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PEN America World Voices Festival
Mit Literatur gegen Hass und Ausgrenzung

"Gender and Power": Das war der Schwerpunkt des 13. internationalen Literaturfestival des amerikanischen PEN-Schriftstellerverbandes. Festgelegt wurde dieser bereits vor den US-Wahlen im November. Und so ist es kein Wunder, dass Diskussionen um die Politik von Donald Trump das Literaturfestival mehr bestimmten als Geschlechterfragen.

Von Max Boehnel | 06.05.2017
    Andi Miller zeigt am 05.02.2017 während einer Demonstration gegen Präsident Trumps Einreisepolitik in Lynchburg (Virginia/USA) seine Handfläche, auf der «#No Ban No Wall» geschrieben steht. Foto: Jay Westcott/The News & Advance/dpa |
    Über Macht- und Geschlechterverhältnisse diskutierten in New York rund 150 Autoren, darunter zwei Dutzend aus dem Ausland (The News & Advance)
    Wie damals schon, 2005 nach der Gründung des Festivals infolge von 911, sei wieder eine Zeit des Nationalismus und Isolationismus angebrochen, heißt es im Veranstaltungsprogramm. Der ehemalige Präsident des PEN-Schriftstellerverbandes Salman Rushdie griff auf der Eröffnungsveranstaltung das naheliegende Ziel, die Trump-Regierung, heraus und nahm kein Blatt vor den Mund:
    "Von ganz oben werden Kunst und Kultur attackiert. Es wird gedroht, sie finanziell auszutrocknen. Dazu erfolgen Angriffe auf den Journalismus und auf die Wahrheit – auf das Objektive. Es handelt sich um die schamloseste und elitärste Regierung in der Geschichte der USA.
    Es ist eine Zeit der Krise. Wenn die Vorstellung von einem offenen, toleranten und zivilisierten Amerika so unter Beschuss steht, dann liegt es an uns, an den Autoren, den Verlegern, den Buchläden, den Lesern und Leserinnen und den Bürgern. Wir müssen die Wächter der Kultur sein."
    Einvernehmen über die Ablehnung Trumps
    150 Autoren, darunter zwei Dutzend aus dem Ausland, widmeten sich in Lesungen und Diskussionsveranstaltungen den Macht- und Geschlechterverhältnissen. Über die Ablehnung Trumps herrschte Einvernehmen. Kontroversen blieben aus. Die aus Nigeria stammende Feministin Chimamanda Adichie, die dieses Jahr in die amerikanische Kunst- und Wissenschaftsakademie gewählt wurde, ließ es sich nicht nehmen, den Amerikanern ins Gewissen zu reden. Die amerikanische Demokratie stehe zum ersten Mal vor einer schweren Bewährungsprobe, sagte sie und warnte vor dem Wegschauen.
    "Mir fällt diese Eile auf, die positiven Seiten oder hinter Trumps Tiraden eine Strategie oder einen Plan sehen zu wollen. Dahinter steht meiner Meinung nach dieses unbedingte amerikanische Bedürfnis nach Bequemlichkeit. Es ist verbunden mit dem Optimismus, der ja eigentlich zu bewundern ist. Aber gegenüber dieser gefährlichen Regierung ist er naiv und irregeleitet. "
    Neue Kreativität unter dem Eindruck Trumps
    Fern von jeglichem Optimismus hat sich in den USA gleichwohl ein Literaturgenre namens Weird Fiction etabliert, das zwischen Horror- und Science Fiction angesiedelt ist. Gleich zwei Veranstaltungen widmeten sich den Dystopien, die die Autoren in ihren Werken entwickeln. Einer ihrer erfolgreichsten Vertreter ist der 49-jährige Jeff Vandermeer aus Pennsylvania. Schriftsteller müssten sich grundlegend mit der neuen politischen und sozialen Wirklichkeit der Trump-Ära auseinandersetzen, noch bevor sie sich an den Schreibtisch setzen, meint er.
    "Dystopische Romane sind meiner Ansicht nach von Haus aus politisch. Wenn man zum Beispiel einen solchen Roman einem Flüchtling aus Syrien zum Lesen gibt, dann sagt der wahrscheinlich, oh, das klingt ja gar nicht schlecht. In dem Fall bedeutet das, dass der Autor kläglich gescheitert ist, weil er von der real existierenden Dystopie keine Ahnung hat. Trump hat unsere Partywelt zerstört. In gewisser Weise leben wir inzwischen in einer Dystopie."
    Altgewohnte Bahnen verlassen, um zu überleben
    Auch eine weitere Form der künstlerischen Realitätsbewältigung, die Satire, müsse, um zu überleben, ihre Wahrnehmung schärfen und alt gewohnte Bahnen verlassen, meint Vandermeer.
    "Trump will, dass wir in seinem verrückten Zirkus mitmachen. Dabei kann die herkömmliche Satire mit der Wirklichkeit nicht mithalten. Trump zwingt uns zu schärferer Sprachgenauigkeit und größerer Komplexität."
    Für so drastisch halten Satiriker das Problem nicht. Die Ära Trump strotze nur so von Widersprüchen und sei mit einem riesigen Steinbruch vergleichbar, aus dem sich die Comedy-Autoren frei bedienen könnten. Das sagt beispielsweise die Autorin Ashley Black. Sie schreibt für die TV-Satiresendung "Full Frontal" der Komikerin Samantha Bee.
    "Comedy und Satire können eine unglaubliche Wirksamkeit entfalten, wenn sie den Zuschauer mit neuen Informationen versorgen. Wir haben viele Fans in Republikanerhochburgen. Unsere Show ist für sie oft Informationsquelle und auch Hoffnungsschimmer in einer ultrakonservativen Umgebung."