Universität Bielefeld, 10 Uhr morgens. Der Hörsaal 14 ist überfüllt, selbst auf den Treppen findet man kaum noch Platz. Auf dem Plan stehen Grundlagen der Sportpädagogik - eine typische Vorlesung für Erstsemester. Manche schreiben mit, andere tuscheln leise, während Professorin Valerie Kastrup ihren Vortrag hält. Aber bereits nach einer knappen Stunde beendet sie ihre Vorlesung vorzeitig.
Den weiteren Verlauf der Veranstaltung leiten nun eine Handvoll Studierende aus höheren Semestern. Sie betreuen als Teamer jeweils eine Gruppe mit ca. 15 Studierenden. Einer dieser Teamer ist Fynn Bergmann. Der Sportstudent ist bereits im 3. Semester und hat für seine Gruppe ein Spiel vorbereitet:
Die Studierenden verteilen sich um zwei Tische und grübeln über mögliche Fragen.
Der Grund, warum die Studierenden ein Quiz spielen, statt weiter frontal Inhalte zu konsumieren nennt sich PAL. PAL steht für Peer Assisted Learning, übersetzt bedeutet das ungefähr Lernen mithilfe von Gleichrangigen, also den Peers. Die Erstsemester lernen miteinander unter Anleitung eines PAL-Teamers. Im Gegensatz zu einem Tutor erklärt er nicht die Inhalte, wie Dr. Julia Sacher aus dem PAL-Projektteam betont:
"Sie haben den expliziten Auftrag, sich inhaltlich rauszuhalten und das was in der Gruppe aktuell ist auf den Tisch zu bringen, und das dann mithilfe verschiedener Methoden, die sie in Schulungen lernen, zu moderieren und der Gruppe die Gelegenheit zu geben, das aufzuarbeiten."
Denn vielen Erstsemestern sind die Abläufe an der Universität zunächst fremd: Das Lernen läuft selbstständiger ab, der Stoff wird anders behandelt, als man es aus der Schule kennt und manch einer hat zu den Kommilitonen kaum Kontakt.
Lediglich Tablets und Büchergutscheine
Zwar bietet die Universität viele Beratungsangebote an, aber diese würden von Studierenden mit Schwierigkeiten selten genutzt, beschreibt Julia Sacher das Problem. Da die PAL-Sitzung im Idealfall in die Vorlesung integriert ist, erreiche diese eine größere Bandbreite an Studierenden. Abgesehen von den fachlichen Inhalten tauschen sich die Erstsemester dabei auch untereinander über die eigenen Arbeitsmethoden aus.
"Hast du das alles mitgeschrieben, so Ordentlich"
Denn die Teamer erhalten für ihren Einsatz kein Lohn, sondern lediglich Tablets und Büchergutscheine, die zentral vom PAL-Projekt bezahlt werden. So hat Valerie Kastrup aus der Not eine Tugend gemacht. Jetzt hat sie zwar eine halbe Stunde weniger Zeit für ihre Vorlesung, dafür kann sie aber auch einen eigenen Nutzen herausziehen.
"Was für mich vor allem gewinnbringend ist, dass ich jede Woche von den PAL-Teamern ein Feedback bekomme was noch problematisch für die Studierenden war. Das heißt, ich ziehe also auch meinen Gewinn daraus, dass ich halt ein Feedback bekomme, was ich ja sonst nie bekommen würde."
Man kann vieles nacharbeiten
Außerdem hätten Studierende, die bei fast allen PAL-Sitzungen teilgenommen haben, auch bessere Noten in der Klausur erzielt. Doch das PAL-Team muss noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Bisher bieten nur vier Veranstaltungen an der Universität Bielefeld auch Peer Assisted Learning an. Und nicht überall läuft es so gut wie in der Sportpädagogik, wo die PAL-Sitzung in die Vorlesung integriert ist. Zu einem Extra-Termin kommen nämlich deutlich weniger Studierende. Auch auf Studiengänge ohne klassische Einführungsveranstaltung lässt PAL sich nicht ohne Weiteres anwenden. Dennoch, die Studierenden sind zufrieden, wie beispielsweise Sportstudent Sokrates Papadopoulos:
"Man kann halt sehr vieles nacharbeiten, was man nicht verstanden hat. Unter einer Gruppe kann man halt schneller lernen, als alleine, finde ich. Und es macht auch sehr viel Spaß, das zu lernen."
Und der Spaß am Lernen ist auch deutlich hörbar.