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„Pattern and Decoration“-Ausstellung in Wien
Kitsch als Kompliment

Kleinteilige Ornamente und orientalisch anmutende Formen: Die "Pattern and Decoration"-Bewegung wollte der abstrakten Kunst etwas entgegensetzen. Ihre verspielten Muster entdeckte sie im Kunsthandwerk fremder Kulturen. Das Wiener „mumok“ zeigt jetzt Werke der US-amerikanischen Kunstbewegung aus den 1970er und 80er Jahren.

Von Christian Gampert | 26.02.2019
Installationsansichtansicht: Ned Smyths "Portale Fish & Fabric" bestehnd aus skulpturalen und reliefartigen Elementen in der Ausstellung "Pattern and Decoration" im Wiener "mumok".
Ned Smyths "Portale Fish & Fabric" in der Ausstellung "Pattern and Decoration" im Wiener "mumok". (mumok / Stephan Wyckoff)
Das Dekorative hat in der modernen Kunst einen schlechten Ruf. Es gilt als verspielt und überflüssig, als rückwärtsgewandt. Der Wiener Architekt Adolf Loos polemisierte 1908 gegen den Jugendstil mit seiner Streitschrift "Ornament und Verbrechen". Er fand das Dekorative reaktionär und kriminell; in Reaktion darauf nennt das Wiener "mumok" seine Ausstellung nun "Ornament als Versprechen" - und das ist nicht zu hoch gegriffen. Denn die Ausstellung zeigt eine überraschende stilistische Vielfalt von Arbeiten, die orientalische Muster und Formen indigener Volkskunst verwenden und die in Europa eher unbekannt sind. US-amerikanische Künstler und vor allem Künstlerinnen begaben sich in den Nachwehen der Hippie-Bewegung auf Reisen, vor allem nach Mexiko, Nordafrika und in den Nahen Osten. Die einen waren angeödet von der strengen Minimal Art, die Frauen unter ihnen waren vor allem enttäuscht vom – in ihren Augen – extrem machistischen Abstrakten Expressionismus.
Wie ein Schwimmbad aus "Tausendundeiner Nacht"
Im Wiener "mumok" sehen wir nun eine riesige Bodenarbeit von Joyce Kozloff, die mexikanische Teppichmuster und Motive islamischer Kunst zu einem bunten, lebensprallen Mosaik aus rund eintausend Bodenfliesen verarbeitet. Das könnte auch für ein Schwimmbad aus "Tausendundeiner Nacht" gemacht sein, ist aber wohl eher gedacht als Gegenentwurf zu den stählernen Bodenplatten des Minimalisten Carl Andre. Kozloffs Freundin, die aus Mississippi stammende Valerie Jaudon, begeistert sich in ihren Wandarbeiten für die verschlungenen Pfade islamischer Muster und die keltische Buchmalerei – und trotzdem sieht man, dass sie ursprünglich aus der geometrischen Abstraktion kommt.
Auf in unbekannte Länder
In der Ausstellung wird aber immer klar, dass sich hier Künstler auf den Weg machten in ferne, damals eher unbekannte Länder. Kuratorin Manuela Ammer sagt:
"Was Künstlerinnen und Künstler von "Pattern and Decoration" durch die Bank betonen, ist, dass ihre Verwendung von dekorativen Systemen aus anderen Kulturen, auch anderen Religionen, als Hommage zu verstehen ist. So war das gemeint."
Das führte auch zu völlig skurrilen Aktionen. Man sieht in der Ausstellung das Video einer Performance von Robert Kushner, der sich für Modenschauen und Maskenbälle begeisterte. Bei ihm nehmen nackte Modelle, darunter er selbst, jeweils einen reich ornamentierten islamischen Tschador von der Wand und führen ihn wie auf einem Laufsteg vor. Das war damals offenbar im Sinne des Kulturaustauschs gemeint.
Schlechter Geschmack als Tabubruch
Kushner war auch angetan von chinesischen Clip-Art-Büchern, von iranischen Teppichen und von Kitsch aller Art. Sein Freund Kim MacConnel fertigte Textilcollagen, die von den Wandbehängen der Nomadenzelte inspiriert waren, gleichzeitig aber die Umrisse von Fernsehern ins Werk schmuggelten und in ihrer Buntheit an die Pop-Art anschlossen. Der Kitsch und das Bekenntnis zum schlechten Geschmack, Seide und Silberstoffe wurden als tabubrecherisch empfunden. Manche Künstler – wie Thomas Lanigan-Schmidt – bauten ganze Altäre aus Alufolien, Zellophan und Plastikperlen.
"Auch dieses billige Dekor, mit dem wir uns zu Hause umgeben und das im Purismus der Hochkunst eher eine Peinlichkeit darstellt, das waren Referenzen. Auch der schlechte Geschmack, auch das war ein wichtiges Kriterium für die Künstlerinnen und Künstler."
Verachtung durch Avantgarde
Gleichzeitig wurde von feministischen Künstlerinnen der sogenannte hausfrauliche Bereich in den Arbeiten aufgewertet, also alles, was mit Nähen, Stricken, Färben, Bekleiden zu tun hatte. Allerdings wurden manche Objekte dann gleich im Sinne eines erotischen Lockmittels eingesetzt, zum Beispiel ein riesenhafter Fächer von Mariam Shapiro. Es gibt bemalte Möbel wie eine Voodoo-Couch und mit Mosaiken besetzte, skulptural aufragende Palmen-Säulen von Ned Smyth. Die gestrenge Avantgarde hatte für so etwas auch in den 1980er Jahren natürlich nur Verachtung übrig, und in der Tat wirken viele Arbeiten heute vor allem verspielt. Aber "Pattern and Decoration" war ein Aufbruch – zu anderen Kulturen und zu einem offenen Denken.