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Parlamentswahl in Teheran
Wahlkampf auf Sparflamme im Iran

Der iranische Parlamentswahlkampf dauerte nur eine Woche, nun wird gewählt: Dabei kommen auf 290 Sitze rund 7.000 Bewerber, die meisten aus dem konservativen Lager. Viele Reformer wurden von den Listen gestrichen. Hauptziel der iranischen Führung ist, möglichst viele Menschen an die Wahlurne zu bringen.

Von Karin Senz | 21.02.2020
February 19, 2020, Tehran, Iran: Iranians walk past electoral posters during the last day of the election campaign, Tehran, Iran. Iranians will go to the polls to vote in the parliamentary elections on 21 February 2020. Some 7,000 candidates are running in 208 constituencies for the 290-seat chamber. They kicked off their campaigns last Thursday, even after authorities barred thousands of others from running, mainly reformists and moderates. (Credit Image: © Rouzbeh Fouladi/ZUMA Wire |
Der iranische Wächterrat hatte viele Bewerber aus dem Lager der Reformer nicht zugelassen (ZUMA Wire)
Erst seit dieser Woche ist der Wahlkampf in Teheran auf den Straßen zu sehen. Plakate der Kandidaten hängen an großen Reklamewänden und kleben an Stromverteilerkästen. Auf dem Boden liegen kleine Flyer. Auf einem verspricht eine unabhängige Kandidatin mehr Sicherheit und Frieden für die Bevölkerung, bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer und eine stärkere Förderung der Jugend. Die Frau ist mit schwarzem Kopftuch und in schwarzem Mantel abgebildet.
In einer Sporthalle ganz im Süden von Teheran bereitet man einen Wahlkampfauftritt gleich mehrerer Kandidaten aus dem Lager der Reformer vor. Ein schmaler Mann in grauem Jacket steht zusammen mit ein paar anderen, sie diskutieren:
"Eigentlich können wir hier gar nichts mehr erreichen, das ist alles schon vorbei. Die, die eigentlich nicht ins Parlament einziehen sollen, werden reinkommen und alles ruinieren. Es ist alles sinnlos. Das ist für mich so glasklar. Du wirst mich bald verstehen."
Die Sporthalle liegt in einem der ärmsten Viertel der iranischen Hauptstadt. Man müsse hier keine Miete zahlen, weil sie der Regierung gehört. Und die sei ja grade in der Hand der Reformer, erklärt er.
Draußen kommen die ersten potentiellen Wähler an. Hamid läuft mit einem Freund Richtung Halleneingang. Er ist Mitte vierzig, ganz in schwarz gekleidet und trägt einen roten Vollbart. Mit den Parlamentwahlen und den Kandidaten hat er sich schon im Vorfeld beschäftigt, erzählt er:
"Ich habe mich informiert. Man kann nicht einfach einen wählen nachdem man bei einer Wahlkampfveranstaltung war. Wir haben die Wahlprogramme der Reformer gelesen. Jetzt schau wir sie uns hier noch mal an."
Bevor er in die Halle geht, bleibt er neben dem Hauptkandidaten der Veranstaltung Mostaka Kavakebian stehen, der grade der internationalen Presse ein Interview gibt, und hört ich zu. Kavakenian erzählt von den Schwierigkeiten der Reformer im Vorfeld der Wahl. Der Wächterrat hatte viele Bewerber aus seinem Lager nicht zugelassen:
"Ja, wir hatten Probleme bei der Liste für Teheran. Aber in anderen Städten hat es noch mehr Probleme gegeben. In einigen gibt es gar keine Kandidaten von uns, die gegen die der Hardliner antreten können. Aber auch wenn in vielen Wahlkreisen unsere Kandidaten nicht zugelassen wurden, können wir in Teheran und anderen Städten eine mächtige Fraktion im Parlament bilden."
Viele Iraner haben für sich entschieden, nicht zur Wahl zu gehen
Der Politiker gibt sich optimistisch. Und Hamid will ihm glauben – auch wenn er weiß, viele Politiker machen vor der Wahl leere Versprechungen. Das sei ähnlich wie in Deutschland meint er:
"Viele Kandidaten versprechen vor der Wahl Sachen, die sie danach nicht halten können. Aber wir haben Herrn Kavakebian im Parlament und im Staatsfernsehen lange Zeit beobachtet. Er stellt immer wieder Frage und Anträge, andere würden das so nie trauen. Und er sagt die Wahrheit."
Viele Iraner haben für sich entschieden, nicht zur Wahl zu gehen. Sie erwarten weder von den Konservativen noch von den Reformern, dass sie die Lage im Land verbessern können. Hamid dagegen, will auf jeden Fall seine Stimme abgeben und zwar für einen aus dem Lager der Reformer:
"Weil ich finde, wir dürfen unser Land nicht in die Hände der Hardliner geben. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage müssen wir Bedingungen schaffen, die auch die Außenpolitik erleichtern und die internationalen Beziehungen verbessern."
Drinnen in der Halle beginnt die Veranstaltung mit der Nationalhymne des Iran. Als ein Kandidat auf die Bühne kommt, springen vier Frauen von ihren Stühlen auf. In ihren Händen halten sie Plakate des Kandidaten hoch:
Die vier tragen ihre Kopftücher weit hinten und haben knallrot geschminkte Lippen. Der Kandidat schimpft auf der Bühne auf die Konservativen:
"In einer Diskussion mit einem Konkurrenten von den Hardlinern hab ich ihm gesagt, er soll mit den Leuten nicht wie ein Robin Hood reden. Die kennen die Agenda der Hardliner und der Reformer seit Jahren."
Die vier Frauen sind begeistert. Viele andere hören allerdings mehr passiv zu. Viele der Stuhlreihen in der großen Sporthalle am Rand von Teheran sind leer geblieben.