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Paris führt Finanztransaktionssteuer ein

Ende Juni 2012 sah es so aus, als könnten sich zehn EU-Staaten auf die Einführung einer Transaktionssteuer einigen. Im großen Kreis der 27 EU-Staaten fiel sie jedoch durch. Während Berlin noch streitet, führt Paris die neue Steuer jetzt ein. Ihre Befürworter kritisieren, es handele sich lediglich um die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer.

Von Christiane Kaess |
    Expräsident Nicholas Sarkozy war zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr noch vehement gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Frankreich, oft auch als Tobinsteuer bezeichnet.

    "Die Sache mit der Tobinsteuer ist eine Absurdität. Denn wir würden sie einführen und kein einziges anderes Land würde das tun! Die Welt ist ein Dorf geworden und jedes Mal, wenn wir die Schaffung von Reichtum in unserem Land bestrafen, begünstigen wir die Schaffung von Reichtum bei den anderen. Wir werden die Arbeitslosen haben, und die anderen die Arbeitsplätze."
    Aber es kam alles anders. Die Finanzkrise setzte auch Frankreich zu – der Ruf nach einer Reglementierung der Finanzmärkte wurde immer stärker und schließlich befand sich das Land im Wahlkampf. Sarkozy lag in Umfragen beständig hinter seinem sozialistischen Herausforderer Francois Hollande. Anfang des Jahres 2012 hörte sich der damalige konservative Präsident schließlich ganz anders an:
    "Frankreich ist für eine Finanztransaktions-Steuer. Wir glauben, dass sie angesichts der Finanzkrise moralisch ist. Wir glauben, dass sie hilft Spekulationen einzuschränken und das sie neue Ressourcen schafft für die Entwicklung."
    Sarkozy zeigte sich damals noch optimistisch, dass sich eine Gruppe der Willigen – er nannte sie eine Gruppe der Führenden - zusammenfinden werde, für die Steuer. Er hoffte auch auf etwa 10 weiter europäische Länder.

    Im Februar dieses Jahres stimmte die französische Nationalversammlung der Einführung der Steuer auf nationaler Ebene zu. Ab August sollte eine Umsatzsteuer von 0,1 Prozent auf den Handel mit Aktien großer Unternehmen kommen und pro Jahr rund eine Milliarde Euro einbringen, rechnete die damals noch konservative Regierung vor.

    Viel übrig von Sarkozys finanzpolitischen Maßnahmen ließen die Sozialisten nach ihrem Wahlerfolg bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nicht.

    Gerade ist die sozialistische Mehrheit im Parlament dabei, eine Errungenschaft der Vorgängerregierung nach der anderen abzuschaffen: das Streichen der steuerfreien Überstunden zum Beispiel oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

    Die symbolträchtige Einführung einer Finanztransaktions-Steuer zum 1. August dagegen bleibt. Der Steuersatz wurde sogar verschärft: von 0,1 auf 0,2 Prozent. Allerdings gilt die Steuer nur für den Kauf von Aktien französischer Unternehmen mit einer Markt-Kapitalisierung von über einer Milliarde Euro und betrifft damit Aktien von etwas mehr als 100 französischen Firmen.

    Befürworter der Steuer kritisieren deshalb, es handele sich in Frankreich lediglich um die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer, die Expräsident Nicolas Sarkozy zu Beginn seiner Amtszeit abgeschafft hatte.

    Der Großteil der Derivate und Devisenumsätze werde nicht erfasst. Außerdem wird diskutiert, wie die Einnahmen verwendet werden. Der frühere Außenminister und heutige Sonderberater der Vereinten Nationen, Philippe Douste-Blazy, zum Beispiel fordert, mindestens die Hälfte müsse in den weltweiten Kampf gegen Hunger und Armut fließen.

    Die Gegner einer Finanztransaktions-Steuer in Frankreich richten sich vor allem auf den Punkt, den Expräsident Sarkozy auch schon mal aufgegriffen hatte: die Steuer mache keinen Sinn solange andere Länder nicht mitziehen. Denn nun können Finanzgeschäfte in Frankreich einfach ausgelagert werden.