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Parkinson ist nicht gleich Parkinson

Will man Parkinson frühzeitig und wirkungsvoll behandeln, muss man die verschiedenen Formen der Krankheit möglichst präzise charakterisieren. Genau diese Aufgabe haben sich Spezialisten des Kompetenznetzes Parkinson gestellt. Nun haben sie ihre Ergebnisse vorgestellt.

Von Kristin Raabe | 26.09.2006
    Auf die Patienten, die sich an der Universitätsklinik Bonn in der Parkinsonambulanz vorstellen, warten meist eine Vielzahl von Untersuchungen. Sie müssen etliche Fragen beantworten, Blutproben abgeben und manchmal auch in einem Kernspintomographen ihr Gehirn scannen lassen. Die Vielzahl der so gewonnenen Daten hat inzwischen eins ganz deutlich gezeigt: Parkinson ist nicht gleich Parkinson. Professor Ulrich Wüllner ist der Leiter des Bonner Parkinsonzentrums:

    " Wenn man die Parkinsonerkrankung als solche betrachtet, kann man unter den Parkinsonpatienten, die keine familiäre Belastung haben, zwei Typen unterscheiden, und zwar die Patienten, bei denen das Zittern ganz im Vordergrund steht, das Schütteln, wenn man so will, und die Patienten, bei denen die Gangstörung im Vordergrund steht, die Lähmungskomponente, der bekannten Schüttellähmung. Und es gibt natürlich auch Patienten, bei denen beide Kernsymptome der Erkrankung zu finden sind. Wenn man jetzt die Patienten, mit vornehmlich Zittern betrachtet und auf der anderen Seite Patienten, bei denen die Gangstörung im Vordergrund steht, dann sieht man im Verlauf der Erkrankung doch deutliche Unterschiede. "

    Steht die Gangstörung im Vordergrund ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Patienten im Laufe von etwa zehn Jahren auch Defizite in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit erfahren. Sie bekommen eine Demenz und sehr häufig auch Depressionen. Davon sind immerhin etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Parkinsonpatienten betroffen. Belastet die Kranken am Anfang vor allem das Zittern, dann verläuft die Erkrankung in den folgenden Jahren weniger schwer. Diese zwei Typen von Parkinsonpatienten benötigen eigentlich auch eine unterschiedliche Therapie.

    " Ich glaube, ein wesentliches Problem ist, dass der Behandlungsbeginn auch bei den Hausärzten und bei den hausärztlich niedergelassenen Internisten und weniger bei den Neurologen und noch weniger bei den spezialisierten Fachkliniken liegt und gerade der Behandlungsbeginn ist eine ganz kritische Phase. Wir wählen heute ganz bestimmte Klassen von Medikamenten aus, von denen wir uns versprechen, dass sie den Verlauf der Erkrankung ganz besonders günstig beeinflussen."

    Die Gangstörung lässt sich am besten mit Substanzen beheben, die im Dopaminsystem des Gehirns angreifen. Die bei diesen Patienten später auftretenden Depression sollten Neurologen mit modernen Antidepressiva behandeln. Bei der Demenz hilft ein Alzheimermedikament aus der Klasse, der sogenannten Cholinesterasehemmer. Das hat eine Studie erst kürzlich bewiesen. Für die weniger stark betroffen Patienten mit dem heftigen Zittern empfehlen Experten Substanzen wie das sogenannte Amantadin. Viel schwieriger als die Behandlung der Parkinsonpatienten, ist die Therapie einer anderen Gruppe von Patienten, die auch immer wieder in den Parkinsonambulanzen auftaucht.

    " Man hat vor allen Dingen gelernt in den letzten Jahren auch gelernt, dass es auch Erkrankungen gibt, die wie eine Parkinsonerkrankung aussehen, oder zumindest in den ersten Jahren aber dann zusätzliche Symptome nach sich ziehen. Vor allen Dingen ist das die so genannte Multisystematrohpie, oder abgekürzt MSA. Und wie der Name sagt, sind eben bei dieser Erkrankung sehr viele Systeme des Nervensystems betroffen. Vor allen Dingen auch die System, die für die Regulierung des Blutdrucks, für die Regulierung der Blasen- und Sexualfunktionen. Und deswegen findet man auch sehr viel häufiger und sehr viel stärker als bei der normalen Parkinsonerkrankung eine Veränderung der Blutdruckregulation."

    MSA-Patienten ist häufig schwindelig, weil ihr Blutdruck zu niedrig ist oder sehr stark schwankt. Sie haben Schluckbeschwerden und leiden unter Inkontinenz. Auf die übliche Behandlung mit Medikamenten, die im Dopaminsystem des Gehirns eingreifen, reagieren MSA-Patienten kaum. Meistens können Ärzte nur die Symptome lindern. Nach fünf bis sechs Jahren bleibt für viele MSA-Kranke dann nur der Rollstuhl. Hoffnung verspricht allerdings eine aktuelle Studie mit dem Antibiotikum Minozyklin. Die ersten Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr bekannt gegeben werden.