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Paul Weller zum 60.
Der Modfather

Genreprägend, stilsicher, unbeugsam: Der britische Musiker Paul Weller hat mit seinen Bands The Jam und The Style Council Pionierarbeit für die britsche Musik- und Modeszene geleistet. Und er ist Motor des "BritPop", ob es ihm gefällt oder nicht. Am 25. Mai feiert der ewige Mod seinen 60. Geburtstag.

Von Thomas Elbern | 27.05.2018
    Paul Weller tritt am 9. März 2015 im Colosseum in Watford auf.
    Paul Weller bei einem Aufritt am 9. März 2015 im Colosseum in Watford. (Imago / ZUMA Press)
    Woking in der Grafschaft Surrey liegt im Südwesten Englands. 63.000 Einwohner, eine Stunde mit dem Auto von London entfernt. Keine Metropole, nicht gerade trendig. Und dennoch stammen aus Woking einige britische Prominente. Der Science Fiction-Autor HG Wells machte Woking sogar zum Schauplatz seines "Krieg der Welten". Rick Parfitt, Gitarrist und Sänger von Status Quo stammt von dort und natürlich Paul Weller. Im Mai 1958 wurde er in Woking geboren. Hier begann seine lange Karriere. Weller hat in Woking mit The Jam einer der erfolgreichsten britischen Bands gegründet. Von Anfang an wurde er von seinem Vater John Weller unterstützt, einem Taxifahrer. Legendär ist mittlerweile die Geschichte, in der bei Familie Weller eine Zeit lang das Telefon abgestellt wurde. Warum ? Um Geld für die Karriere des Sohnes zu sparen.
    Paul Weller: "Ich hatte das Glück, schon sehr früh gefördert zu werden. Meine Eltern haben mich nie davon abgehalten, Musiker zu werden. Es war eher das Gegenteil. Meine Eltern hatten keinen akademischen Hintergrund, sondern stammen aus der Arbeiterklasse. Sie haben mich ermutigt, es ernsthaft mit der Musik zu versuchen, damit ich es vielleicht mal besser habe als sie. Es klingt wie ein Klischee, aber es ist immer noch wahr. Sport oder Musik, das sind die legalen Möglichkeiten, die du in der Arbeiterklasse in England hast, wenn du nach oben kommen willst. Es ist wie eine Fluchtroute erfolgreich zu sein und Geld zu verdienen."
    Miese Zukunftsaussichten, große Motivation
    1972 die ersten Gehversuche der Band. John Weller, auch hier ist der Vater wieder vorne dabei. Er organisierte die ersten Auftritte, ist Roadie und Fahrer und trat als Manager der Band in Erscheinung. Kopf und Songschreiber bei The Jam. Paul Weller. Er setzte sich mit seiner musikalischen Richtung durch: Härtere Rockmusik inspiriert durch Bands wie Dr. Feelgood, The Who und die Small Faces prägten die frühen Songs der Band, die sehr schnell vom Quartett zum Trio schrumpfte. The Jam wollen Erfolg haben. Ihr Antrieb: Hass auf die Schule und die Zukunftsaussichten, die Woking in den 1970er Jahren für einen Teenager aus der Working Class bereithielt: Die Arbeit entweder in der Fabrik oder auf der Baustelle.
    "Als ich mit dem Gitarre-spielen begann, hat mich nichts mehr als die Idee fasziniert, in einer Band zu spielen und Musik zu machen. Ich wollte schon mit zwölf eine Band gründen und dann irgendwann eine Platte herausbringen. Das war der Traum. Außerdem war das eine Möglichkeit, dem zu entkommen, was als normales Leben zur Verfügung stand. Die Kombination aus all dem hat die Magie ausgemacht, als ich ein Kind war."
    1977 kommt es zum ersehnten Plattenvertrag. Der erste Vorschuss von 6000 Pfund wurde bar an den Vater ausgezahlt, weil niemand aus der Band damals ein Konto hatte. Doch früh wurde klar: Um erfolgreich zu sein, mussten sich The Jam von anderen Bands unterscheiden. Ganz in der Tradition der britischen Mods, Mitte der 1960er Jahre, bei denen gepflegte Kleidung und eine rebellische Pose Erkennungsmerkmal waren, traten The Jam grundsätzlich nur in Anzügen auf. Mod-mäßig stets gepflegt aufzutreten - auf Tour eine wirkliche Herausforderung. Paul Weller erinnert sich:
    "Das war ganz schön hart. Wir hatten unsere schwarzen Anzüge auf Tour dabei und am Ende waren die völlig eingelaufen: der Schweiß in den kleinen Clubs setzte ihnen sehr zu. Und jedes Mal, wenn sie danach getrocknet waren, zogen sie sich wieder ein Stück zusammen und wurden noch kleiner. Doch vom weiten sahen sie allerdings immer noch gut aus."
