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Passivhäuser

Am kommenden Sonntag wird in Freiburg im Bundesland Baden-Württemberg der Deutsche Umweltpreis verliehen. Es ist der höchstdotierte Preis seiner Art in Europa - es gibt insgesamt eine Million Mark. Und vergeben wird der Preis von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, eine Stiftung, deren Kapital aus dem Privatisierungserlös der Salzgitter AG stammt. Wer den Preis bekommt, ist kein Geheimnis. Die Bekanntgabe erfolgt vor genau einem Monat - wir haben darüber berichtet: drei Preisträger gibt es in diesem Jahr. Und zwar sind es der Agrarwissenschaftler Hermann Auernhammer, der Öko-Unternehmer Franz Ehrnsperger sowie der Leiter des Darmstädter Passivhaus-Institutes, Wolfgang Feist. Und die Preisverleihung an Wolfgang Feist wollen wir zum Anlass nehmen, um einmal zu erläutern: was ist denn das besondere an einem Passivhaus.

von Fromut Pott |
    Wohnen ganz ohne Heizung - das funktioniert selbst in unseren lausig kalten, mitteleuropäischen Wintern. "Passivhaus" heißt das Haus, das "passiv" - also ohne "aktive" Heizung - wohlige Temperaturen schafft. Es verbraucht 5mal weniger Wärmeenergie als ein Niedrigenergiehaus. Diese minimale Energiemenge wird über eine Lüftungslage im Haus verteilt. Sie entspricht ein bis anderthalb Liter Heizöl pro Quadratmeter, rechnet der Kölner Architekt Manfred Brausem vor.

    Ein Liter Heizöl mal 150 Quadratmeter Wohnfläche, als Beispiel, bedeutet also mit 150 Liter Heizöl kann man ein Passivhaus von 150 Quadratmeter Wohnfläche ein ganzes Jahr lang heizen, so, und das sind im Prinzip 2 bis 3 Tankfüllungen vom Auto.

    Um den Energieverbrauch derart zu senken, kombiniert das Passivhaus alle verfügbaren Energiespar-Techniken: Die Häuser sind optimal wärmegedämmt. Die meisten Fenster sind nach Süden ausgerichtet, sie sind außerdem 3fach-verglast und haben einen speziellen, superisolierten Rahmen. Wärmebrücken etwa an Balkonplatten, über die Energie nach außen entweicht, sind absolut tabu. Im Sommer belüften die Bewohner das Haus normal über die Fenster, im Winter übernimmt das eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die kalte Zuluft wird über einen Erdwärmetauscher oder eine Mini-Heizung leicht erwärmt. Frieren muss nur, wer die Fenster lange aufreißt. Eher beklagen sich Bewohner beim Architekten über die Hitze.

    Wenn an einem klaren Wintertag die Großmutter, die Eltern zu Besuch sind, die sitzen am Kaffeetisch, der Weihnachtsbaum hat 15 Kerzen an, und die heiße Kaffeekanne steht noch auf dem Tisch, 10 Personen sitzen da zusammen, und da hab ich den Anruf bekommen: "Hier wird es aber sehr warm in dem Haus", und das ohne Heizung, bei minus 5 Grad Außentemperatur.

    Denn in den hochisolierten Häusern wirkt jede Wärmequelle wie ein kleines Heizöfchen. Dicke Wollpullover braucht also niemand im Passivhaus - doch klagen in der superdichten Verpackung nicht viele Bewohner über dicke Luft?

    Ganz im Gegenteil. Also nach 14 Tagen sagt selbst der voreingenommenste Bewohner, dass er auf eine Lüftungsanlage nach dem Konzept nicht mehr verzichten möchte. Denn sie haben kontinuierlich rund um die Uhr frische, gefilterte und staubfreie Luft im Innern des Raumes. Alle Emissionen, die im Innern eines Hauses, eines Raumes entstehen, z.B. CO2 aus Atmung, Feuchtigkeit von Blumen, vom Kochen, Gerüche, werden mit der Lüftungsanlage kontinuierlich abgeführt und so haben sie immer das Gefühl, ja, absolut frische Luft zu haben.

    Erhebungen in den ersten Passivhaus-Siedlungen, die seit 1997 bezogen wurden, geben dem Architekten recht: Die Bewohner sind mit Raumklima und Wohnkomfort zufrieden bis sehr zufrieden. "Kinderkrankheiten" der Passivhäuser, z.B. bei den Haustüren, gelten bereits als überwunden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Passivhaus keine High-Tech-Erfindung ist, sondern einfach konventionelle Techniken optimiert. Und so ist es eigentlich nur logisch, dass sich innerhalb kurzer Zeit immer mehr Bauherren für die Passivhäuser interessieren, meint Ulrich Goedecke von der Energieagentur Nordrhein-Westfalen. In NRW wird der Bau von Passivhäusern bezuschusst - die Antragszahlen spiegeln die rasante Entwicklung wieder.

    Im Jahr 1999 waren es drei, vier Häuser, in 2000 waren es schon um die 50 Häuser, und in diesem Jahr sind es also mehrere Mehrfamilienhäuser, die in dem Bereich zur Förderung nicht nur beantragt worden sind, sondern die auch bewilligt worden sind. Und das wird nach meiner Schätzung rasant weitergehen, weil eben es Kostenvorteile auch bei Passivhäusern sind.

    Die Bewohner der bislang rund 1500 Passivhäuser in Deutschland sparen nicht allein Gas oder Öl, sondern auch das Geld für Wartung und Reparatur der Heizung. Auch der Schornsteinfeger wird überflüssig. 150 bis 180 Mark macht das pro Monat aus. Allerdings liegen die Baukosten bislang rund 10 Prozent über denen für einen konventionellen Neubau. Mit der neuen Energieeinspar-Verordnung dürfte sich das kommendes Jahr jedoch ändern: Dann dürfen nur noch Niedrigenergiehäuser gebaut werden. Und die sind kaum billiger als das Passivhaus, haben aber deutlich höhere Betriebskosten. Dann werden sich wahrscheinlich nicht nur Öko-Pioniere, sondern immer mehr kühle Rechner mit dem Passivhaus beschäftigen.