Dienstag, 21. Mai 2024

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Patientenrechte in Deutschland

Seit einigen Tagen liegt sie aus in den Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken und Gesundheitsämtern: eine Broschüre für Patienten. Ihr Titel: Patientenrechte in Deutschland. Es geht vor allem um die Rechte des Patienten gegenüber dem Arzt. Der Grund: Patienten sollen gestärkt werden - sie sollen ihre Behandlung selbstbewusst mitgestalten. Patientenorientierte Gesundheitspolitik heißt denn auch das Konzept der rot-grünen Bundesregierung. Zu diesem Konzept gehört auch die Änderung des Arzneimittelgesetzes, das am 1. April in Kraft getreten ist: Danach können Verbraucherverbände und Patientenvertreter ihre praktischen Erfahrungen bei Entscheidungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte über die Zulassung neuer Medikamente mit einbringen. Sie sollen in den Gremien dieser Zulassungsbehörde eine gleichberechtigte Stimme neben den Ärzte- und Pharmavertretern bekommen. Aber es gibt auch andere, für die Patienten weniger erfreuliche Nachrichten:

Ingeborg Sahm | 03.04.2003
    Nullrunde im Gesundheitswesen, geschlossene Türen von Arztpraxen und Apotheken, Erhöhung der Krankenkassenbeiträge, die Diskussion um freiwillige Leistungen - all das verunsichert die Beitragzahler. Und auch beim Arztbesuch selbst finden die Wartenden Angebote von Behandlungen, wie bestimmte Blut- oder Ultraschalluntersuchungen, die der Patient nun selbst bezahlen muss. Dadurch gerät das Vertrauensverhältnis zum Arzt für manchen Patienten ins Wanken:

    Ich persönlich hab nicht das Gefühl, dass ich noch ne zusätzliche Rückenstärkung brauche. Wenn ich Fragen habe an den Arzt, stell ich die auch. Und wenn ich das Gefühl habe, ich müsste den Arzt wechseln, dann wechsele ich ihn auch. Ich glaube, dass je mehr man an Wissen mitbringt in die Praxis, dass man desto mehr auch erfährt. Also, ich hab so das Gefühl, dass es sehr stark darauf ankommt, dass ich mich vorher selber informiere und/ dass ich dann auch auf meinem Recht beharre, weil von selber die Ärzte wenig sagen. Ich komm mir dann auch oft lästig vor, wenn ich denen dann ganz viele Fragen stelle. Zumindest im Krankenhaus hab ich dann das Gefühl, die haben eigentlich gar keine Zeit für so was.

    Die wichtigsten Behandlungsgrundlagen für die rund 72 Millionen Krankenversicherten in Deutschland haben Regierungsvertreter, Organisationen der Ärzteschaft, der Krankenhäuser, Selbsthilfegruppen und Versicherer unter der Leitung des früheren Präsidenten des Bundesgerichtshofes, Karlmann Geiß, zusammengefasst. Herausgekommen ist ein zwanzig Seiten starker "Leitfaden" mit einer Startauflage von 500.000 Exemplaren, der die Rechte und Pflichten von Patienten und Ärzten auflistet.

    Dazu gehören etwa die Aufklärungspflicht des Arztes vor einem Eingriff, das Recht des Patienten, einen zweiten Arzt nach seiner Meinung zu fragen oder Einsicht in die eigene Krankenakte zu nehmen. Diese Grundsätze sind in der Broschüre allerdings nicht mit Paragraphen belegt, an die der Patient sich im Zweifelsfall halten kann, sondern eher allgemein beschrieben. Zum Arztwechsel zum Beispiel heißt es:

    Der Patient hat grundsätzlich das Recht, Arzt und Krankenhaus frei zu wählen und zu wechseln. Der Patient kann eine ärztliche Zweitmeinung einholen. Den begründeten Wunsch, einen weiteren Arzt hinzuzuziehen oder eine Zweitmeinung einzuholen, soll der Arzt nicht ablehnen. Die Behandlungsunterlagen sind dem mitbehandelnden Arzt zu übermitteln. Der Patient sollte sich vorher über eventuelle Kostenfolgen bei dem Arzt oder Kostenträger informieren.

    Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat bereits ins Gespräch gebracht, dass diese Zweitmeinung eventuell vom Patienten selbst bezahlt werden muss. Dennoch: ganz abgesehen davon, dass der Arzt diesem Wunsch ohnehin nicht wiedersprechen kann, ist die Möglichkeit des Arztwechsels für die meisten Patienten nichts Neues - oder? Klaus-Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium:

    Es sind in der Tat auch bestehende Rechte beschrieben, das ist ja auch selbstverständlich, dass die Selbstverständigung in der Charta erreicht ist. Ich finde immer, wichtig ist, und in dem Fall ist es ja so, dass alle Beteiligten sich auf diese und andere Grundsätze gemeinsam verständigt haben. Und wir zumindest sind sehr. sehr glücklich, dass in dieser relativ kurzen Zeit die Verständigung zwischen den Betroffenen so gut gelungen ist. Und das ist ein sehr wichtiges Dokument, was jeder demnächst dann in den Händen halten kann und was jeder im Einzelfall dann in den Dialog mit seinem Arzt oder seiner Ärztin treten kann.

    Ganz ähnlich drückt sich auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries aus. Sie sagte bei der Vorstellung der Patientencharta, es gehe nicht um neues Recht, sondern vielmehr darum, Patienten, aber auch Ärzte und Krankenschwestern in verständlicher Sprache über geltendes Recht zu informieren. Nur wer als Patient seine Rechte kennt, könne sich aktiv an der Behandlung beteiligen. Und ein über die Rechtslage gut informierter Arzt könne seine Patienten hierbei besser unterstützen. Die Charta schaffe Transparenz und damit eine wichtige Grundlage für eine vertrauensvolle Kooperation von Arzt und Patient: Die Voraussetzungen für den Erfolg einer medizinischen Behandlung würden so verbessert.

    An der Charta der Patientenrechte beteiligt war auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen. In diese Beratungsstellen kommen täglich Menschen, die Unterstützung suchen, weil sie vermuten, falsch behandelt zu werden, oder einen Experten für ihre Erkrankung suchen; aber auch Privatversicherte, die mit der Rechnung des Arztes nicht einverstanden sind. Als Selbsthilfeeinrichtung hat sich die Patientinnenstelle gewünscht, die Rechte der Versicherten weiter auszubauen. Ohne Erfolg. Gregor Bornes von der Patientinnenstelle in Köln ist enttäuscht:

    Also die Charta, die gar nicht Charta heißt, leider, ist sicherlich nur ne allgemeine Beschreibung von Patientenrechten, die es zwar gibt, aber die nicht definiert sind in einem Gesetz, was wir seit langen Jahren fordern. Insofern ist das, also dieser Text jetzt, eine Information über bestehende Rechte, die aber nach wie vor verstreut sind, in den verschiedensten Rechtsgrundlagen. Das fängt an, vom bürgerlichen Gesetzbuch, bis hin zu berufsrechtlichen Regelungen innerhalb der Ärzteschaft. Es ist ein relativ großes Kraut und Rüben von verschiedenen Rechten, die nach wie vor nicht klar definiert sind, und deswegen wird es uns sicher noch lange brauchen.

    Zum Beispiel, wenn es um die Aufklärungspflicht des Arztes geht. Viele Mediziner lassen die Patienten bereits an der Anmeldung Einverständniserklärungen unterschreiben. Um Zeit zu sparen, aber auch, weil der Arzt es für sinnvoll hält, unterschreiben Patienten beispielsweise häufig bei Radiologen, dass sie mit der Gabe eines Kontrastmittels generell einverstanden sind. Dieses ist längst gespritzt und das erforderliche Bild von Kopf oder Rücken mittels Computertomographen gemacht, ehe der Arzt in Erscheinung tritt. Er hat also über einen Eingriff, die Gabe des Kontrastmittels, nicht persönlich aufgeklärt. Ist ein solches Beispiel im Sinne des Gesundheitsministeriums? Klaus-Theo Schröder:

    Ich erwarte in der Tat, und das ist ja immer vom Schweregrad des Eingriffes abhängig, dass von ärztlicher Seite die notwendige Aufklärung erfolgt, ich halt sie für dringend notwendig und geboten. Erstens, und das ist das normalste, dass ein mündiger Patient weiß, was mit ihm geschieht, dass das notwendig ist und warum das notwendig ist. Aber auch, um den Patienten in seiner Patientenrolle zu ermuntern, weil da gibt's ja häufig Punkte, bei denen man sagen müsste, wenn du das und jenes mitmachst, dann werden wir auch schneller gemeinsam Erfolg haben. Am Tresen, um ihr Beispiel aufzugreifen, hielte ich persönlich nicht für in Ordnung und ich glaub auch, dass es solche Fälle gibt, aber nicht die Regel sein sollten.