    Das Ende von The Jam als Neuanfang
    1977 erschien mit "In the city" das Debüt von The Jam. Im selben Jahr schon legte die Band mit "This is the modern world" das zweite Album nach. The Jam arbeiteten hart, waren im üblichen Zyklus aus Studio/Tour/Studio/Tour gefangen. Im Jahr danach folgte das dritte Album "All Mod Cons". Das Album stieg in die britische Top Ten ein, die Band spielte in England in ausverkauften Hallen - doch auf internationalen Bühnen war es noch schwierig. Das Trio entwickelte sich zu einem sehr englischen Phänomen: volle Konzerthallen in der Heimat, doch auf internationalem Parkett war es nicht leicht, den typisch britischen Spirit an das Publikum weiter zu geben: The Jam spielen Ende der 1970er Jahre Songs, die an die rebellische Phase von Bands wie The Who erinnern. Drummer Rick Buckler drischt auf sein Schlagzeug ein, Bass und Gitarre werden im stakkatostil bearbeitet und Weller singt im Kasernenhofton. The Jam lassen ihrer Unzufriedenheit freien Lauf. Punk war das zwar noch nicht, doch es hatte schon eine zornige Attitüde. Paul Weller :
    "Da denke ich zurück an die Zeit mit the Jam, wir haben ja viel live gespielt und waren mindestens dreimal in ganz Europa und Amerika auf Tour. So richtig Spaß daran hatte allerdings niemand in der Band, weil man in diesen Ländern dann auch so viel Zeit verbringen musste. Keiner von uns war darauf vorbereitet oder fand das besonders gut, so lange von Zuhause weg zu sein."
    Anfang der 1980er Jahre war die Band auf ihrem kommerziellen Höhepunkt, doch Weller fühlte sich vom allzu engen Konzept der Band eingeengt. Mit der rockigen Powertrio-Besetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug konnte er nicht alle Gefühle ausdrücken. Parallel hatte der New Wave mittlerweile viele Schattierungen in der britischen Musikwelt geschaffen. Allen voran der Umgang mit elektronischer Musik und das Spiel mit dem eigenen Image waren prägend für die Zeit. Gruppen wie Adam and the ants oder Siouxie and the Banshees posierten als Indianer oder Figuren aus einem dunklen Fantasyroman: Der New Wave hob die Trennung der Geschlechter für einen Moment auf. Zum Schrecken seiner anderen Bandmitglieder, denn The Jam waren immer noch sehr erfolgreich, verließ Weller nach dem sechsten Album die Band: The Jam spielten am 11. Dezember 1982 in Brighton ihr Abschlusskonzert und waren ab dann Geschichte. Doch das Ende von The Jam war für Weller ein Neuanfang:
    "Warum nicht einfach mal in See stechen und sehen wo du landest. Gehe weiter als dein Potenzial. Das war immer meine Idee mit der Band und dem jeweiligen Produzenten: Lass uns Musik machen, mit der wir nicht vertraut sind. Wo wir nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt. Zu experimentieren und mit etwas zu kommen, was sich unterscheidet. Musik die anders und spannend ist. Vielleicht hört man die Einflüsse, aber trotzdem kannst du diesen Sound nicht einfach einordnen."
    Gegenentwurf mit The Style Council
    Nach der Auflösung von The Jam ein radikaler Neuanfang: 1983 gründete Paul Weller zusammen mit dem Keyboarder Mick Talbot The Style council. Der Sound kehrte dem Rock den Rücken und steuerte in Richtung Soul und R'n'B.
    "Schwarze oder afro-amerikanische Musik ist der Ursprung aller populären Musik, die wir heute kennen. Selbst Techno oder House, für mich kommt das alles aus dieser Quelle: moderner Jazz, Reggae, Funk. All diesen unzähligen schwarzen Künstlern kann man gar nicht genug Respekt zollen: Marvin Gaye, Fats Domino, Sam Cooke, Little Richard...die Liste ist endlos. Für mich sind sie Pioniere, sie haben diesen Sound erfunden. Als weißer Musiker kann man nur dankbar sein und das zur Kenntnis nehmen und Respekt zollen. In meinen Augen hat damit alles angefangen."
