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Parasitenkontrolle
Bei Primaten ebnen große Schmarotzer kleinen den Weg

Biologie. - Primaten leiden wie alle Säugetiere unter Parasiten. Bislang war bekannt, dass Faktoren wie Lebensweise, Körpergröße und Lebensraum die Infektionsraten bestimmen. US-amerikanische Forscher haben nun erstmals die Interaktionen zwischen Parasiten untersucht und sind der Frage nachgegangen, ob manche Schmarotzer anderen den Weg ebnen. Ihre Ergebnisse stellen die Wissenschaftler jetzt im Fachblatt "American Naturalist" vor.

Von Michael Stang | 25.04.2014
    Goldgelbe Löwenäffchen in ihrem Gehege im Heidelberger Zoo
    Primaten wie zum Beispiel diese Löwenäffchen haben vergleichbare Probleme mit Parasiten. (picture-alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Es liegt auf der Hand, so Charles Nunn, dass der riesige, 200 Kilogramm schwere Körper eines Gorillas Parasiten mehr Angriffsfläche und Besiedlungsmöglichkeiten bietet als der Körper eines hundert Gramm schweren Zwergseidenäffchens. Doch weder die Körpergröße noch der Lebensraum allein können bestimmte Parasiteninfektionen erklären, sagt der Professor von der Duke University in Durham, North Carolina.
    "Die Frage ist: Verändert eine Parasiteninfektion das Immunsystems eines Wirts in irgendeiner Weise, so dass andere Parasiten schneller in den Organismus eindringen können? Das haben wir nun bei Primaten untersucht und geschaut, ob ein Tier mit einer Wurminfektion automatisch Gefahr läuft, sich mit Mikroparasiten wie Bakterien oder Viren zu infizieren, eben weil das Immunsystem bereits einmal überwunden wurde."
    Um das zu untersuchen, bedienten sich Charles Nunn und seine Kollegen einer Datenbank, die sie seit rund 15 Jahren bestücken. Darin enthalten sind Zahlen und Studien zu mehr als 620 verschiedenen Parasiten, die regelmäßig 145 Primatenarten befallen; insgesamt Nachweise von rund 6500 verschiedenen Kombinationen von Wirtstier und Parasit. Die Forscher nahmen die Daten von Schimpansen, Makaken, Neuweltaffen und zahlreichen Lemuren, um ein breites Bild der Primaten und ihrer Plagegeister zu erhalten.
    "Makroparasiten wie etwa Würmer aktivieren das Immunsystem des Wirtsorganismus. Nach einer Infektion werden bestimmte T-Helferzellen des befallenen Körpers angeschaltet. Unsere Idee war, dass dadurch aber auch die Aktivierung anderer Helferzellen behindert beziehungsweise verzögert wird."
    Das waren bislang nur theoretische Überlegungen, einen solchen Nachweis über viele Tierarten hinweg hatte noch niemand erbracht. Doch die US-amerikanischen Infektionsbiologen stießen schnell auf erste Zusammenhänge.
    "Wir haben gefunden, dass Tierarten, die häufig unter Wurmbefall leiden, in der Tat auch viel häufiger von Mikroparasiten befallen werden. Das stützt unsere These, dass Makroparasiten tatsächlich kleinen Parasiten den Weg in die Zellen ebnen und einmal befallene Tiere anfälliger für Infektionen mit Mikroparasiten sind."
    Große Parasiten sind also der Wegbereiter für viele andere Krankheitserreger, denn das Immunsystem der Primaten kann nicht parallel alle Schmarotzer bekämpfen. Die Ergebnisse konnten Charles Nunn und seine Kollegen bei allen untersuchten Arten bestätigen.
    "Es war überraschend, wie stark diese Effekte tatsächlich sind. Wir konnten zeigen, dass die Anfälligkeit für bestimmte Parasiten eben nicht nur durch ökologische Faktoren bestimmt wird, sondern eben auch durch die Interaktion bestimmter Parasiten. Und dieses Phänomen ist genauso wichtig wie die Größen Körpermasse, Populationsdichte und geographische Verbreitung."
    Damit ergeben sich einerseits neue Erkenntnisse, welche Primaten von bestimmten Parasiten eher befallen werden und welche Erkrankungen in Zoos und Wildgehegen damit präventiv behandelt werden könnten. Andererseits geben diese bislang unbekannten Anfälligkeiten für Infektionen neue Hinweise auf Verbreitungswege von Erkrankungen, die leicht von Primat zu Primat, also auch von Affe zu Mensch, übertragen werden können.