Pedro Étienne Solère: Konzerte für Klarinette und Orchester
Großmeister der Wiener Klassik wie Haydn, Mozart und Beethoven lassen uns häufig vergessen, daß um sie herum zeitgleich an vielen Fürstenhöfen in Europa das Musikleben ebenfalls boomte und eine Vielzahl von Komponisten Beachtliches leistete. Doch deren geschichtliches Schicksal wurde es, an diesen Titanen gemessen zu werden, was in den meisten Fällen zu einer Einordnung als Kleinmeister führte. Doch ohne ihre Vorarbeit, ohne diese gesellschaftliche Breite des Musikmachens, ohne die Professionalität der meist sowohl als Interpreten wie als Komponisten tätigen Musiker wäre vermutlich auch vieles von Haydn, Mozart und Beethoven nicht entstanden. Von einem dieser Kleinmeister soll heute die Rede sein, von dem Klarinettisten und Komponisten Pedro Étienne Solère, der von 1753 bis 1817 lebte. Am Mikrofon begrüßt Sie dazu Ludwig Rink. * Musikbeispiel: Pedro Étienne Solère, Konzert für 2 Klarinetten und Orchester, aus 1. Satz Pedro Étienne Solère stammt aus Mont Louis, einem französischen Städtchen in den Pyrenäen nahe der spanischen Grenze. Als 14jähriger war er bereits so weit als Klarinettist ausgebildet, daß er in das Musikcorps des Infanterieregiments eintreten konnte. Doch schon bald nahm er seinen Abschied, um in Paris weiterzustudieren. Offensichtlich mit Erfolg, denn 1784 hatte er als Solist einen hoch gelobten Auftritt innerhalb der berühmten "Concerts Spirituel", woraufhin ihn der Herzog von Orléans engagierte. Sein Ruhm verbreitete sich nun international auf verschiedenen Konzertreisen durch Italien, Spanien und nach St. Petersburg. Nach dem Tod des Herzogs wurde Solère als erster Klarinettist an die Kapelle des Königs verpflichtet und aufgrund dieser Reputation bei der Gründung des Pariser Conservatoire als Professor für Klarinette dort angestellt. Hier hatte er engen Kontakt zu Francois Devienne, der zu seiner Zeit mit einer Reihe komischer Opern Erfolge feierte, dessen musikalisch bedeutsamste Werke aber im Bereich der Kammer-, und da vor allem der Flötenmusik liegen. Kontakt hatte Solère auch zu einem anderen Komponisten, zu dem Mozartverehrer Joseph Ignaz Schnabel. Höchstwahrscheinlich traf er in Breslau auf seiner Reise nach St. Petersburg mit ihm zusammen, und das Es-Dur-Klarinettenkonzert auf dieser CD ist weitgehend identisch mit einer Komposition, die unter Schnabels Namen bei Breitkopf und Härtel im Druck erschien. Allerdings fehlt bei dieser Druckausgabe der kantable Mittelsatz; auch steht zu vermuten, daß die virtuose Linienführung des Klarinettenparts Solères Anteil an dieser "Gemeinschaftskomposition" sein dürfte. * Musikbeispiel: Pedro Étienne Solère - Konzert für Klarinette und Orchester Es-Dur, aus 1. Satz Diese neue CD mit weitgehend unbekannten, dennoch entdeckenswerten Klarinettenkonzerten des Franzosen Pedro Étienne Solère verdanken wir dem in Wuppertal geborenen rührigen Musiker Dieter Klöcker. Nach seinem Studium an der Musikakademie in Detmold war er fast 10 Jahre lang Soloklarinettist verschiedener deutscher Sinfonieorchester. Dann gründete er in den 60er Jahren "sein" Consortium Classicum, ein Ensemble für Bläserkammermusik, das eine Vielzahl von Schallplatten produziert hat. Mit diesem Ensemble und als Solist ist er seitdem Gast aller großen Musikfestivals und konzertierte in fast allen Ländern Europas und in Übersee. Seit 1976 ist er Professor für Klarinette und Bläserkammermusik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau. Eins der Konzerte von Solère ist für zwei Soloklarinetten komponiert, und hierzu hat Dieter Klöcker eine seiner Freiburger Meisterschülerinnen, die aus Andernach stammende Sandra Arnold verpflichtet. Ähnlich wie das eben in Auszügen gehörte Es-Dur-Konzert besteht auch dieses Doppelkonzert aus einem relativ groß angelegten ersten Satz, der ohne Pause übergeht in einen sehr kurzen zweiten, langsamen Satz, auf den dann ein auch vergleichsweise knappes Rondo folgt. Außerdem fehlt bei diesem langsamen Satz das Orchester, es ist also ein reines Klarinetten-Duo mit dem Titel "Adagio italien". * Musikbeispiel: Pedro Étienne Solère, Konzert für 2 Klarinetten und Orchester Es-Dur: aus Adagio italien und Rondo Ein besonderer Leckerbissen dieser neuen CD von Dieter Klöcker und dem Prager Kammerorchester ist das B-Dur-Klarinettenkonzert von Pedro Étienne Solère, ein sogenanntes "Concerto Espagnol". Diesen Beinamen verdient es wegen seiner exotischen Kadenzanklänge, vor allem aber wegen seines Schlußsatzes, eines feurigen Fandango mit Kastagnetten und Schellenkranz, der in dieser Form ein Unikum in der Klarinetten-Literatur darstellen dürfte. Der mit "Solea" überschriebene 2. Satz könnte dagegen durchaus auch aus Italien kommen; seine Melodie scheint europäisches Gemeingut, und Dieter Klöcker berichtet, daß seine Prager Musiker in ihr sogleich ein tschechisches Weihnachtslied zu erkennen glaubten. * Musikbeispiel: Pedro Étienne Solère - Concerto espagnol: aus Romanza und Fandango In unserer Sonntagsreihe "Die Neue Platte" ging es heute um Klarinettenkonzerte von Pedro Étienne Solère, gespielt von Dieter Klöcker und dem Prager Kammerorchester, erschienen bei der Firma Orfeo. Hier im Studio verabschiedet sich jetzt Ludwig Rink.