Die Dichtung von Ted Hughes war immer eine Dichtung ganz nahe der Natur und ganz fern aller Romantisiererei: stoisch fast in ihrem Todesbewußsein, im Bewußtsein der evolutionären Zyklen des Werdens und Vergehens, kalt die Rolle und den Platz des Menschen dabei im Blick haltend.
"The Hawk in the Rain", Der Falcke im Regen hieß Hughes erster Gedichtband von 1957. Schon darin tauchten die für ihn so typischen Tiere Wolf, Fuchs, Jaguar und Tiger auf, Einbrüche des Unbezähmbar-Animalischen in die um den Preis der Muffigkeit abgesicherte Zivilisation. Das ging nicht immer ohne Pathos ab wie etwa im Anfang des Gedichts "Hawk Roosting".
"I sit in the top of the wood, my eyes closed. Inaction, no falsifying dream Between my hooked head and hooked feet: Or in sleep rehearse perfect kills and eat."
Perfektes Töten und Fressen: das war für Ted Hughes Natur. In Deutschland kannte man ihn lange nur als Mann von Sylvia Plath. Die von den Dämonen ihrer Kindheit besessene Amerikanerin Plath und der Schamane mit Wurzeln im halbmythischen Königreich von Elmet: sie waren zum Traumpaar der angelsächsischen Literatur ausersehen.
Es kam anders. Am 11. Februar 1963 steckte Sylvia Plath in ihrer Londoner Wohnung den Kopf in den Herd und drehte das Gas auf. Hughes hatte die 30jährige und ihre beiden gemeinsamen Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen, lebte mit der Dichterin Assia Wevill zusammen, die sich fünf Jahre später auf dieselbe Weise das Leben nehmen sollte.
"Sterben/ist eine Kunst, wie alles./Ich kann es besonders schön", hatte Plath in ihrem nachgelassenen Gedichtband "Ariel" geschrieben. Zeilen wie diese, hart, offen und ungeschützt, sicherten Plath ihren Rang als, wie John Updike einmal schrieb, "beste, aufregendste und maßgeblich rücksichtsloseste Dichterin ihrer Generation".
Doch daß sich Plaths Werk nun lesen ließ als Chronik eines angekündigten Todes wurde zum Fluch für das Leben und die Lyrik Ted Hughes. Die Rollenverteilung schien klar: hier der egoistische, buchstäblich über Leichen gehende Ehebrecher Hughes, dort das strahlende Genie Plath, Märtyrerin ihrer Kunst und Opfer ihres Mannes.
Ted Hughes selbst hat über seine Ehe mit Plath lange geschwiegen. Was hätte er auch sagen können? "Sylvia Plath war ein Mensch mit vielen Masken", schrieb er 1982 im Vorwort zu ihren Tagebüchern. "Obwohl ich sechs Jahre lang jeden Tag mit ihr verbrachte und kaum mehr als jeweils zwei oder drei Stunden von ihr getrennt war, habe ich nie gesehen, daß sie ihr wirkliches Selbst irgend jemandem offenbart hätte".
Dies hinderte eine stetig wachsende Industrie von Exegeten und Epigonen Sylvia Plaths nicht, Hughes für den Tod seiner Frau verantwortlich zu machen. Gipfel der Geschmacklosigkeit war ein 1971 veröffentlichtes Gedicht von Robin Morgan, in dem Hughes als Plaths Mörder dargestellt wurde.
Anfang dieses Jahres wurde bekannt, daß Hughes einen Zyklus von 88 Gedichten geschrieben hatte, der seine Beziehung zu Plath thematisierte. Die "Birthday Letters", so der Titel des Bandes, wurden sofort zu einem Bestseller. Fast durchgängig in freien Versen geschrieben, berichtete Hughes im Abstand von über 30 Jahren seine Version der sechsjährigen Ehe mit Plath, die Geschichte ihrer Liebe, ihres Lebens und Leidens mit- und aneinander. Die Sprache dieser Gedichte war schlicht. Vom ersten Anblick der Fulbright-Stipendiatin Plath auf einem Zeitungsphoto an ("Vielleicht warf ich ein Auge auf dich, doch ohne viel Hoffnung") fand Hughes einen Ton, der es erlaubte, dem Ablauf seiner Jahre mit Plath in ihrer unerbittlichen Zwangsläufigkeit nicht ohne Beklommenheit, aber nie mit Peinlichkeit zu folgen.
Die "Birthday Letters" zeigten Szenen einer Ehe: Er will ihr seine Heimat, das mythische Avalon zeigen - sie sieht nur: "England / war so arm! War die Farbe Schwarz billiger? / (...) ein Überbleibsel / von Viktorias fortdauerndem Begräbnissonntag". Unterwegs in Plaths Amerika dagegen nimmt Hughes zwar "Die allgegenwärtige Riesenblüte der Freiheit!" wahr, doch sein Blick richtet sich auf die "Badlands", Wüsteneien, wo Stimmen mit ihren Einflüsterungen lauern: "'Findet eure Seele', sagte die Stimme. / 'Findet euer wahres Ich. Hier entlang. Sucht, sucht.' In der Mitte dieses amerikanischen Irrgartens war für Hughes nichts als "Dein totes Gesicht. / Deine toten, bleichen Lippen."
Hughes' "Birthday Letters" enthielten eine klare Antwort auf die Frage: Wer war schuld am Tod von Sylvia Plath? Ihr gehaßter, ihr geliebter Vatergott und Gottvater, Otto Plath, den die Dichterin zum Motor ihres Schreibens machte: "ich war dein Ehemann / Der die Rolle deines Vaters / In unserem neuen Mythos spielte".
