Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


"Patron der Nächstenliebe"

Der heilige Vinzenz von Paul gilt als Patron der Krankenhäuser und soll beim Wiederfinden verlorener Sachen helfen. Heute vor 350 Jahren starb der katholische Priester und Ordensgründer, dessen Leben teilweise abenteuerlich war.

Von Anna Gann | 27.09.2010
    "Sein Antlitz war sanft, sein ganzes Naturell sehr gütig und freundlich. Er hatte einen großen Geist, fähig zu allen großen Dingen und schwer zu beugen."

    Der heilige Vinzenz von Paul in der Beschreibung des Bischofs Louis Abellys, seines Freundes und ersten Biographen. Vincence de Paul, wie er im Französischen heißt, gründete im Frankreich des 17. Jahrhunderts Vereinigungen von Frauen und Männern zur Hilfe für Arme und Kranke. Damit legte er den Grundstein für die heutige weltweite katholische Caritas.
    Vinzenz wird am 24. April 1581 in der Gascogne geboren. Als drittes von sechs Kindern hilft er auf dem bäuerlichen Hof der Eltern.

    "Ich bin der Sohn eines Landarbeiters, der die Schweine und Kühe hütete",

    schreibt er später. Der begabte Junge wird bei Franziskanern in die Schule geschickt. Bereits mit 15 Jahren studiert er an der Universität von Toulouse, noch vor Abschluss des Theologiestudiums erhält er die Priesterweihe. Doch nicht nur Frömmigkeit treibt ihn an, sondern vor allem die Hoffnung auf ein lukratives Kirchenamt. 1605 reist Vinzenz nach Marseille, wo eine unerwartete Erbschaft winkt. Um die lange Rückreise über Land abzukürzen, besteigt er ein Schiff. Doch es wird von Piraten gekapert, die ihn als Sklaven nach Nordafrika verschleppen. In einem romanhaft ausschmückenden Brief schildert er später:

    "Wir wurden gezwungen, uns den Räubern, die schlimmer als Tiere hausten, zu ergeben. Sie nahmen Kurs auf Nordafrika, die Höhle und Spelunke aller Räuber."

    Erst nach zweijähriger Odyssee habe er wieder die Freiheit erlangt. Manche Historiker bezweifeln seine abenteuerliche Geschichte. Sein deutscher Biograph Hans Kühner meint:

    "Das Dunkel über den möglichen Irrungen seiner Jugend ist geblieben, und das Licht der Heiligkeit hat es nicht erhellt."

    Sein Streben nach Wohlstand und sozialem Aufstieg führt Vinzenz von Paul 1610 als geistlichen Berater und Almosenverwalter an den Hof der Königin Margarete de Valois. Dort lernt er auch den zukünftigen Ludwig XIII. kennen, dem er später am Sterbebett beistehen wird. Der kirchliche Reformer Piérre de Bérulle vermittelt Vinzenz 1613 als Hauslehrer an die Adelsfamilie de Gondi. Bérulle wird, ebenso wie Franz von Sales, ein späterer Heiliger der katholischen Kirche, zu einer prägenden Figur für den jungen Priester. Immer häufiger sieht sich dieser mit dem Elend der einfachen Bevölkerung konfrontiert, zunächst als Almosenverwalter, dann als Pfarrer einer kleinen Landgemeinde bei Lyon und schließlich als oberster Seelsorger für die Galeerensklaven Frankreichs. Nach und nach reift seine Überzeugung:

    "Die Armen sind im Himmel große Herren – sie sind es, welche die Tür öffnen, wie es im Evangelium heißt."

    1617 erlebt er in seiner Gemeinde, wie einige Frauen einer Familie in schwerer Krankheit beistehen. Um die Hilfe zu organisieren, gründet Vinzenz die erste "Bruderschaft der Damen der christlichen Liebe". 1625 ruft er eine Gemeinschaft von Priestern ins Leben, den Orden der Lazaristen. Ihr Ziel:

    "[Verzicht] auf alle Güter, Ämter und kirchliche Würden, um sich mit allen Kräften um das Heil des armen Volkes zu kümmern."

    1633 gründet er in Paris mit der späteren Heiligen Louise de Marillac die Gesellschaft der "Töcher der christlichen Liebe", die auch Vinzentinerinnen genannt werden. Sie verpflichten sich durch ein Gelübde zum Dienst an den Armen.

    Am 27. September 1660 stirbt Vinzenz von Paul, der "Patron der Nächstenliebe", mit 79 Jahren in Paris. 1737 wird er heiliggesprochen. Heute gibt es weltweit knapp 4000 Lazaristen bzw. Vinzentiner und etwa 23.000 Vinzentinerinnen. Sie orientieren sich an dem, was ihr Ordensgründer vor mehr als 350 Jahren über die Barmherzigkeit gesagt hat.
    "Wer sich liebend zum Herrn bekennt, wendet sich wie er in Liebe dem Menschen zu, um ihn aus seinem seelischen und materiellen Elend herauszuführen."