    Falsettgesang, eine wesentlich lebens-lustigere Attitüde, eine Big Band auf der Bühne: Paul Weller’s Imagewechsel mit Style Council war radikal. Snobismus statt wütendem Rock. Elektronisches Schlagzeug, Synthesizer und opulente Arrangements. The Style Council waren pure Lebensfreude.
    "Mein einziges Kriterium ist, ob mich Musik emotional erreicht. Das kann jeder Musikstil sein, wenn es mir gefällt, dann gefällt es mir. Das funktioniert rein instinktiv. Selbst bei elektronischer Musik gibt es gute und schlechte Beispiele. Drums und Gitarre können auch furchtbar zusammen klingen. Gute Musik ist gute Musik, egal wo sie herkommt und wie sie entstanden ist. Einige Songs überleben sogar Jahrzehnte, andere verschwinden. Du kannst dir als Hörer das raus picken, was für dich emotional von Bedeutung ist."
    Solokünstler
    The Style Council waren Teil des neuen britischen Mainstreams. Bands wie Culture Club, ABC oder Duran Duran bevölkerten die Charts. Style Council, stilistisch viel breiter aufgestellt als the Jam, behielten sich vor, wie sie auf ihrem nächsten Album klingen werden. Soul, Latin oder eher radiotaugliche Schmuseballaden? Die Band geht wesentlich spielerischer an ihre Alben heran. Auch das hat nur wenig mit the Jam gemein. Zwischen 1983 und 1988 erschienen vier LPs. 1984 nahm die Gruppe am Charity Projekt "Band aid" teil und unterstützte 1985 mit dem Musiker Kollektiv "Red Wedge" die Labour Partei im Kampf gegen die damals regierende Maggie Thatcher. Damals war Musik noch politisch.
    "Heutzutage interessiere ich mich überhaupt nicht mehr für Politik. Doch die 1980er Jahre waren eine völlig andere Zeit als heute. Bei Thatcher musstest du einfach reagieren. Spätere Politiker wie Toni Blair oder John Major machen für mich keinen großen Unterschied. Mit Thatcher war es anders, das war eine sehr polarisierende Zeit, du warst entweder auf der einen oder auf der anderen Seite. Thatcher hat mit ihrer Politik das ganze Land gespalten, die Armen wurden noch ärmer, die Reichen noch reicher. Da musste ich einfach ein Zeichen setzen. Das war gesellschaftlich eine wesentlich extremere Zeit als heute."
    Nachdem Wellers Plattenfirma sich 1989 geweigert hatte, das geplante fünfte und ihrer Meinung zu elektronisch geprägte Album von Style Council herauszubringen, löste sich die Formation auf. Der Vorgänger "Confessions of a pop group",der 1988 erschien, war ein Flop. Weller, der sich mittlerweile mehr für Dance und Housemusic interessierte, geriet in eine künstlerische Krise. Der mittlerweile dreifache Vater legte eine Zeitlang seine Gitarre beiseite, um sich ganz der Erziehung seiner Kinder zu widmen. Als ihn die schnelllebige Popwelt fast vergessen hatte, erschien 1992 dann sein erstes Soloalbum, das er mit einer Band einspielte. Zwar ist der soul-lastige Einfluss von Style Council hörbar, aber die Rockmusik kehrte auch wieder zurück. Weller hatte seine Gitarren wiederentdeckt.
    "Die meisten meiner Songs fangen mit einem persönlichen Gefühl an und von dort geht die Reise weiter. Ich versuche, das Themenspektrum viel mehr zu erweitern. Es ist schön, wenn sich der Hörer emotional in meinen Songs wiederfinden kann.
    Das ist die Schönheit von Musik und Text. Wenn ich einen John Lennon oder Marvin Gaye höre, dann kann ich die Texte auf mich selbst beziehen und mich darin selber widerspiegeln. Die Schönheit guter Songs schließt die mit ein, die ihnen zuhören."
    Comeback als Modfather
    Mit seinem zweiten Soloalbum "Wildwood", das 1994 erschien, gelang Weller ein Comeback. Während das Pop-Geschehen in England immer elektronischer und dancelastiger wurde, besann sich er sich auf seine Qualitäten als Songschreiber. Schnörkellose Kompositionen mit seiner unverkennbaren Stimme, die wie guter Wein über die Jahrzehnte spürbar gereift war. Das Ergebnis: Drei Hits und ein neuer, wiederauferstandener Paul Weller.
