Vielleicht hat es ihn gar nicht gegeben und er ist nur eine fromme ordnungspolitische Erfindung von Papst Gregor dem Ersten, der im 6. Jahrhundert in seinen hagiografischen "Dialogi" Benedikt von Nursias Leben und die Erfindung der klösterlichen Regeln beschrieb. Wenn es nur eine Erfindung ist, dann ist es eine sehr folgenreiche Erfindung. Denn mit Benedikt, der der Überlieferung nach 480 geboren ist und vermutlich noch mitten in der Völkerwanderung 547 starb, begann das klösterliche Leben der Westkirche, so wie wir es bis heute kennen: mit täglichen Gebeten und handwerklicher Arbeit sowie der medizinischen Versorgung der Armen und Gebrechlichen. Auch mit Klosterbier und Kräutergärten. Heute gibt es noch rund 20.000 Mönche und Ordensfrauen in Benediktinerklöstern. Auf dem italienischen Montecassino entstand das Ursprungskloster der europaweiten Mönchsbewegung im Frühmittelalter, die sich bis Ende des ersten Jahrtausends immer mehr verbreitete. Die Kuratorin der Ausstellung Irmgard Siede:
"Ein äußeres Anzeichen dieser folgenreichen Entwicklung ist ja auch die Tatsache, dass sehr, sehr viele Klöster bis heute noch nach der Benediktregel leben, nicht nur Benediktiner selbst, auch Reformorden wie zum Beispiel die Zisterzienser."
Die Ausstellungsmacher des Reiss-Engelhorn-Museums in Mannheim haben aus Anlass des Katholikentages mit 130 Exponaten größtenteils aus dem österreichischen Benediktinerkloster St. Paul in Lavanttal, die zum Teil ursprünglich aus Montecassino und anderen wichtigen Klöstern des Ordens stammen, eine didaktisch übersichtliche und kunsthistorisch aufschlussreiche Ausstellung zusammengestellt. Eines fällt gleich auf, wenn man in gedämpftem Licht die Ausstellungsetage im Bassermannhaus für Musik und Kunst betritt. Die Bücher dominieren. Die aufgeschlagenen Handschriften und Bücher voller Ornamente und Illustrationskunst: Messbücher, Gesangssammlungen, Gebetspsalter – oft reich verziert. Die Stimmung einer Klosterbibliothek kommt auf, in der man sich, wenn man des Lateinischen mächtig ist, satt lesen könnte. Bücher wurden damals noch nicht gedruckt, sondern mühsam abgeschrieben, auf Pergament, für das Tierhäute verarbeitet werden mussten. Für 100 Seiten mussten die Häute von 50 Kühen hinhalten. Es war auch manchmal ein Hirsch dabei. Auch das Schreiben mit Federkiel und selbstgerührter Tinte war mühsam:
"Oh wie schwer ist das Schreiben. Es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben und der ganze Körper leidet."
So schreibt sich ein Mönch im 8. Jahrhundert den Frust von der Seele. Es sind aber unglaublich schöne Bücher entstanden, die die ganze Ausstellung neben Messgewändern und liturgischem Gerät Statuen und Klösterkonstruktionsplänen überstrahlen. Irmgard Siede begründet dieses Schwergewicht auf die Handschriften so:
"Ein Stück weit standen die Bücher, das Lesen der Bücher, das Studium der Bücher und auch das Herstellen der Bücher tatsächlich im Mittelpunkt der Klosterkultur. Es gibt ja den spätmittelalterlichen Leitsatz: "Ora et Labora et Legge", aus dem dann im 19. Jahrhundert diese Verkürzung "Ora et Labora" gemacht wurde. Das Studium ist tatsächlich nach der Benediktregel ein Auftrag an die Mönche."
Da die Ausstellung sehr lange zu sehen ist – bis in den Januar hinein - muss in den aufgeschlagenen Büchern mehrfach umgeblättert werden, damit die Handschriften nicht unter der Beleuchtung der Vitrinen leiden. Hoffentlich gilt das nicht für das "Mainzer Geiselverzeichnis". Mitten in einem juristischen Standardwerk, datierbar auf das Jahr 805, sind zwei besondere Seiten eingeklebt. Da sind bedeutende Personen aufgeführt, die Karl dem Große nach der Unterwerfung der Sachsen 795 dem Benediktinerabt von Reichenau übergab. Die Rolle der Benediktiner bei der Christianisierung Europas ist ja ohnehin kaum zu unterschätzen. Sind die Mönche etwa sogar die treibende Kraft hinter der heute uns ja immer wieder neu beschäftigenden Einheitsidee von Europa?