    Die Patientenberatungsstelle geht hier allerdings einen Schritt weiter. Für Gregor Bornes wäre die mangelnde Aufklärung in diesem Beispiel ein klarer Verstoß gegen das Recht auf persönliche Aufklärung durch den Arzt:

    Denk ich ganz sicher, dass das schon im Prinzip ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht ist. Man kann nicht jemandem etwas zum Unterschreiben geben, bevor er überhaupt aufgeklärt worden ist, wofür das Kontrastmittel jetzt überhaupt in dem Fall nötig ist und ob es in dem speziellen Fall tatsächlich gebraucht wird. Jemand, der so etwas unterschreibt, unterschreibt quasi blind und nicht wissend. Bevor man so etwas unterschreibt, muss eben eine mündliche Aufklärung erfolgen.

    Und dass der Arzt persönlich aufklären muss, geht aus den Patientenrechten deutlich hervor. Der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs, Karlmann Geiß, verweist denn auch ausdrücklich darauf, dass die Charta Ärzte genauso wie die Patienten informieren soll. Denn junge Mediziner wüssten immer weniger über die Rechtsverhältnisse zwischen ihnen und den Patienten Bescheid. So sind in dem Leitfaden auch Rechte beschrieben, die mehr dem Arzt als dem Patienten dienen, nämlich:

    Kann zwischen Patient und Arzt kein Konsens über die Behandlungsart und den Behandlungsumfang hergestellt werden, ist der Arzt - von Notfällen abgesehen - berechtigt, die Behandlung abzulehnen.

    Der Arzt könnte also - beim Beispiel der Kontrastmittelgabe - die Behandlung ablehnen, weil aus seiner Sicht nur so eine optimale Diagnose gestellt werden kann. Zwar kann man davon ausgehen, dass die rund 130.000 niedergelassenen Mediziner nur im Extremfall von diesem Recht Gebrauch machen. Ihre Vertretung, die kassenärztliche Vereinigung, sieht denn auch keinen Grund, die Patientenrechte auszuweiten. Roland Stahl von der kassenärztlichen Bundesvereinigung:

    Wir sind auch der Meinung, dass die Patientenrechte nicht ausgeweitet werden müssten. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass es im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern beispielsweise der Patient heute schon sehr weit gefasste Rechte hat. Er braucht aber jemand, der koordiniert, in welcher Institution der Patient mit welchen Rechten vertreten sein soll. Das heißt: Wir haben ein Sammelsurium an Institutionen, an Gremien, die Entscheidungen treffen, die dann den Patienten wiederum betreffen, und da braucht er jemanden, der koordiniert, in welchen Gremien mit welchen Rechten der Patient vertreten sein soll. Und das soll der Patientenbeauftragte tun.

    Der Patientenbeauftragte ist ein weiterer Baustein rot-grüner Politik zur patientenorientierten Gesundheitsversorgung. Er soll in den nächsten Wochen benannt werden. Allerdings aus Sicht der Bundesregierung nicht nur als Koordinator zwischen Krankenkassen, Selbsthilfegruppen und Ärztevertretern, wie es die Kassenärztliche Vereinigung vorgeschlagen hat.

    Vielmehr soll der Beauftragte für die Belange der Patienten ein unabhängiger Berater sein. Er soll helfen, die Gesundheitspolitik im Sinne der Versicherten zu gestalten und Sprachrohr sein für die Patienten in der Öffentlichkeit. Vorbild ist der Behinderten-Beauftragte: Ein Bundestagsabgeordneter, der natürlich auch in Kontakt mit den Organisationen der Behinderten steht, aber auch direkte Anfragen der Bürger bündelt und: zwischen Bund und Ländern koordiniert. Staatssekretär Klaus-Theo Schröder:

    Es ist daran gedacht, mit dieser Aufgabe einen Bundestagsabgeordneten, eine Bundestagsabgeordnete zu betrauen. Wo dann nicht die Einzelfragen diskutiert werden, sondern die politische Weiterentwicklung betrieben wird, das heißt: die Kommunikation in die Regierungen hinein, Bund und Länder. Die Kommunikation in den Bundestag hinein: So wie wir, glaube ich sagen zu dürfen, in Deutschland gute Erfahrungen gemacht worden sind mit dem Bundesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen.

