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Pelztierzucht in Deutschland und Europa

Weil Anfang des 20. Jahrhunderts Pelztierjäger und Fallensteller einige Tierarten fast ausgerottet hatten, die bei Pelzhändlern sehr beliebt waren, wurden als Konsequenz daraus Pelztierfarmen gegründet. Einerseits konnten dadurch die noch freilebenden Tiere vor dem Aussterben gerettet, andererseits der Handel mit Pelzen weiterbetrieben werden. Heutzutage, so sagt es die Statistik, leben beispielsweise rund 500.000 Nerze in Farmen. Doch diese Tierhaltung in Pelzfarmen ist schon seit Jahrzehnten heftig umstritten, länger noch als die Massentierhaltung in der Landwirtschaft zur Nahrungsmittelproduktion. Tierquälerei sagen die einen, eine akzeptable Geschäftsform die anderen. Auch derzeit ist die Pelztierhaltung wieder im Gerede - aufgrund eines EU-Berichts, der sich mit diesem Thema auseinander setzte.

von Solveig Bader |
    Neugierig kommen zwei Nerze an das Gitter ihres Käfigs. Scheu begutachten sie die Eindringlinge – die Besucher einer Nerzfarm in Westfalen.

    Hier werden amerikanische Nerze der Art "mustela vison" - auch mink genannt - gezüchtet, gehalten und getötet – für die Pelzproduktion. Es ist eine mittelgroße Farm: In insgesamt fünf Schuppen sind die Tiere untergebracht. In jedem "shed" – wie die Pelztierzüchter dazu sagen - befinden sich zwei 150 Meter lange Käfigreihen – getrennt durch einen Futtergang. In jedem Maschendrahtkäfig ein Nerz. Ein trostloser Anblick.

    Laut Berichten des Deutschen Tierschutzbundes existieren in Deutschland 31 Nerzfarmen – in denen rund 500 000 Nerze gehalten werden - und eine Fuchsfarm. Seit Jahren kritisieren Tierschützer jedoch die Haltung von Pelztieren in Gefangenschaft. Am liebsten möchten sie die Pelzfarmen ganz schließen. Dr. Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn:

    Sowohl Nerze als auch Füchse werden in kleinen Käfigen gehalten, in der Regel auf Drahtgitterböden, das macht man aus hygienischen Gründen. Heute kann man davon ausgehen, dass die Zuchttiere, die Junge haben, zumindest einen Nistkasten haben. Ansonsten sind die Käfige in aller Regel nicht möbliert. Unterm Strich heißt das, dass diese Käfige viel zu klein sind für die Tiere, die Bodenbeschaffenheit ist nicht in Ordnung und die Tiere haben keine Beschäftigungs- und keine Klettermöglichkeiten.

    Der Nerz ist das Pelztier, das heute am häufigsten in Farmen gezüchtet wird. An zweiter Stelle steht der Fuchs – und darunter insbesondere der Rot-, Blau- und Silberfuchs. Auch Chinchillas, Waschbären, Frettchen und Nutrias, auch Sumpfbiber genannt, werden heute weltweit in Farmen gezüchtet.

    Die meisten Pelztierfarmen befinden sich in den skandinavischen Ländern, also in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland. Ferner in der Sowjetunion, den USA, Kanada und in China.

    In den Anfangszeiten der Pelztierfarmen – um die Jahrhundertwende - wuchsen Füchse und Nerze in Gehegen mit Bodenhaltung auf. Sie erkrankten an Wurmbefall und Parasiten. Damit die Tiere nicht mehr mit ihren Exkrementen in Berührung kamen, führten die Züchter hochstehende Käfige ein. Durch den Maschendraht-Boden des Käfigs fallen Kot und Abfälle heraus. Das Futter - ein Brei aus Hühner- und Fischabfällen - liegt oben auf dem Gitter des Käfigs auf. Alfons Grosser, Präsident des Deutschen Pelztierzüchter-Verbandes, ist der Meinung: Die Bedürfnisse der Pelztiere sind in den Farmen ausreichend befriedigt.

    Sie haben ausreichend Platz, nicht nur ich meine das, sondern auch unsere Wissenschaftler meinen das, und sie haben dazu noch einen Wohnkasten, in den sie sich zurückziehen können, wenn sie darin bis zu 22 Stunden von 24 Stunden verbringen. Es ist nicht so, dass die Tiere dauernd draußen rumlaufen. Wenn sie ordnungsgemäß versorgt sind, dann ruhen sie und sind nicht so wie ihre wildlebenden Artgenossen darauf angewiesen, stundenlang und kilometerweit auf Futtersuche zu sein. Darum ist auch das Platzangebot ein anderes als das bei wildlebenden Tieren und diese Gehegehaltung hat sich europaweit in den letzten 120 Jahren zu dem entwickelt, wie Sie es jetzt hier sehen und vorfinden.

    Nach Auffassung der Tierschützer geht es den Züchtern jedoch in erster Linie um die Funktionalität der Haltungsbedingungen, die Qualität des Fells, aber nicht um das Wohlergehen der Tiere. Von artgerechter Haltung könne nicht die Rede sein. In der freien Natur haben Füchse und Nerze feste Reviere. Nerze leben an den Ufern von Bächen, Flüssen und Seen und sind hervorragende Schwimmer, Nutrias kommen ursprünglich aus Südamerika und sind ebenfalls wassergebundene Tiere.

