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Per Kran zum Mars

Raumfahrt. - Eine lange Reise geht in diesen Stunden zu Ende. Ein Dreivierteljahr war die aktuelle Marsmission der Nasa unterwegs, am Montag soll das neue Mars-Fahrzeug "Curiosity" auf dem Marsboden aufsetzen. Doch wie bekommt man ein 1000 Kilo schweres Fahrzeug von den Dimensionen eins Mini Coopers heil abgesetzt? Mit einem komplizierten Landesystem.

Von Guido Meyer | 03.08.2012
    Fast auf den Tag genau vor 36 Jahren: großer Jubel bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Am 20. Juli 1976 landete die US-Raumsonde Viking 1 auf dem Mars. Dieses Glücksgefühl würden die verantwortlichen Ingenieure und Wissenschaftler am Montagmorgen gerne noch einmal erleben. Denn dann soll erstmals seit den 70er-Jahren wieder eine Sonde im "Viking-Prinzip" auf dem Mars landen – das heißt: mit Raketenmotoren als Bremstriebwerken.

    "Diesmal wird unser Landepaket nicht wieder wie ein Flummi, von Airbags umhüllt, über die Mars-Oberfläche hüpfen. Stattdessen werden wir wieder so landen wie Viking 1 und 2. Der Unterschied wird sein, dass die Bremstriebwerke sich über und nicht unter der Sonde befinden. Das macht es dem Rover nach der Landung einfacher loszufahren, wenn ihn der Skycrane auf dem Boden abgesetzt hat."

    Doug McCuistion, der Direktor des Nasa-Mars-Programm am Hauptsitz der Behörde in Washington, D.C. Skycrane und Bremstriebwerke sind die beiden letzten Elemente dieses Landeverfahrens. Zunächst einmal muss der noch verpackte Rover den Eintritt in die Mars-Atmosphäre überstehen, ohne zu verglühen. Gelingt dies, kann sich in etwa elf Kilometer Höhe der größte je gebaute Überschall-Fallschirm aufspannen.

    "Die Abfolge aus Eintritt in die Atmosphäre, Abstieg und Landung ist wie Domino-Spielen. Das Absprengen des Antriebs- und Versorgungssegments etwa zehn Minuten vor dem Eintritt in die Mars-Atmosphäre entspricht dem ersten Domino-Stein, der fallen muss. Und danach müssen auch alle weiteren automatisch umkippen. Gelingt dies auch nur bei einem einzigen nicht, dürfte das Mars Science Laboratory wesentlich härter auf den Mars-Boden treffen, als es uns lieb wäre."

    Etwa einen Kilometer über der Oberfläche dann kommt der "Himmelskran", der Skycrane zum Einsatz. An einem 20 Meter langen Kabel wird der eigentliche Rover Curiosity vom Rest der Sonde senkrecht nach unten herabgelassen. Gleichzeitig zünden am oberen Teil der Sonde die Bremsraketen, um das Tempo des Abstiegs der gesamten Apparatur zu verlangsamen. Die räumliche Trennung von Bremsraketen und Rover soll verhindern, dass Staub vom roten Mars-Boden aufwirbelt, der die empfindlichen Sensoren von Curiosity schädigen könnte. Haben seine Räder Bodenkontakt, sprengen Zünder die Nabelschnur zur Sonde ab. Mit ihrem restlichen Treibstoff fliegt sie in hohem Bogen weg und zerschellt irgendwo auf dem Mars.

    "Der Grund für dieses Szenario ist die Größe des Rovers. Wenn wir ihn oben auf die Landekapsel setzen, wie wir es bislang immer gemacht haben, bekommen wir ihn nach der Landung dort nicht heil herunter. Also wird er unten an der Landeeinheit hängen. Seine Räder nutzen wir gleichzeitig als Landegestell, um auf dem Mars aufzusetzen."

    Pete Theisinger, der Projekt-Manager für das Mars Science Laboratory. MSL ist die größte bislang gebaute Mars-Sonde. Sie wiegt eine Tonne und erreicht die Ausmaße eines Mini-Coopers. Bei einer hüpfenden Landung mit Airbags würde den Nasa-Technikern die komplizierte Apparatur um die Ohren und auseinanderfliegen. Doug McCuistion:

    "Ob das verrückt ist? Nein, eigentlich nicht, wenn man das System erst einmal durchschaut hat. Ist es riskant? Ja, auf dem Mars zu landen, ist immer riskant. Es gibt Hunderte von Dingen, die schiefgehen können, vom Absprengen der Versorgungsstufe bis zum Entfalten des Fallschirms. Jeder dieser Schritte könnte Probleme verursachen."

    Die Landestelle im Gale-Krater wird am Montagmorgen von der Erde aus zunächst nicht einsehbar sein. Die von einer nach unten gerichteten Landekamera aufgenommenen Fotos des Abstiegs werden zunächst an die Sonde Mars Odyssey in der Mars-Umlaufbahn geschickt. Es heißt also eine Viertelstunde lang: banges Warten, bevor Gewissheit besteht, ob die Landung geglückt oder auf dem Mars ein weiterer, menschengemachter Krater entstanden ist. Doug McCuistion:

    "Die Bilanz Erde gegen Mars sieht nur zu etwa vierzig Prozent günstig für uns aus, wenn es um erfolgreiche Landungen geht. Meistens gewinnt Mars. Es wird nicht einfach werden."