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Per Elektro-Katapult ins All

Raumfahrt. - Raketenstarts sind ein teurer Spaß, doch bislang ohne billigere Alternative. Zumindest für den Start kleiner Satelliten könnte es sich aber lohnen, andere Optionen in Erwägung zu ziehen - wie etwa Beispiel den Start mit elektrischen Katapulten.

Von Ralf Krauter |
    Die meisten Raketen sind Einwegprodukte. Nachdem sie ihre Nutzlast ins All getragen haben, verglühen die kostspieligen Motoren in der Atmosphäre. Eine ziemliche Verschwendung, vor allem bei kleinen Satelliten. Denn je geringer das Gewicht, desto mehr schlagen die Fixkosten beim Start zu Buche.

    "Diese großen Raketen können natürlich große Satelliten auf Erdumlaufbahnen bringen. Wenn man jetzt kleine Satelliten hat, und das kommt ja mehr und mehr, die Elektronik wird ja immer kleiner und man hat alles miniaturisiert, dann lohnt es sich nicht mehr, so eine große Rakete ins All zu schicken, mit nur ein oder zwei Kilo Nutzlast. Also sucht man etwas anderes."

    Die Physikerin Pascale Lehmann arbeitet am deutsch-französischen Militärforschungsinstitut ISL in Saint-Louis, in der Nähe von Basel. Im Auftrag des Raumfahrtkonzerns EADS hat sie sich mit zivilen Anwendungen einer Technologie beschäftigt, an der in Militärlabors weltweit geforscht wird: Den so genannten Schienenbeschleunigern, auf englisch "railguns". Das sind elektrische Katapulte, die Starkstromimpulse verwenden, um Projektile auf ein Vielfaches der Schallgeschwindigkeit zu beschleunigen. Visionäre Konzepte, solche Elektrokanonen zu verwenden, um Objekte ins All zu schießen, gibt es seit Jahrzehnten - nicht zuletzt auch bei der Nasa. Technologische Schwierigkeiten und die schiere Größe der nötigen Abschussvorrichtungen machten diese Pläne aber wenig realistisch. Wenn man sich auf Nutzlasten von wenigen Kilogramm beschränkt, glaubt Pascale Lehmann, wäre das Ganze aber durchaus sinnvoll und machbar.

    "Das System, das wir haben, ist im Moment sechs Meter lang und wir können ein Vier-Kilogramm-Objekt mit 500 Meter pro Sekunde verschießen mit Beschleunigungen unter 10.000 G."

    10 000 G, das ist das Zehntausendfache der Erdbeschleunigung und ein Vielfaches mehr als bei heutigen Raketenstarts. Damit die empfindliche Fracht die enormen Kräfte übersteht, muss die Satellitenelektronik so robust ausgelegt werden, wie das heute schon bei vielen Militärsatelliten üblich ist. Das Prinzip des elektrischen Katapults ist simpel. Die Nutzlast wird in einen Schlitten eingebaut, der auf zwei Strom leitenden Schienen gleitet. Rasch aufeinander folgende Starkstrompulse von einigen Millionen Ampere, die von speziellen Kondensatorbänken geliefert werden, erzeugen ein enormes Magnetfeld, das den Schlitten auf den Schienen vor sich her treibt - und zwar schneller als jeder chemische Treibsatz. Den Berechnungen der französischen Forscher zufolge, müssten sie ihre Apparatur um zwei- bis dreihundert Meter verlängern, um Endgeschwindigkeiten zu erzielen, mit denen sich Kleinsatelliten in die Umlaufbahn schießen lassen. Um die Praxistauglichkeit ihrer Elektroschleuder zu demonstrieren, wollen sie aber erst einmal kleinere Brötchen backen. Gemeinsam mit EADS planen sie den Bau eines 22 Meter langen Demonstrators.

    "Und den würden wir senkrecht stellen, also wie eine Rakete senkrecht und nach oben schießen. Wenn man vier Kilogramm verschießen will, kommt man so auf 100 bis 120 Kilometer Höhe. "

    Also bis an den Rand des Weltraums. Wenn alles wie geplant funktioniert, könnte der Katapultstart für Kleinsatelliten eine Alternative zu den heutigen Raketen werden – das belegen die Konzeptstudien, sagt Jörg Behrens, der zuständige Projektleiter bei EADS.

    "Und deswegen ist natürlich so ein System mit einer elektromagnetic railgun sehr spannend, weil wir das gesamte Antriebssystem am Boden sitzen haben. Und die Teile, die verloren gehen, das ist nur dieses Hyperschallprojektil und so ein paar Unterstützungsstrukturen. Und somit können wir natürlich auch mit konventionellen Raketensystemen extrem gut in Wettbewerb treten. Und da erhoffen wir uns auch, dass wir sehr günstig Satelliten oder andere Nutzlasten in den Weltraum schießen können."

    Um den Luftwiderstand und damit die thermische Belastung der Satellitenfähren gering zu halten, müsste die Startrampe des Elektrokatapults möglichst hoch liegen, etwa in einer der Hochebenen Südamerikas. Aber noch steht die Finanzierung der hochfliegenden Pläne in den Sternen. Die Technologie gilt als exotisch. Das macht es schwer, bei der Esa und anderen Geldgebern Fördermittel zu bekommen.