    Obwohl Pelztiere seit mehr als 80 Jahren durch den Menschen gehalten werden, sind es immer noch Wildtiere mit denselben Eigenschaften und Verhaltensweisen wie ihre Artgenossen in der freien Natur, sagt David Wilkins. Er ist Tierarzt und Direktor des Europäischen Dachverbandes des Tierschutzbundes in Brüssel.

    Die Farmer wollen uns glauben machen, dass Pelztiere vollständig domestiziert seien. Ihre Argumente sind: Pelztiere werden seit langer Zeit in Farmen gezüchtet, sie sind an das Leben in Gefangenschaft und an den Menschen gewöhnt und zahm. Doch das ist nicht wahr. Wenn die Farmer Zuchttiere auswählen, dann schauen sie allein auf die Qualität des Fells. Und nicht danach, welche Tiere besonders anpassungsfähig, ängstlich oder leicht zu zähmen sind. Ihr einziges Zuchtkriterium ist das Fell.

    Studien zeigen, dass das öde Leben in Farmen massive Verhaltensstörungen bei den Pelztieren hervorruft. Wissenschaftler, die für den im Dezember 2001 veröffentlichten EU-Report verantwortlich sind, haben herausgefunden, dass 31 bis 85 Prozent der weiblichen Nerze ein stereotypes Verhalten aufweisen. Das sind starre, sich wiederholende Bewegungsabläufe ohne biologischen Sinn, wie zum Beispiel ständiges Hin- und Herlaufen. Weitere Verhaltensstörungen sind das Saugen und Beißen am Schwanz und am Fell, was bis zur Selbstverstümmelung führen kann. Bei 18 bis 45 Prozent der Füchse in Gefangenschaft treten Fehlgeburten auf, sowie ein ausgeprägtes Angstverhalten gegenüber dem Menschen und Kindsmord.

    Einmal im Jahr – im Mai – bekommen Nerze Junge. Durchschnittlich vier bis fünf. Zwischen Oktober und Januar werden die Nerze, die aus der Zucht genommen werden, "gepelzt", wie die Pelztierzüchter sagen. Um das Fell unversehrt zu lassen, werden sie vergast. Alfons Grosser, Präsident des Zentralverbandes Deutscher Pelztierzüchter, erklärt das übliche Tötungsverfahren bei Nerzen:

    Und zwar werden sie mit Kohlenmonoxyd getötet und durch das Einatmen dieses Gases gehen sie übergangslos vom Leben zum Tod. Das wird direkt hier gemacht, der Ausdruck Gas oder Inhalationstötung ist natürlich bei uns in der Bundesrepublik Deutschland schwer belastet, aber es ist nachweislich die humanste Tötungsart für die Pelztiere, also wir nehmen sie auf die Hand, dann werden sie in diesen Kasten geführt, in diesen sogenannten Tötungskasten, verbleiben sie suchend, aber nicht nervös, vielleicht 15 Sekunden und dann schlafen sie ein. Wie bei einer Narkose und sie wachen nicht mehr auf.

    Füchse werden in der Regel durch Elektroschock oder eine Gift-Injektion getötet. Nach einem kurzen und tristen Leben.

    Einheitliche Richtlinien für die Haltung von Pelztieren in Europa gibt es bislang nicht. Insgesamt findet jedoch in ganz Europa eine positive Entwicklung zugunsten des Pelztierschutzes statt, sagt David Wilkins:

    In Österreich haben einige Landesregierungen Haltungsbedingungen für Pelztiere in Farmen festgelegt, die für Farmer absolut unwirtschaftlich sind. Auch in Italien sind neue Auflagen eingeführt worden, die aber erst in einigen Jahren in Kraft treten. Dort müssen Nerzzüchter zukünftig einen Wasserlauf in den Käfigen einbauen, in dem die Nerze schwimmen können, auch das ist aufgrund zu hoher Investitionen für die Farmer wirtschaftlich unakzeptabel. In Großbritannien ist die kommerzielle Pelztierhaltung ab Januar 2003 verboten. Zur Zeit gibt es dort noch drei Nerzfarmen, aber sie werden in Kürze verschwinden. In Holland sind Fuchs- und Chinchillafarmen verboten. Ein Verbot der Nerzfarmen ist in Vorbereitung.

    In Deutschland haben einige Bundesländer eigene für sich geltende Bestimmungen geschaffen. Vorreiter ist Hessen: 1996 wurden dort per Erlass strenge Auflagen für die Haltung von Pelztieren beschlossen. Die Forderung: Schrittweise sollte bis zum Jahr 2000 das Mindestplatzangebot für Nerze auf 6 Quadratmeter pro Nerzpaar erhöht werden. Die Folge: Zwei von drei hessischen Pelztierfarmen haben zugemacht. Der bayerische Landtag hat im Oktober 1997 die gleichen Vorgaben wie Hessen beschlossen.

    Doch letztendlich tragen die Verbraucher die größte Verantwortung für den Schutz der Pelztiere. Wenn sie keine Pelze mehr kaufen, hat sich die Pelztierzucht von allein erledigt.