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Parteinahme im Fernsehen

Über das Parteiticket der ultrarechten "Liga Polnischer Familien" rückte Piotr Farfal auf den Chefposten des polnischen öffentlichen Fernsehens. Nun ordnet der einstige Redakteur der polnischen Skinhead-Zeitung "Front" eine klare politische Parteinahme des Fernsehens an: In dem Programm soll vor allem die europaskeptische Libertas-Bewegung zu Wort kommen, um für sich zu werben.

Von Thomas Rautenberg |
    Die Anweisung an die Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Polen soll von ganz oben gekommen sein. In der Berichterstattung über den Europawahlkampf wünsche sich TV-Chef Piotr Farfal eine tägliche, prominente Darstellung der europaskeptischen "Libertas Partei", so lautet der Kern der Direktive. Und wie ein Wunsch des früheren bekennenden Rechtsradikalen und heutigen Parteigängers der ultrarechten "Liga Polnischer Familien" Farfal aufzufassen ist, wissen die Redakteure spätestens seit den Massenentlassungen liberal denkender Journalisten, bestätigt die Publizisten Agata Nowakowska:

    "Für mich war, ist und bleibt es ein Skandal, dass ein Mann mit dieser Vergangenheit überhaupt an die Spitze des polnischen Fernsehens rücken konnte. Und genauso skandalös ist es nun, dass er eine Partei, die in den Umfragen null Unterstützung in der Bevölkerung hat, in die Nachrichtenprogramme des öffentlichen Fernsehens drückt."

    Polens TV-Chef Piotr Farfal versteht sein Unternehmen offenbar als parteipolitischen Selbstbedienungsladen. Nach der Niederlage der rechtsnationalen "Liga Polnischer Familien" (LPR) bei den jüngsten Parlamentswahlen fühlte er sich seinem bisherigen Gönner und Parteivorsitzenden Roman Giertych umso mehr verpflichtet. Denn unter dem Deckmantel der europakritischen Libertas-Bewegung bemühen sich die Ultrakonservativen der LPR um eine politische Wiederauferstehung.

    Die liberalkonservative Tusk-Regierung nimmt die offensichtliche Parteinahme des Staatsfernsehens für Libertas gelassen. Jede Stärkung der Euroskeptiker bedeutet im Grunde vor allem eine Schwächung der nationalkonservativen PiS-Partei unter Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski, erklärt sich die Soziologin Jadwiga Staniszkis die stillschweigende Duldung durch die Regierungspartei PO:

    "Diese Kalkulation zum eigenen Nutzen ist ein ganz großer Fehler, denn sie kostet Europa viele Stimmen. Die Mehrheit der Polen ist europaenthusiastisch und insofern ist es unbegreiflich, dass das öffentliche Fernsehen viel skeptischer als die Gesellschaft selbst sein kann."

    Schwerer als die parteipolitischen Machenschaften des polnischen TV-Chefs liegen Regierungschef Tusk offenbar die Wahlkampfauftritte von Ex-Solidarnosc-Führer Lech Walesa im Magen. Der polnische Friedensnobelpreisträger tourt derzeit als Gastredner für Libertas durch halb Europa. Wenn sich Walesa tatsächlich für 100.000 Euro an die Europaskeptiker verkauft habe, dann biete er 110.000 Euro, damit er dort nicht auftrete, spottete der polnische PO-Abgeordnete Palikot. Walesa weist den Vorwurf der Käuflichkeit natürlich weit von sich:

    "Ich fahre doch nicht wegen des Geldes, ich fahre aus Überzeugung. Ich unterstütze Libertas nicht und deshalb fahre ich hin, um das zu sagen."

    Hatte es Polens Ex-Präsident Walesa in der Vergangenheit wirklich schwer, überhaupt vom öffentlichen Fernsehen wahrgenommen zu werden, stehen ihm heute alle Türen in die TV-Studios offen. Wie gesagt, dringliche Bitten des polnischen Fernsehchefs werden von den Redaktionen sehr ernst genommen.