    "Ich bin ziemlich glücklich darüber, dass es mir gelungen ist, in den 90er Jahren wieder in die Popwelt zurückgekehrt zu sein. Vor allem mit neuer Musik und einem neuen Sound und nicht mit alten Hits oder so. Jüngere Leute, die The Jam oder Style Council nie mitbekommen hatten, fingen auf einmal an, Singles wie "Sunflower" zu entdecken. Vielleicht interessiert die dann meine Vergangenheit und die entdecken dann meine ältere Musik."
    1995 erreichte der stets gut gekleidete Musiker mit dem Album "Stanley Road" die Spitze der Charts. Das Album hat er nach der Straße in Woking benannt, in der er aufwuchs. Und auf "Stanley Road" ist er in Bestform. Kompakte Songs, die in einer glasklaren Produktion erstrahlen, und auch alte Fans von The Jam hören hier wieder genauer hin. Sein bisher erfolgreichstes und völlig zeitloses Album war allerdings nicht als Hitmaschine geplant.
    "Ich denke über diese Dinge nicht nach. Nimm das Album "Stanley Road", das ein großer Erfolg war und Millionen verkauft hat. Das ist ein gutes Album, das es mit etwas Glück sehr weit nach vorne geschafft hat. Aber wenn man so eine LP einspielt, dann weiß man das nicht. Du musst dir einfach nur Mühe geben und dann entscheiden die Leute, ob sie das haben wollen oder nicht."
    Mit dem Erfolg von Oasis, Pulp oder Blur Mitte der 1990er-Jahre, wurde Weller unfreiwillig zu einer Art Ziehvater eines englischen Stils, der nun seine Renaissance erlebte: Der von der englischen Musikpresse großspurig "Brit Pop" getaufte Sound galt als DAS neue Ding, erinnerte aber eben doch sehr an das Frühwerk von The Jam oder The Who. Paul Weller wurde zur Eminenz des Britpop erkoren, zum Modfather. Gut gekleidete britische Musiker mit einer "Nach uns die Sintflut-Attitüde" bevölkerten die Titelseiten der einschlägigen Fachpresse. Über diesen neuen Trend konnte sich Weller nicht wirklich freuen.
    "Britische Popmusik gibt es seit Lonnie Donegan, also seit Mitte der 50er Jahre. Es ist nichts anderes als ein dummes Label. Die Musikpresse redet von einer Renaissance der britischen Popmusik. Hätten die aufgepasst, dann wüssten die, dass es die alle zehn Jahre gibt! Ich würde dem Ganzen keine Bezeichnung geben, sondern es einfach wachsen lassen. Das ist viel gesünder."
    Paul Wellers Schaffensdrang ist bis heute ungebrochen und er hat mittlerweile 13 Soloalben veröffentlicht. Der psychedelische Sound, der den Musiker von Kindesbeinen an beeinflusst hat, kam mehr und mehr an die Oberfläche. Auch beim Album "Wake up the nation", das 2010 erschien.
    "Die Musik der 1960er Jahre war schon ein Einfluss, bevor ich mit The Jam anfing. Mir war dieser psychedelische Aspekt gar nicht bewusst, weil es die erste Musik war, die ich richtig gehört habe. Als ich acht oder neun war, ging die Sixtieswelle richtig los und das war sehr spannend für mich. "See emily play" von Pink Floyd oder "Strawberry fields" von den Beatles, das war für mich die allererste Popmusik, die ich wahrgenommen habe. Das hat meine Vorstellungskraft beflügelt."
    Modeikone mit Sechzig
    Paul Weller Gesamtwerk ist beeindruckend und es ist vielseitig. Vielfach preisgekrönt, alleine den Brit Award erhielt er dreimal. Die moderne englische Kultur scheint ihn zu brauchen. Paul Weller ist einer ihrer Repräsentanten. Er posiert im Nadelstreifenanzug und schätzt britische Modedesigner wie beispielsweise Christopher Bailey, der für die Marke Burberry entwirft. Die ständige Lust auf etwas Neues, das gab es auch schon bei den Mods viel früher. Schon Ende der 195oer Jahre versuchten sich Jugendliche aus der britischen Arbeiterklasse durch ihre ausgesuchte Kleidung und italienische Motorroller abzuheben. Die Mods hassten die Rocker und umgekehrt. Die Prügeleien der rivalisierenden Gruppen im englischen Seebad Brighton waren legendär und wurden unter anderen in dem Film "Quadrophenia" thematisiert. Weller, der im Herzen immer Mod geblieben ist, gründete 2014 mit "Real Stars Are Rare" sogar eine eigene Modelinie.
