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Parlamentswahlen
"Spanien ist es nicht gewöhnt, politisch zu verhandeln"

Nach der Wahl in Spanien gestaltet sich die Regierungsbildung weiterhin schwierig. Man müsse nun endlich lernen zu verhandeln, sagte Barbara Dührkop, Mitglied der sozialistischen Arbeiterpartei PSOE, im DLF. Zur Zeit sehe es immer noch wie eine Blockade aus. Man müsse jetzt auch Minderheitsregierungen möglich machen.

Barbara Dührkop im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
    Mariano Rajoy winkt auf einer Bühne seinen Anhängern zu.
    Der Chef der Partido Popular und geschäftsführender Ministerpräsident Mariano Rajoy lässt sich feiern. (picture alliance / dpa / EFE / Javier Lizon)
    Ann-Kathrin Büüsker: Wie kann nun eine künftige Regierung in Spanien aussehen? Darüber habe ich vor dieser Sendung mit Barbara Dührkop gesprochen. Sie ist Mitglied der sozialistischen Arbeiterpartei und saß als solche bis 2009 im Europäischen Parlament. - Die Bildung einer Regierung scheint ja nur unter Beteiligung der sozialistischen Arbeiterpartei möglich, und zwar als Große Koalition mit der Volkspartei von Mariano Rajoy. Daher habe ich Barbara Dührkop gefragt, ob ihre Partei sich jetzt einen Ruck geben muss für die spanische GroKo.
    Barbara Dührkop: Im Prinzip, meine ich, nach den Wählerstimmen müsste es so sein. Sonst würden die wieder reinrasen, indem dass sie nicht regierungsfähig sind. Allerdings sind da so viele Antagonismen aufgetreten während der beiden Wahlkämpfe jetzt, dass es schwierig ist für die sozialistische Partei zu sagen, wir machen das. Das wird gerade in der Partei diskutiert. Was man vielleicht irgendwann mal auch lernen müsste in Spanien ist zu verhandeln. Das wäre das erste und das zweite, dass Minderheitsregierungen auch möglich sind und dass man einen Regierungsvertrag macht auf bestimmten Punkten, wo man mitmachen kann. Aber zurzeit sieht es tatsächlich immer noch wie eine Blockade aus.
    Büüsker: Wo liegt man denn da thematisch besonders auseinander?
    Dührkop: Hauptsächlich geht es da um diese ganzen Sparmaßnahmen. Es geht auch darum, dass so viele Korruptionsgeschichten jetzt aufgetreten sind bei der Partei von Rajoy, und da ist es schwierig, dass man darüber hinweggucken kann. Und das war ja auch der größte Angriffspunkt von den anderen Parteien inklusive sozialistische Partei in dem Wahlkampf.
    "Alle Parteien haben gesagt, eine dritte Wahlrunde gibt es nicht"
    Büüsker: Wäre es denn eine Option, wenn Rajoy sich zurückzieht und jemand anderem die Führung der Partei überließe?
    Dührkop: Durchaus, und das hat ja auch diese liberale neue Partei auch gesagt. Aber nach dem Wahlsieg gestern Abend sehe ich persönlich und wohl viele mit mir nicht, dass das irgendwie eine reale Situation ist.
    Büüsker: Wir haben jetzt zweimal hintereinander annähernd das gleiche Ergebnis. Irgendwie muss man doch eine Lösung finden für dieses Dilemma.
    Dührkop: Alle Parteien haben gesagt, eine dritte Wahlrunde gibt es nicht. Also haben die sich selber den Auftrag gegeben, dass es diesmal klappen muss. Und ich glaube auch, irgendwie wird es, wenn auch nicht auf eine Große Koalition, aber, sagen wir, ein Regierungsabkommen hinauslaufen. Jetzt ist ja diese radikale Partei dabei, die Jungen. Das erinnert mich sehr viel an 68, muss ich sagen. Die ist auch stark zurückgegangen, hat über eine Million Stimmen verloren, so dass da auch der ganze Linksblock jetzt nicht mehr mehrheitsfähig ist. Insofern hat sich etwas geändert.
    "Ich könnte mir vorstellen, dass eine Minderheitsregierung zustande kommt"
    Büüsker: Ihre Partei hat ja auch verloren. Vielleicht könnten Sie noch mal kurz erklären: Wie könnten Sie sich vorstellen, dass eine Regierung zustande kommt?
    Dührkop: Ich könnte mir vorstellen, dass eine Minderheitsregierung zwischen dieser neuen liberalen Partei und der ehemaligen Regierungspartei zustande kommt, mit punktueller Unterstützung von den Sozialisten.
    Büüsker: Es gab jetzt ein halbes Jahr Stillstand in Spanien, weil keine Regierung zustande gekommen ist. Wie sehr hat das dem Land geschadet?
    Dührkop: Ich glaube, im Prinzip fast überhaupt nichts. Nur die Glaubwürdigkeit vielleicht nach außen hin. Ich meine, eine Regierung, die nicht in Funktion ist, kann natürlich keine großen Entscheidungen treffen. Aber im Großen und Ganzen hat das nur bewirkt, dass einfach der spanische Bürger etwas müde ist und sagt, Leute, jetzt kommt doch mal zu Potte.
    Büüsker: Ich stelle mir das hier in Deutschland vor, wenn die Politik ein halbes Jahr nicht in der Lage wäre, irgendetwas zu Potte zu bekommen, wie groß der Ärger da wäre, wie groß die Häme der Presse, wie groß der Ärger bei der Bevölkerung. Wieso fehlt diese Empörung in Spanien?
    Dührkop: Ich glaube, das hat damit zu tun, das ist natürlich Spekulation meinerseits jetzt. Ich würde sagen, das Demokratiegefühl und die Politik, wie man sie selber beeinflusst in Spanien, ist sehr viel geringer als in Deutschland. Und dann ist das überdeckt worden von den ganzen Korruptionssachen und auch noch jetzt neuerdings vom Brexit. Und ich habe das Gefühl, die Spanier das nicht als so wichtig empfunden haben, nur diese Müdigkeit jetzt am Schluss.
    "Ich hoffe, dass auch das Demokratiegefühl bei den Spaniern zurückkehrt"
    Büüsker: Ist das auch die Erklärung dafür, dass das Ergebnis dieses Mal annähernd das gleiche ist wie im Dezember?
    Dührkop: Ich glaube schon. - Ich glaube schon.
    Büüsker: Welche Zukunft hat Spanien dann?
    Dührkop: Ich hoffe, dass sie jetzt eine Regierung zustande bekommen und dass auch das Demokratiegefühl bei den Spaniern zurückkehrt. Das hat auch mit Tradition zu tun. Wir sind es nicht gewöhnt, Spanien ist es nicht gewöhnt, politisch zu verhandeln. Gegner sind halt Gegner und dann ist aus. Ich vereinfache jetzt natürlich selbstverständlich, aber ich glaube, in Deutschland oder in Schweden, wo ich auch gewohnt habe, sind wir irgendwie daran gewöhnt, dass man irgendwie ständig sprechen muss, um irgendwie immer irgendwas zustande zu bringen, und diese Übung haben wir noch nicht in Spanien gehabt. Hoffentlich bekommen wir sie jetzt, damit wir eine Regierung haben.
    Büüsker: … sagt Barbara Dührkop, Mitglied der sozialistischen Arbeiterpartei in Spanien, die bei den Parlamentswahlen zweitstärkste Kraft geworden ist. Das Interview haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.