dann über ganz Europa, Nordafrika und sogar den Osten der USA ausgebreitet. Ihm waren etliche Vorträge gewidmet. Interessanterweise reagieren die Wirte nämlich auf den Befall durch den Wurm sehr unterschiedlich:

    "Das Interessante ist dabei, dass der im japanischen Aal, wo er eigentlich hingehört, nur eine geringe Schadwirkung hat, während er im europäischen Aal, der ihn nicht kennt und keine gemeinsame Evolution mit ihm hatte, eine sehr große Schadwirkung hat. Und man geht davon aus, dass die Bestände des europäischen Aals durch diesen Parasiten möglicherweise insgesamt gefährdet werden."

    Manchmal kommen zuerst die Wirte und dann reisen die Schmarotzer nach. So beim Waschbären aus Nordamerika, der sich in Deutschland seit Jahrzehnten ausbreitet, besonders in Nordhessen:

    "In den ersten Jahrzehnten war der Waschbär ohne seine Parasiten bei uns, aber neuerdings ist jetzt aus Nordamerika auch der Waschbärspulwurm eingeschleppt worden, und das ist eine recht bedenkliche Geschichte, das Kind nimmt beim Spielen auf dem Spielplatz mit dem Sand zusammen Eier mit den Larven des Spulwurms auf, die wandern dann ins Gehirn, und in den USA haben wir da jedes Jahr einige Todesfälle."

    Die Auswirkung des Klimawandels auf die Welt der Parasiten war ein wichtiges Thema des Symposiums in Freudenstadt. Diese Problematik ist nicht mehr nur theoretischer Natur, denn der Marsch der Parasiten vom Süden in den Norden hat schon begonnen. Die höheren Temperaturen laden dazu ein:
    "Dadurch können viele Parasiten, die auch den Menschen bedrohen, nach Deutschland vorrücken. Bei Leishmanien, dem Erreger der Orientbeule im Mittelmeergebiet, da ist es so, dass die Überträger ,die Sandmücken, auch bereits auf dem Vormarsch nach Deutschland sind, und dass die bei uns regelmäßig die Urlauber mit Hunden von Gran Canaria oder aus Griechenland mitbringen."

    Parasiten sind zwar Schädlinge, aber trotzdem können sie für Mensch und Tier auch nützlich sein, zum Beispiel als eine Art lebendes Messgerät, wie Dr. Sonja Zimmermann von der Uni Karlsruhe berichtet:

    "So können Parasiten für die Bioindikation eingesetzt werden; das heißt, dass wir durch den Metallgehalt in den Parasiten Rückschlüsse ziehen können, wie hoch ist der Metallgehalt in der Umwelt. Oder aber auch Parasiten können dafür sorgen, dass im Wirt, in dem sie leben, die Metallgehalte reduziert werden."

    Und gelegentlich können sie auch für die Steuerung der Fruchtbarkeit eingesetzt werden, wenn die Verbreitung eines tierischen Zuwanderers eingedämmt werden soll. Professor Jens Höeg von der Uni Kopenhagen:

    "Wenn zum Beispiel die europäische Strandkrabbe sich nach Australien verbreitet hat, aber sie hat die natürlichen Parasiten nicht mitgebracht, und diese Parasiten, sie sind Rampenfüßler, sie sterilisieren ihre Wirte, wenn man die Parasiten in die neuen Gebiete bringt, dann gibt es die Möglichkeit, dass die Parasiten die Krebse kontrollieren können."