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Per Mausklick in die Fabelwelt

Mehr als 41 Millionen Computer- und Videospiele haben die Deutschen im vergangenen Jahr gekauft. Die Branche wird vor allem von amerikanischen und japanischen Konzernen dominiert. Eine deutsche Firma kann aber mithalten: Das mittelständische Unternehmen Ascaron aus Gütersloh ist die Nummer eins unter den deutschen PC-Spiel-Produzenten.

Von Felix Buschbaum und Manfred Kloiber | 25.08.2006
    Es geht um Dämonen und Vampire, um Magier und Elfen und um Zauberei. Das Computerspiel "Sacred" entführt den Spieler in eine mysteriöse Fabelwelt, in der er in die Rolle eines selbst erstellten Helden schlüpfen kann und verschiedene Abenteuer zu bestehen hat. Ein typisches Fantasy-Rollenspiel für den PC - einem auch bei Spielern jenseits der 30 sehr beliebten Genre.

    Mit "Sacred" landete die Gütersloher Computerspiele-Firma Ascaron einen echten Kassenknüller. Denn mit einer Auflage von über 1,6 Millionen Stück gehört es zu den erfolgreichsten deutschen Titeln. Action- und Rollenspiele gehören zum Repertoire von Ascaron, genauso wie der unvermeidliche Fußballtitel. Hans-Arno Wegner ist Art-Director bei Ascaron und weiß, was ein Computerspiel ausmacht.

    "Um ein Spiel zu haben, muss ich klar wissen, was muss ich tun. Ich muss die Welt verstehen, in dem das ganze da ist. Damit ich weiß, ob meine Entscheidungen richtig oder falsch sind – ich muss sie bewerten können. Und ich muss Feedback haben, was auch belohnen ist. Das heißt, ich muss das Gefühl haben, ich komme voran, ich habe etwas erlebt, ich habe ein Erfolgserlebnis. Das muss grundsätzlich erst einmal stehen. Die Grafik muss gut sein, sie muss den Spieler ansprechen, sie muss dem Spieler passen, sie muss stilgerecht sein und dem Qualitätsanspruch des Spielers entsprechen."

    Ob ein Computerspiel ein Ladenhüter oder ein Festplattenstürmer wird – das ist noch von vielen weiteren Faktoren abhängig. Natürlich müssen Idee und Spielhandlung stimmen. Noch wichtiger jedoch sind die Gestaltung der Charaktere und die Animation, also wie die Spielfiguren erscheinen, wie sie sich bewegen und wie sie vom Spieler in Szene gesetzt werden können.

    Die vielen Interaktionsmöglichkeiten und die zahlreichen Varianten, in denen ein Spiel verlaufen kann, machen die Entwicklung so aufwändig. Denn jede Option, jeder mögliche Spielzug muss vorher programmiert werden.

    Zwei bis drei Jahre dauert es im Schnitt, bis ein Computerspiel fertiggestellt ist. Teams mit rund 40 Köpfen denken über Handlung, Charaktere, Musik oder Grafik nach. Bei Ascaron selbst wird in der Spieleentwicklung vor allem gecodet, wie die Insider die computertechnische Umsetzung nennen. Das ist die Kernkompetenz der rund 90 Mitarbeiter. Darüber hinaus sind viele externe Dienstleister beteiligt, wie Gründer und Geschäftsführer Holger Flöttmann erklärt:

    "Hier findet die so genannte Kernentwicklung statt. Wir arbeiten sehr wohl mit sehr vielen Dienstleistern zusammen, die insbesondere grafische Inhalte, spezialisiert für Animationen, für Charakterdesign und ähnliches liefern - allerdings unser Bezug in der Hauptsache sind deutsche Anbieter, kommen aus dem Ruhrgebiet, kommen aus Hamburg, kommen aus Berlin - und es vereinfacht deutlich die Kommunikation. Bis dato ist unsere Hauptbezugsquelle tatsächlich der deutsche Markt."

    Ein aufwändiges Miteinander von freien Autoren, Designern oder Musikern mit den Programmierern, Grafikexperten und Entwicklern im Unternehmen bestimmt also den Produktionsablauf eines Computerspiels. In den zwei bis drei Entwicklungsjahren kommen so bei Ascaron drei bis fünf Millionen Euro Kosten für einen einzigen Titel zusammen, weshalb auch Flöttmann darüber nachdenkt, Teile der Auftragsarbeiten zum Beispiel ins deutlich preisgünstigere Ungarn zu vergeben.

    Und noch ein Problem macht den Spielentwicklern Druck. Seit der Gründung vor 15 Jahren entwickelt Ascaron überwiegend Spiele, die auf dem PC laufen. Doch immer mehr Spieler legen sich eine sogenannte Spielkonsole zu. Um Spiele auch für diese Konsolen anbieten zu können, müssen nicht nur teure Entwicklungswerkzeuge beschafft werden. Ein Unternehmen wie Ascaron benötig auch eine Lizenz des Konsolenherstellers.
    50 Euro kostet ein gängiger Computerspiele-Titel. Heiko tom Felde, der Publishing Director, erklärt, was am Schluß bei den Güterslohern Spiele-Entwicklern hängen bleibt:

    "In erster Linie sind es 16 Prozent, die für unser Gemeinwesen anfallen, noch, demnächst haben wir 19, dann ist es einfacher, indem man auf 20 aufrundet. Nach diesen 20 Prozent gibt es zirka 25 Prozent Handelsmarge, die dann noch verfeinert wird durch weiter 10 bis 20 Prozent Nachlaufkonditionen. Danach kommt man zum Netto-Netto-Preis des Auslieferers, der nimmt auch gerne 20-30 Prozent. Und danach ist dann der Entwickler anzutreffen oder der Publisher. Ist es ein Publisher, dann können Sie davon noch mal 50 Prozent abziehen. Und der Rest ist das, was der Entwickler dann bekommt. In diesem Fall zehn bis zwölf Euro."

    Diese Rechnung funktioniert allerdings nur in den ersten sechs bis neun Monaten nach Erscheinen des Spiels. Danach purzeln die Preise, bis ein Titel nach rund zwei Jahren bereits reif für den Grabbeltisch ist. Doch selbst mit den minimalen Erlösen aus der Spätvermarktung muss Ascaron rechnen. Alles in allem will das Unternehmen in diesem Jahr einen zweistelligen Millionenumsatz erreichen. Um den Ertrag zu steigern, denkt auch Holger Flöttman verstärkt über Quer- und Seitenmarketing nach – zum Beispiel durch Rechteverkauf.

    "Zum einen haben wir als Referenz bei "Sacred" durchaus Seitenvermarktungen gemacht. Wir haben den Namen "Sacred" für Handygames lizenziert, weil das ein durchaus anderer Markt mit auch anderen Zielgruppen ist. Darüber hinaus haben wir auch zum Beispiel die Buchrechte verkauft und in Zusammenarbeit mit einem Verlag auch sehr große Erfolge gefeiert. Für "Sacred" gibt es zwei Bücher am Markt, die sich halten und sich auch sehr gut verkaufen. Und das wird sich ausweiten."