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PECTOPAH und OMATEK

EU-Kommissionspräsident Barroso ließ unlängst bulgarische Herzen höher schlagen: Bulgarien sei ein Land, mit dessen Beitritt die EU bereichert werde, nicht zuletzt durch die große bulgarische Kultur. Dass der Brüsseler Eurokrat damit das kyrillische Alphabet meinte, ist für Bulgaren selbstverständlich - schließlich entstand dieses Medium allslavischer Schriftkultur im Jahre 893 in Bulgarien, als Reform der unhandlichen Glagolica. Die hatte im Sommer 862 Kyrill mit seinem Bruder Method, beide Mönche aus Thessaloniki, als erstes Alphabet der Slaven geschaffen.

Von Wolf Oschlies |
    Kyrill und Method sind seit 1985 Schutzpatrone Europas, aber Bulgaren-Zar Simeon schuf die Schrift, die seither bei Russen, Ukrainern, Serben und vielen anderen Slaven, dazu viele nichtslavische Völker, gebraucht wird.

    Bei Westeuropäern gilt Kyrillisch als höllisch schwierig, ist dabei aber kinderleicht. Vor 45 Jahren, als in Deutschland der Übergang von der Grund- zur Oberschule noch an Aufnahmeprüfungen gebunden war, hatte ein Hamburger Lehrer stets die besten Prüfungsergebnisse. Er ließ die Kinder spielen - mit seiner Geheimschrift OMATEK. Der Pädagoge war nämlich Russischlehrer und seine Geheimschrift war das kyrillische Alphabet, in dem O-M-A-T-E-K mit lateinischen Buchstaben identisch sind.

    Am 1. Januar 2007 ist Bulgarien EU-Mitglied und damit wird Kyrillisch EU-Schrift, neben dem Griechischen die einzige nicht-lateinische Schriftnorm. Die Bulgaren proben schon große Feiern, gar ein Boulevard des 1. Januar soll künftig durch Sofia verlaufen, aber sie kennen natürlich auch schriftkulturelle Probleme, die damit für alle Beteiligten verbunden sind. Sie selber müssen sich endlich einigen, wie ihre kyrillischen Namen ins Lateinische transkribiert werden, wofür es momentan noch vier verschiedene Systeme gibt. Man könnte die UN-Transkription übernehmen, aber das richtete sich allein nach der russischen Kyrillica. Weil es zwischen bulgarischer und russischer Schrift gewichtige Unterschiede gibt, von Ukrainisch und Serbisch gar nicht zu reden, hat derzeit das Institut für bulgarische Sprache viel Arbeit und Verwaltungsminister Vasilev viele Sorgen, wer die Arbeit der Linguisten bezahlen soll.

    Aber das ist Kleinkram, verglichen mit den Gewöhnungsproblemen der Europäer. Wird es ihnen wie jenen Touristen ergehen, die sich in Sofia über die vielen Ladenschilder PECTOPAH wunderten - weil sie nicht wussten, dass sie vor einem kyrillisch geschriebenen "Restoran" standen? In der Geschichte haben viele die Kyrillica verändert, am nachhaltigsten der große Russen-Zar Peter im frühen 18. Jahrhundert, der serbische Sprachreformer Vuk Karadic um 1830 und Lenin nach 1919. Um 1930 wollte Stalin sie abschaffen, weil sie ihn zu sehr an Zarentum, Orthodoxie und Reaktion erinnerte. Aber daraus wurde zum Glück nichts, vielmehr entstand im Mai 1945 mit der makedonischen Kyrillica das bislang jüngste Kind dieser Schriftfamilie.

    Jetzt kommt die Kyrillica also in die EU, wofür Ende November der Deutsche Bundesrat und das dänische Parlament als letzte grünes Licht gaben. In Bulgarien betont Ministerpräsident Sergej Stanišev, wie kulturell wichtig es sei, dass wir in der EU Bulgarischen sprechen können und alle europäischen Institutionen ihre Dokumente in unsere Sprache übersetzen müssen. Damit das möglichst rasch geschieht, hat Finanzminister Plamen Orešovski die Europäische Zentralbank ersucht, die gemeinsame Währung auch bulgarisch zu benennen, nämlich Evro. Und natürlich auch bulgarisch zu schreiben - auf die Gefahr hin, dass mancher Europäer sie als Ebpo liest.