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Parkplätze auf römischen Ruinen

Rom braucht dringend mehr Parkplätze. Schließlich pilgern Besucher aus aller Welt in die Heilige Stadt, die voller archäologischer Schätze steckt. Und genau das ist das Problem: Wo immer die Stadt Ausgrabungen für Baumaßnahmen vornimmt, stößt sie auf römische Entdeckungen unter der Erde. Doch die Zerstörung archäologischer Zonen für neue Parkplätze gefällt nicht allen Einwohnern.

Von Thomas Migge |
    Die Rampe und der Hügel. Mitten in Rom, direkt beim Vatikan, führt eine breite Betoneinfahrt direkt hinein in den Gianicolo, Roms größten Hügel. Drinnen befindet sich eine Tiefgarage. Die Parkplätze stehen in der Regel leer, denn die Parkgebühren sind zu hoch.

    Über dem Eingangstunnel stehen Bäume, wächst Gestrüpp, und zu erkennen sind einige breite Dächer, die etwas abzudecken scheinen. Das Gelände ist abgesperrt. Man hat den Eindruck, dass hier seit langem niemand mehr arbeitet. Der römische Historiker Claudio Rendina von der Universität Rom kann diesen Eindruck nur bestätigen:

    "Das ist sehr typisch für Rom. Da wird etwas entdeckt, alle freuen sich darüber, und dann wird es entweder teilweise zerstört oder wieder zugekippt, weil man nicht das Geld hat, es komplett auszugraben und zu erhalten."

    Unter dem riesigen Dach befinden sich die Reste einer römischen Kaiservilla aus dem 2. bis 3. Jahrhundert. Die Villa wurde 1999 bei Ausschachtungsarbeiten am Gianicolo entdeckt, als der italienische Staat für den Vatikanstaat einen Parkplatz baute, der im Heiligen Jahr 2000 die vielen Pilgerbusse aufnehmen sollte. Bei diesen heftig umstrittenen Bauarbeiten wurden große Teile der Kaiservilla zerstört. Claudio Rendina:

    "Erst war man ganz begeistert von dieser archäologischen Entdeckung. Dann aber nahm man die wichtigsten Funde aus dem Grabungsfeld, alles, was sich transportieren ließ, und der Rest fiel fast komplett der Spitzhacke zum Opfer. Um die später ausgegrabenen Reste der Villa, die unter dem Dach in dem heute verwilderten Gebiet vor sich hingammeln, kümmert sich niemand mehr. Das ist alles sehr undurchsichtig."

    Auch der ehemalige Superintendent für Roms antike Kulturgüter, Adriano La Regina, kritisiert in den Medien, dass sich niemand mehr um die noch erhaltenen Ruinen kümmert. Er befürchtet, und mit ihm viele Archäologen und Kunsthistoriker, dass die Grabungsarbeiten eingestellt würden, um in dem Fundgebiet bald schon in einen weiteren Parkplatz anzulegen. Mit ersten Bauarbeiten an den Rändern des Grabungsgebietes wurde bereits begonnen.

    Schon ist die Rede von einem, schreibt die Tageszeitung "La Repubblica", "neuen Gianicolo-Skandal". Eine Antwort aus dem Kulturministerium bezüglich des Schicksals der Kaiservilla gibt es noch nicht.

    Von einem Skandal ist auch auf dem Pincio die Rede, einem anderen Hügel Roms, dort, wo sich der Palazzo der Villa Medici erhebt. Auf dem Pincio, in der Antike eine beliebte und sehr teure Villengegend, wurden die Reste der Residenz von Lucullus entdeckt, dem um 57 nach Christus verstorbenen Politiker und Feldherrn, der wegen seiner stets üppigen Gastmähler in die Geschichte einging. Dazu die Archäologin Carlotta Catanese vom staatlichen archäologischen Institut:

    "Da, sehen Sie, da befinden sich die Reste des Rohrsystems für den Wassertransport innerhalb der Villa. Wir haben hier zwar keine meterhohen Wände, aber die Mauerreste zeigen deutlich, wie dieses Bauwerk gestaltet war. Man kannte bisher ungefähr die Ausdehnung der Villa des Lucullus, und unter der Erdoberfläche wurde manches erforscht, aber es sind noch nie Reste des Gebäudes ausgegraben worden. Reste von Säulen, Amphoren und so weiter."

    Doch genau dort, wo Lucullus seine erlesenen Gäste empfing, plant die Stadt Rom den Bau eines sechstöckigen Parkhauses - des ersten, dass seit vielen Jahren im historischen Zentrum errichtet wird und das angesichts der PKW-Dichte dringend nötig geworden ist.

    Die Stadtverwaltung erklärte bereits, dass das Projekt angesichts der antiken Funde nicht gestrichen, sondern nur verändert werde. Das bedeutet: ein kleineres Parkhaus und somit weniger Parkplätze. Nur so können die Ruinen wenigstens teilweise erforscht und besichtigt werden. Gegen dieses Projekt sprechen sich viele Archäologen aus. Darunter auch Fedora Filippi, Archäologin und eine der römischen Superintenden für antike Monumente:

    "Wir haben es hier mit den nahezu intakt erhalten Räumen, also natürlich den Grundmauern eines Wohnhauses zu tun. Das ist ein sensationeller Fund. Man sollte diese Ruinen genauestens studieren und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen. Hier bekommt man eine gute Vorstellung davon, wie so eine Residenz konzipiert war."

    Wie die Archäologin denken viele Römer, nicht nur Altertumsexperten. Einige der Parkplatzgegner sind bereits in einen Hungerstreik getreten. Sie wollen damit den totalen Baustopp für das geplante Parkhaus auf dem Pincohügel erzwingen. Doch Roms rechter Bürgermeister Gianni Alemanno erklärte, dass er zu Kompromissen in seiner, wie er sie nennt, "revolutionären Parkplatzpolitik" nicht bereit sei.