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Paula Modersohn-Becker zurück aus Japan

Die Werke von Paula Modersohn-Becker wurden im November 2005 ganz absichtsvoll außer Landes gebracht. Sie traten im Rahmen des deutsch-japanischen Jahres eine Reise unter anderem ins Museum of Modern Art in Hayama an. Die Worpsweder Künstlerin und ihr ganz eigener künstlerischer Weg sollte in Japan bekannt gemacht werden. Im kleinen Paula Modersohn-Becker-Museum in Bremen ist die Bilderreise ins Land der aufgehenden Sonne nun in Form einer Ausstellung dokumentiert.

Von Rainer Berthold Schossig |
    Passend zum deutsch-japanischen Jahr und zur Großen Fernost-Ausstellung im Übersee Museum dokumentiert das kleine Paula Modersohn-Becker-Museum in der Bremer Böttcherstraße eine besondere Reise: Den Bilderbesuch seiner Namenspatronin Paula in Nippon. Rainer Stamm, der Direktor des Hauses, stieß bei seinem Begleit-Besuch in Japan auf erstaunliche Bewunderung dieser Malerin der Klassischen Moderne, verbunden übrigens auch mit großer Begeisterung für deutsche Kunst und Kultur. Vor allem aber war Rainer Stamm erstaunt über die Sachkenntnis seiner japanischen Kollegen:

    "Wir waren zunächst überrascht, dass von japanischer Seite eine sehr konkrete Wunschliste da war. Obwohl die Erfahrung, der Kontakt mit Werken Paula Modersohn-Beckers nicht vorhanden war. Wir waren begeistert von dem guten Auge, dem klaren kuratorischen Blick, der sich aus dem Werk Paula Modersohn-Beckers die Rosinen herausgesucht hatte. Das hat uns auch ermutigt und angespornt, eine bedeutende, repräsentative Ausstellung für Japan zu konzipieren."

    Der repräsentative Querschnitt durch das kurze Lebenswerk setzt Schwerpunkte im Menschenbild und in der Landschaft. Die Initiative für die Ausstellungstournee verdankte sich der Obsession eines japanischen Kurators, der sich schon seit Jahren bemühte, die Malerin nach Japan zu holen: Tsutomu Mizusawa vom Museum für Moderne Kunst in Hayama. Er berichtete Rainer Stamm regelmäßig über die Reaktionen der japanischen Besucher:

    "Paula Modersohn-Becker ist keine Künstlerin, die einfach konsumiert werden kann als ein Baustein der Moderne. Ihr Werk hat fasziniert, aber in der Sperrigkeit dieser Biografie, im Mut, am Anfang der Moderne dieses ganze Potenzial zu entfalten, was eben auch ein Schock war in der Zeit. Und in Japan – das darf man nicht vergessen – sind die Geschlechterrollen, die Verhältnisse noch viel klarer gefasst."

    Für Paula als Malerin war der in der Belle Epoque verbreitete japanische Stil, der sog. "Japonismus" kaum von Bedeutung. Insofern waren die Japaner von heute nicht so sehr mit dem Eigenem, sondern vor allem dem Fremden in Paulas Kunst konfrontiert, insbesondere durch eine umfangreiche Gruppe selten so vereinter Mutter-Kind-Zeichnungen, die die existenzielle Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Thema Schwanger- und Mutterschaft dokumentieren.

    "Der Aufbruch dieser Frau, die Tabubrüche in der Kunst und in der Gesellschaft vollzogen hat, sich selbst als Akt zu malen, nackte Mütter mit Kindern in enger Verschmelzung darzustellen. Dieser Tabubruch, der bei uns durch den täglichen Umgang mit den Werken gar nicht mehr so präsent war, der ist sehr frisch und begeistert vom Publikum wahrgenommen worden. Insofern kommen die Werke neu aufgeladen in dieser Radikalität zurück."

    So bringt die interkulturelle Begegnung mit der schlichten Farbigkeit und monumentalen Einfachheit dieser Malerin das scheinbar Vertraute und Selbstverständliche ihrer Kunst neu geschärft zurück ins Bewusstsein. Die lakonischen Landschaften, die einfachen Menschen am Teufelsmoor lassen Paula Modersohn-Becker auch unter dem fremden Blick in ihrer ganzen künstlerischen Bedeutung aufscheinen:

    "In Japan waren sehr viele Werke auch aus der späten Zeit in Paris, die wir heute als protokubistisch empfinden, die diese Nähe zur Avantgarde in Paris dokumentieren. Für Japan war die Künstlerin am Beginn des 20. Jahrhunderts Käthe Kollwitz! Da wird vieles toleriert durch ihr starkes soziales Engagement. Aber Paula Modersohn-Becker als Malerin zu entdecken, die die Priorität auf die moderne Malerei gesetzt hat – das war in Japan etwas Neues, Spannendes."

    Hinzukommt, dass Worpswede in Japan ein Begriff ist. Die nordwestdeutsche Künstlerkolonie, und die dort gepflegte Naturmalerei sind den japanischen Besuchern keineswegs unbekannt. Und so hat es fast den Anschein, als fülle das Werk der Malerin nun wie ein fehlender Mosaikstein das Bild, das man sich in Japan von der deutschen Kunst an der Wende zum 20. Jahrhundert heute macht.


    "…ein kurzes intensives Fest"
    Paula Modersohn-Becker zurück aus Japan – Eine Ausstellung im Paula Modersohn-Becker Museum Bremen (30. Juli – 17. September 2006)