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Pause bei der Erderwärmung

Laut einer Studie des Kieler Ifm-Geomar-Instituts legt der Klimawandel in den kommenden zehn Jahren eine Verschnaufpause ein. Grundlage der Vorhersage sind Untersuchungen der Weltmeere. Doch eine Entwarnung in Sachen Klimakatastrophe lässt sich daraus nicht ableiten.

Von Jens Wellhöner |
    Der Klimawandel macht eine Pause - und das, obwohl der Anteil von Treibhausgasen in der Atmosphäre ständig zunimmt. Davon ist Noel Keenlyside überzeugt. Der Brite ist Klimaforscher am Kieler Ifm-Geomar-Institut:

    "Ich nehme an, dass das Klima sich in den nächsten zehn Jahren kaum verändern wird, die Temperaturen werden konstant bleiben ganz im Gegensatz zu den bisherigen Voraussagen, die noch nicht unsere neuen Messdaten berücksichtigen."

    Und diese neuen Messdaten stammen aus dem Nordatlantik.

    Ein Forschungsschiff auf dem Nordatlantik: Wissenschaftler des Kieler Ifm-Geomar-Instituts lassen ihre Messbojen ins Wasser. Das sind zwei Meter lange, gelbe Zylinder, vollgestopft mit Technik. Sie sollen unter anderem die Meeresströmungen messen, das heißt, ihre Geschwindigkeit und Temperatur. Ein Netz aus solchen Messbojen ist mittlerweile im ganzen Nordatlantik installiert von Wissenschaftlern aus vielen Staaten Amerikas und Europas. Mit ihnen kommen die Forscher auch der Entwicklung unseres Klimas auf die Spur. Noel Keenlyside:

    "Die Strömungen im Nordatlantik transportieren Wärme in nördliche Breiten, steuern die Temperaturen an der Meeresoberfläche und damit auch das Klima auch in Europa."

    Der Golfstrom: Kaum eine Meeresströmung ist so gut erforscht wie er. An vielen Stellen messen die Forscher seit rund 50 Jahren die Temperatur des warmen Stroms. Und mit diesen Messdaten haben die Kieler Wissenschaftler eine neue Klimavorhersage ausgerechnet. Sie beruht auf den Veränderungen im Golfstrom. Klimatologe Mojib Latif:

    "Bei uns in Nordeuropa ist es vor allem der Golfstrom, der sich verändert nicht nur durch die menschlichen Aktivitäten, sondern auch von Haus aus. Etwas, nicht so stark. Und das hat eben auch Einfluss auf unser Wetter, unser Klima. Das heißt, was wir wissen müssen, um solche Vorhersagen zu machen, etwa für die nächsten zehn Jahre, ist der Zustand der Weltmeere in den letzten Jahrzehnten."

    Der Golfstrom liebt quasi die Veränderung: Er wird abwechselnd schwächer und dann wieder stärker, mal kühler, mal wärmer, immer innerhalb weniger Jahre. Die Messdaten aus dem Nordatlantik zeigen auf das Jahr genau, wie stark er sich ändert. Mojib Latif und seine Kollegen haben nun diese exakten Messdaten ausgewertet und anhand von Daten der letzten 50 Jahre überprüft, ob man mit ihnen das Klima vorhersagen kann:

    "Das heißt, wir haben uns zum Beispiel in das Jahr 1960 begeben. Wir haben simuliert, okay, wir befinden uns jetzt im Jahr 1960 und machen Vorhersagen bis 1970, und haben das dann mit der tatsächlichen Entwicklung verglichen. Und diese Vorhersagen haben gezeigt, dass das Modell durchaus in der Lage ist, diese Veränderungen auf Zeitskalen von Jahrzehnten richtig vorherzusagen."

    Und, ermutigt durch diese Ergebnisse, haben die Kieler Forscher ein Modell errechnet, wie sich der Golfstrom und damit das Klima in den nächsten zehn Jahren verhält. Das Ergebnis: In den nächsten Jahren wird der Golfstrom etwas schwächer:

    "Das sind Schwankungen, die man sich ähnlich wie eine Welle vorstellen kann, da gibt es einen Wellenberg. Jetzt kommen wir so langsam in ein Wellental. Das überlagert die globale Erwärmung, deswegen werden wir jetzt in den nächsten zehn Jahren vermutlich keine starke Erwärmung bekommen."

    Die Klimaerwärmung macht also eine Pause - und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit. Das zeigen weitere Messungen aus den Weltmeeren, vor allem aus dem Pazifik. Aber: Eine Entwarnung in Sachen Treibhauseffekt möchte Mojib Latif nicht geben. Denn der Anteil von Treibhausgasen in der Atmosphäre wird nach den aktuellen Vorhersagen auch in Zukunft weiter steigen:

    "Und dann wird auch der natürliche Zyklus in die andere Phase gehen. Das heißt in seine Warmphase, das kommt dann oben noch drauf. Und deswegen müssen wir befürchten, dass eben jenseits von 2020, 2025 wir mit einer sehr starken Erwärmung zu rechnen haben."

    Also nur eine Verschnaufpause, ermöglicht durch die Natur. Ob die Vorhersagen der Kieler Klimaforscher so auch wirklich eintreffen: Schon die nächsten Jahre werden es zeigen.