    "Alles was ich mache ist modzentrisch, das ist mehr als eine Lebensanschauung für mich. Mit meiner Modelinie ist es wie mit meiner Musik es muss mir zuerst gefallen. Außerdem nehmen wir es nicht mit den großen Marken auf, sondern vertreiben unsere Produkte nur online. Du musst sie also erst suchen und finden. Das hat sehr viel mit der Haltung eines Mods zu tun."
    Paul Weller ist mit 60 Jahren noch lange nicht am Ende seiner kreativen Laufbahn. Wie alle großen Künstler jagt ihn das Gefühl, das perfekte Album noch nicht eingespielt zu haben. Seine jahrelange Alkoholabhängigkeit hat er 2010 überwunden. Als Vater von mittlerweile acht Kindern aus verschiedenen Ehen, lebt er heutzutage eine eher positive Lebensphilosophie.
    "Das Leben ist wie ein Test, da steckt viel Wahrheit hinter. Ich mag das. Man sagt, dass einen Kinder jung halten. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich würde sagen, dass mich meine Kinder optimistisch stimmen. Die Welt steckt in einer tiefen Krise, man hat ständig das Gefühl, wir stehen kurz vor Ausbruch eines dritten Weltkrieges. Aber wenn du junge Kinder hast, dann kannst du einfach nicht pessimistisch denken. Du musst ein Optimist bleiben und immer positiv denken. Du kannst deinen kleinen Kindern nicht sagen, dass das Ende gerade bevorsteht und wir nicht mehr lange existieren werden. Egal, ob es eine Art erzwungener oder ein echter Optimismus ist, Kinder lassen dich die Welt mit anderen Augen sehen. Genau wie Curtis Mayfield mal gesagt hat: Ich habe mich dazu entschieden zu glauben. Also, ich werde nie zynisch oder pessimistisch werden. Es ist wichtig, stark zu bleiben und immer positiv."
    Das Altern und der kreative Funke
    Paul Weller ist und bleibt einer der schillernden Figuren der britischen Rockmusik. Im Gegensatz zu vielen anderen Altstars aus den 1960 und 70ern ist er immer noch relevant. Er überrascht immer noch mit neuen Sounds und seiner Idee von Modernität, die zwar auch in die Jahre gekommen ist, ihm aber immer noch bestens steht. Seine Konzerte sind keine "Best of" Shows, sondern er präsentiert immer die neuesten Kreationen zwischen Rock, Soul, Psychedelic oder Folk. In der Idee eines würdevollen Alterns ist für eine Wiedervereinigung von The Jam keinen Millimeter Platz.
    "Ich würde das noch nicht mal machen, wenn es einmalig wäre. Ich finde das völlig absurd. Rick, Bruce und ich in unseren späten Jahren, wie wir versuchen etwas wiederherzustellen, was lange vorbei ist. Kein Geld dieser Welt kann mich überzeugen, das zu tun. Klar, es gibt gerade eine Menge Tributebands. Dahinter steckt ein erfolgreiches Geschäftsmodell, aber das ist mir zu langweilig und zu traurig."
    Und so wird Weller noch lange versuchen, den perfekten Song zu schreiben oder das ultimative Album zu produzieren. Vielleicht heimst er bis zum Siebzigsten mal wieder einen Brit Award ein.
    "Rock’n' Roll ist das Spiel eines jungen Mannes, jedenfalls so lautet eine englische Redensart. Es stimmt: Rock’n Roll ist die Domäne junger Menschen. Du kannst zwar älter werden und immer noch Musik machen, aber es ist nicht das Gleiche. Für mich hat Musik sehr viel mit visuellen Reizen zu tun. Ich bin mit der Musik der 60er Jahre groß geworden, die sich auch sehr stark am Look orientiert hat. Die Klamotten oder die Frisuren, die man damals getragen hat, das war für mich sehr prägend. Und Künstler oder Bands, die ich damals sehr geschätzt habe, stehen heute auf der Bühne und haben komplett ihre Ausstrahlung verloren. Klar, es ist unglaublich schwierig, den kreativen Funken über so viele Jahre glühen zu lassen, denn es gibt so wenige Ausnahmen."