Irmgard Siede: "Vielleicht weniger die Idee von Europa aber die Tatsache, dass wir doch im Abendland mit Europa auch eine kulturelle Einheit haben. Das hat auf jeden Fall etwas mit den Benediktinern zu tun. Und ich denke: Es ist auch kein Zufall, dass 1964 der heilige Benedikt zum Patron Europas ernannt wurde."
"Ein äußeres Anzeichen dieser folgenreichen Entwicklung ist ja auch die Tatsache, dass sehr, sehr viele Klöster bis heute noch nach der Benediktregel leben, nicht nur Benediktiner selbst, auch Reformorden wie zum Beispiel die Zisterzienser."
Die Ausstellungsmacher des Reiss-Engelhorn-Museums in Mannheim haben aus Anlass des Katholikentages mit 130 Exponaten größtenteils aus dem österreichischen Benediktinerkloster St. Paul in Lavanttal, die zum Teil ursprünglich aus Montecassino und anderen wichtigen Klöstern des Ordens stammen, eine didaktisch übersichtliche und kunsthistorisch aufschlussreiche Ausstellung zusammengestellt. Eines fällt gleich auf, wenn man in gedämpftem Licht die Ausstellungsetage im Bassermannhaus für Musik und Kunst betritt. Die Bücher dominieren. Die aufgeschlagenen Handschriften und Bücher voller Ornamente und Illustrationskunst: Messbücher, Gesangssammlungen, Gebetspsalter – oft reich verziert. Die Stimmung einer Klosterbibliothek kommt auf, in der man sich, wenn man des Lateinischen mächtig ist, satt lesen könnte. Bücher wurden damals noch nicht gedruckt, sondern mühsam abgeschrieben, auf Pergament, für das Tierhäute verarbeitet werden mussten. Für 100 Seiten mussten die Häute von 50 Kühen hinhalten. Es war auch manchmal ein Hirsch dabei. Auch das Schreiben mit Federkiel und selbstgerührter Tinte war mühsam:
"Oh wie schwer ist das Schreiben. Es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben und der ganze Körper leidet."
So schreibt sich ein Mönch im 8. Jahrhundert den Frust von der Seele. Es sind aber unglaublich schöne Bücher entstanden, die die ganze Ausstellung neben Messgewändern und liturgischem Gerät Statuen und Klösterkonstruktionsplänen überstrahlen. Irmgard Siede begründet dieses Schwergewicht auf die Handschriften so:
"Ein Stück weit standen die Bücher, das Lesen der Bücher, das Studium der Bücher und auch das Herstellen der Bücher tatsächlich im Mittelpunkt der Klosterkultur. Es gibt ja den spätmittelalterlichen Leitsatz: "Ora et Labora et Legge", aus dem dann im 19. Jahrhundert diese Verkürzung "Ora et Labora" gemacht wurde. Das Studium ist tatsächlich nach der Benediktregel ein Auftrag an die Mönche."
Da die Ausstellung sehr lange zu sehen ist – bis in den Januar hinein - muss in den aufgeschlagenen Büchern mehrfach umgeblättert werden, damit die Handschriften nicht unter der Beleuchtung der Vitrinen leiden. Hoffentlich gilt das nicht für das "Mainzer Geiselverzeichnis". Mitten in einem juristischen Standardwerk, datierbar auf das Jahr 805, sind zwei besondere Seiten eingeklebt. Da sind bedeutende Personen aufgeführt, die Karl dem Große nach der Unterwerfung der Sachsen 795 dem Benediktinerabt von Reichenau übergab. Die Rolle der Benediktiner bei der Christianisierung Europas ist ja ohnehin kaum zu unterschätzen. Sind die Mönche etwa sogar die treibende Kraft hinter der heute uns ja immer wieder neu beschäftigenden Einheitsidee von Europa?
Irmgard Siede: "Vielleicht weniger die Idee von Europa aber die Tatsache, dass wir doch im Abendland mit Europa auch eine kulturelle Einheit haben. Das hat auf jeden Fall etwas mit den Benediktinern zu tun. Und ich denke: Es ist auch kein Zufall, dass 1964 der heilige Benedikt zum Patron Europas ernannt wurde."