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PCB im Bergbau
Das Problem großflächig verdünnt

Bis Mitte der 80er-Jahre wurden im Steinkohlebergbau PCB-haltige Hydrauliköle eingesetzt. Rund 12.500 Tonnen hochgiftiges PCB soll es in Nordrhein-Westfalen und im Saarland noch immer unter Tage geben. Mit dem geplanten Anstieg des Grubenwassers in stillgelegten Stollen könnte es zu einer ökologischen Katastrophe kommen, fürchten Umweltschützer.

Von Annika Zeitler | 10.04.2015
    "Im Grunde genommen riskiert man da unten eine ähnliche Situation wie sie es hatten mit der Bohrplattform im Golf von Mexiko. Auch dort hat sich ja Öl mit Wasser in Anführungszeichen vermischt."
    Harald Friedrich war in den 90ern und Anfang 2000 Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium und kennt sich mit Belastungen des Trinkwassers aus. Die Ruhrkohle AG plant mit dem Ende des Bergbaus 2018, das Grubenwasser nicht mehr in dem Maße abzupumpen wie bisher, sondern es langsam ansteigen zu lassen. "Die Wasserströme werden dann diese Fässer schlichtweg öffnen und dann ergießt sich dieses Hydrauliköl in diese Wassermassen, die in den aktiv nun gefluteten Bergwerken sich bewegen. Und früher oder später wird man diese gesamten Tonnen hochgiftiges PCB zu Tage fördern."
    Die RAG bestätigt die PCB-Vorkommen in den Bergwerken. Aber sie weist die Vorwürfe zurück, das PCB-haltige Hydrauliköl in stillgelegten Schächten in Fässern zu lagern. "Hydraulikflüssigkeiten sind über Fässer angeliefert worden und daher kommt natürlich die Assoziation, dass Fässer untertägig fälschlicherweise gelagert würden. Das ist aber definitiv nicht der Fall, sondern der Großteil des Hydrauliköls ist unten diffus ausgetragen worden und nicht gezielt gelagert worden."
    Die 12.500 Tonnen PCB-haltiges Hydrauliköl seien zum größten Teil bei Arbeiten unter Tage versickert. Der Umweltschutzbeauftragte der RAG, Joachim Löchte, kann jedoch die Aufregung, um das PCB-haltige Hydrauliköl nicht nachvollziehen. Sein Unternehmen lasse das Grubenwasser regelmäßig durch unabhängige Institute untersuchen - die Messwerte seien überall unbedenklich.
    "Wir tragen PCB in die Gewässer ein. Aber es ist an den spezifischen Einleitstellen für uns nicht nachweisbar. Das heißt, dass es keine Gefährdung für Mensch, Umwelt oder gar Trinkwasser darstellt. Wir pumpen heute Wasser aus ganz großen Tiefen, zum Teil 1.000, 1.500 Meter und das Ziel wäre aus einer anderen Höhe dieses Wasser zu pumpen."
    "Wenn ein Bürger das oberirdisch machen würde, wäre das eine Straftat"
    Im Moment prüft die rot-grüne Landesregierung in NRW das Flutungskonzept der Ruhrkohle AG. Wenn der Plan umgesetzt würde, könnte das Unternehmen einige Kosten einsparen: Jährlich hebt die Ruhrkohle rund 80 Millionen Kubikmeter Wasser und zahlt dafür auch in etwa 80 Millionen Euro. "Da macht es einen Riesenunterschied, ob nun vom Land vorgegeben wird, das Grubenwasser darf nicht höher als Minus 600 Meter unter Geländeoberkante ansteigen oder 300 Meter oder 150. Der Unterschied, der beziffert sich in einer zwei- bis dreistelligen Millionensumme pro Jahr. Die Ruhrkohle würde gerne dieses Wasser so hoch wie möglich ansteigen lassen und natürlich die Bedenken des Umweltschutzes gehen exakt in die andere Richtung.“
    Auch wenn die Messwerte im Moment überall unter dem Grenzwert von 20 Kilogramm pro Mikrogramm liegen, bleibt Harald Friedrich kritisch. "Nirgends auf diesem Globus verschwindet Materie: Das ganze Problem wäre nicht passiert, wenn die Ruhrkohle das gleiche gemacht hätte, was auch jeder Normalbürger, falls er Zuhause an seinem Fahrzeug Ölwechsel vornimmt, dass er das Altöl auffängt und ordentlich entsorgt. Das war ihnen zu teuer. Das erkannte Problem ist nicht lokalisiert und gelöst, sondern großflächig verdünnt worden. Wenn ein Bürger das oberirdisch an einem Gewässer machen würde, wäre das eine Straftat."