    Das bedeutet: die ganz praktischen Fragen und Belange der Versicherten können und sollen über den Patientenbeauftragten in die politische Diskussion gelangen und so auch gesetzliche Veränderungen bewirken. Das wird von den Selbsthilfegruppen begrüßt. Für sie ist weiter wichtig, dass der Beauftragte ein Patientenrechtegesetz etabliert und unabhängige Schiedsstellen einrichtet, die bislang bei Krankenkassen und Ärztekammern angesiedelt sind. Auch die Kommunikation über politische Maßnahmen soll transparenter werden. Dazu wird ein regelmäßiger Patientenbericht vorgeschlagen. Ob die Bundesregierung diese Empfehlungen aufgreifen wird, bleibt abzuwarten. In der Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober vergangenen Jahres hat sich die rot-grüne Regierungskoalition allerdings zum Ziel gesetzt, die Patientenrechte und den Patientenschutz weiter zu stärken. Dies soll im Zuge der Gesundheitsreform geschehen. So ist beabsichtigt, den Patientenvertretern ein besseres Gehör in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens zu verschaffen und ein Zentrum für Qualität in der Medizin einzurichten. Das soll dann auch Informationen darüber bieten, welche Klinik für bestimmte Behandlungen besonders geeignet ist. Mit strukturellen Neuerungen wie der Gesundheitskarte und der Patientenquittung will die Bundesregierung mehr Transparenz erreichen und einen funktionsfähigen Qualitätswettbewerb in gang setzen. Mit anderen Worten: Patienten sollen mit den Füßen abstimmen und sich Ärzte und Krankenhäuser aussuchen können nach der Qualität der dort angebotenen Leistung. Da kommen auf den Beauftragten für die Belange der Patienten gewichtige Aufgaben zu.

    Der Patientenbeauftragte soll im kommenden Monat seine Arbeit aufnehmen. In ihn werden hohe Erwartungen gesteckt. Die Einrichtung dieses Amtes wird von vielen als wirkliche Innovation zur Stärkung der Patientenrechte angesehen. Bislang fehlen zum Beispiel noch genaue Auflistungen über Schlichtungsstellen oder Selbsthilfeorganisationen. Wird der Patient in der neuen Broschüre diese Adressen und Ansprechpartner finden? Klaus-Theo Schröder:

    Nein, das wird so nicht sein. Wir werden wesentliche Anlaufpunkte schon haben, aber das ist ja doch ein großer Kreis, wenn sie bedenken, wir haben ungefähr 330 gesetzliche Krankenversicherungen noch. Wir haben im Augenblick 23 kassenärztliche Vereinigungen und andere Stellen. Aber das ist vor Ort nach unserer Erfahrung dann durchaus schnell und zügig zu recherchieren für die Betroffenen.

    Die Beratungsstellen haben hier andere Erfahrungen: Viele Patienten kommen zu ihnen, weil sie nicht wissen, an wen sie ihre Kritik richten können. Wer hilft ihnen, zum Beispiel einen Behandlungsfehler zu beweisen? Fragen, auf die die Patientencharta auch keine Antwort gibt. Forderungen nach unabhängigen Gutachtern oder eine rechtliche Festschreibung der Beweislast zu Gunsten des Patienten wurden in der neuen Broschüre nicht umgesetzt. Deshalb plädieren die Beratungsstellen für ein Gesetz, das die Patientenrechte festschreibt. Gregor Bornes:

    Es gibt dagegen sehr massive Widerstände, die befinden sich vor allem auf Seiten der Ärzteschaft, die also sagt, dass man so etwas nicht braucht und dass das auch hinderlich ist. Aber auch die derzeitige Justizpolitik ist ganz klar gegen ein Patientenrechtegesetz ausgerichtet. Die sagen, dass ein Patientenrechtegesetz die rechtliche Entwicklung eher behindern würde und argumentieren vor allem damit, dass Patientenrechte eben was sind, was man nicht einfach definieren kann, sondern was sehr stark geprägt ist durch gesprochenes Recht. Und wenn man allgemeine Grundsätze formulieren würde, dann würde das eher schaden, als nützen. Ich halte das für vorgeschoben, ich glaube eher, dass es da zu große Bedenken gibt, dass der Bereich der ärztlichen Versorgung noch stärker verrechtlicht wird.

    Die Ärztevertreter dagegen sehen hier keine Probleme. Die allgemein gehaltene Beschreibung der Patientenrechte ist aus der Sicht von Roland Stahl völlig ausreichend:

    Es ist die Frage, welches Werk, welches umfangreiche Buch man schreiben will. Ich denke mir, eine Form, eine schriftliche Form, die in wenigen klaren Sätzen die Spielregeln enthält, die reicht zunächst mal, ist für jeden verständlich, ist für jeden greifbar. Das andere, das kann man dann sicherlich als Ergänzung dazu auflisten, aber man sollte jetzt nicht den Versuch starten, ein Riesengesetzesbuch zu schreiben. Eine Patientencharta funktioniert natürlich nur, wenn nicht nur der selbstbewusste Arzt da ist, sondern auch der selbstbewusste Patient. Und als solcher beharre ich natürlich auch auf dem Recht, was ich glaube zu haben. Das heißt, ich trete auf gleicher Augenhöhe dem Arzt gegenüber.

    In der Tat: Der Patient kann sich in der Regel weder in der Praxis noch im Krankenhaus mit einem umfangreichen Gesetzeswerk wappnen. Aber von der gleichberechtigten Arzt-Patient-Beziehung kann leider nicht immer die Rede sein. Es besteht ein starkes Abhängigkeitsverhältnis. Der Patient gerät nur allzu schnell in eine medizinische Maschinerie, in der er sich alles andere als aufgehoben fühlt. So ist es auch Andreas Pfeiffer gegangen. Er war nicht in seinem Krankenzimmer, als der Anästhesist ihn über Risiken der bevorstehenden Operation aufklären wollte. Operiert wurde er dann kurzerhand ohne Aufklärung. Und wenn etwas schief gehe, sei er selbst schuld - so die Erklärung des Arztes. Andreas Pfeiffer:

    Ich war natürlich wie vom Donner gerührt. Ich wusste zwar innerlich, dass die sich unmöglich verhalten haben, trotzdem hatte ich Angst. Und am nächsten morgen kam der Oberarzt auch noch dazu, der mich operierte, hat mich auch noch mal zusammen geschissen, was mir denn einfiele, hier einfach weg zu gehen, ohne Bescheid zu sagen. Und ich hab dann versucht zu erklären, dass ich sehr wohl Bescheid gesagt habe und dass man mir ja auch mal hätte sagen können, wann, was. Ja, ich sei ja nicht allein im Krankenhaus, nicht der einzige Patient und so weiter. Außerdem hatte ich schon eine Beruhigungsspritze und war schon so halb lädiert, konnte mich da gar nicht richtig zur Wehr setzen gegen diesen Angriff und hatte natürlich fürchterliche Angst, dass ich jetzt die Verantwortung dafür trage müsste, wenn bei der OP etwas schief gehen würde.

    Natürlich liegt es in der Verantwortung des Arztes, den Patienten über mögliche Operationsrisiken aufzuklären und sich Informationen über Vorerkrankungen zu holen. Dennoch hat sich auch mit der neuen Patientencharta nichts an bislang geltendem Recht geändert. Im Falle eines Schadens durch die Operation hätte Andreas Pfeiffer die Schuld des Arztes beweisen müssen. Gregor Bornes:

    Die Beweisbarkeit der Vorwürfe ist ausgesprochen schwierig. Patientinnen und Patienten wird da nach wie vor die Beweislast in den allermeisten Fällen aufgelegt. Das heißt, wenn etwas schief geht in der Operation, muss der Patient oder die Patientin mittels Gutachten, die dann wiederum natürlich von Medizinern gemacht werden müssen, beweisen, dass das ärztliche Handeln gegen die medizinische Kunst verstoßen hat. Das ist häufig sehr schwierig, vor allem wenn man dann noch den Zusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden beweisen muss. Insofern wäre eine wichtige Erweiterung der Patientenrechte, dass hier Beweiserleichterungen einerseits stattfinden müssten, andererseits aber auch das Gutachterwesen sich verändern müsste, damit da eine schnellere und unparteiischere Begutachtung erfolgen kann.

    Das Bundesgesundheitsministerium hat bereits 2002 die Schlichtungs- und Gutachterstellen der Ärztekammer aufgefordert, ihre Verfahren zu optimieren. Mit anderen Worten: Patienten sollten an der Auswahl des Gutachters beteiligt werden und mehr Mitsprachemöglichkeiten bekommen. Doch an der Umsetzung hapert es. Auch hier zeigt sich: Die Patientenrechte in Deutschland sind noch nicht ausreichend. Aber sie können das Selbstbewusstsein der Patienten stärken, sich im Streitfall zur Wehr zu setzen.