Eines der treffendsten Bilder für die Verwandlung von Leben in Literatur, von Plaths Schreiben dem Tod entgegen fand Hughes, als er von dem Schreibtisch aus Ulmenholz erzählte, den er seiner Frau zimmerte: "Ich wußte nicht, / Daß ich eine Tür getischlert und eingepaßt hatte, / Die sich nach unten in das Grab deines Vaters öffnete."
So gelungen diese Gedichte der "Birthday Letters" waren, der Leser folgte Ted Hughes nicht ohne Scham und gelegentlich auch Wut in diese private Hölle. Warum hat Hughes diesen intimen Band nicht postum veröffentlicht, fragte man sich. Sein Wissen um seine Krankheit gibt nun die Antwort darauf.
Ist jetzt die Zeit gekommen, den Lyriker Ted Hughes hinter dem Ehemann von Sylvia Plath zu entdecken? In seinem 1989 erschienen Band "Moortown Diary" findet sich das Gedicht "The Day He Died". Darin heißt es:
"Von heute an muß das Land Ohne ihn auskommen. Doch es zaudert in diesem mählichen Wirklichwerden des Lichts Kindhaft, allzu nackt, in einer schwachen Sonne Mit gekappten Wurzeln Und einer großen Leerstelle in seinem Gedächtnis."
Ted Hughes liest "Ravens"
hughes.ram
"The Hawk in the Rain", Der Falcke im Regen hieß Hughes erster Gedichtband von 1957. Schon darin tauchten die für ihn so typischen Tiere Wolf, Fuchs, Jaguar und Tiger auf, Einbrüche des Unbezähmbar-Animalischen in die um den Preis der Muffigkeit abgesicherte Zivilisation. Das ging nicht immer ohne Pathos ab wie etwa im Anfang des Gedichts "Hawk Roosting".
"I sit in the top of the wood, my eyes closed. Inaction, no falsifying dream Between my hooked head and hooked feet: Or in sleep rehearse perfect kills and eat."
Perfektes Töten und Fressen: das war für Ted Hughes Natur. In Deutschland kannte man ihn lange nur als Mann von Sylvia Plath. Die von den Dämonen ihrer Kindheit besessene Amerikanerin Plath und der Schamane mit Wurzeln im halbmythischen Königreich von Elmet: sie waren zum Traumpaar der angelsächsischen Literatur ausersehen.
Es kam anders. Am 11. Februar 1963 steckte Sylvia Plath in ihrer Londoner Wohnung den Kopf in den Herd und drehte das Gas auf. Hughes hatte die 30jährige und ihre beiden gemeinsamen Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen, lebte mit der Dichterin Assia Wevill zusammen, die sich fünf Jahre später auf dieselbe Weise das Leben nehmen sollte.
"Sterben/ist eine Kunst, wie alles./Ich kann es besonders schön", hatte Plath in ihrem nachgelassenen Gedichtband "Ariel" geschrieben. Zeilen wie diese, hart, offen und ungeschützt, sicherten Plath ihren Rang als, wie John Updike einmal schrieb, "beste, aufregendste und maßgeblich rücksichtsloseste Dichterin ihrer Generation".
Doch daß sich Plaths Werk nun lesen ließ als Chronik eines angekündigten Todes wurde zum Fluch für das Leben und die Lyrik Ted Hughes. Die Rollenverteilung schien klar: hier der egoistische, buchstäblich über Leichen gehende Ehebrecher Hughes, dort das strahlende Genie Plath, Märtyrerin ihrer Kunst und Opfer ihres Mannes.
Ted Hughes selbst hat über seine Ehe mit Plath lange geschwiegen. Was hätte er auch sagen können? "Sylvia Plath war ein Mensch mit vielen Masken", schrieb er 1982 im Vorwort zu ihren Tagebüchern. "Obwohl ich sechs Jahre lang jeden Tag mit ihr verbrachte und kaum mehr als jeweils zwei oder drei Stunden von ihr getrennt war, habe ich nie gesehen, daß sie ihr wirkliches Selbst irgend jemandem offenbart hätte".
Dies hinderte eine stetig wachsende Industrie von Exegeten und Epigonen Sylvia Plaths nicht, Hughes für den Tod seiner Frau verantwortlich zu machen. Gipfel der Geschmacklosigkeit war ein 1971 veröffentlichtes Gedicht von Robin Morgan, in dem Hughes als Plaths Mörder dargestellt wurde.
Anfang dieses Jahres wurde bekannt, daß Hughes einen Zyklus von 88 Gedichten geschrieben hatte, der seine Beziehung zu Plath thematisierte. Die "Birthday Letters", so der Titel des Bandes, wurden sofort zu einem Bestseller. Fast durchgängig in freien Versen geschrieben, berichtete Hughes im Abstand von über 30 Jahren seine Version der sechsjährigen Ehe mit Plath, die Geschichte ihrer Liebe, ihres Lebens und Leidens mit- und aneinander. Die Sprache dieser Gedichte war schlicht. Vom ersten Anblick der Fulbright-Stipendiatin Plath auf einem Zeitungsphoto an ("Vielleicht warf ich ein Auge auf dich, doch ohne viel Hoffnung") fand Hughes einen Ton, der es erlaubte, dem Ablauf seiner Jahre mit Plath in ihrer unerbittlichen Zwangsläufigkeit nicht ohne Beklommenheit, aber nie mit Peinlichkeit zu folgen.
Die "Birthday Letters" zeigten Szenen einer Ehe: Er will ihr seine Heimat, das mythische Avalon zeigen - sie sieht nur: "England / war so arm! War die Farbe Schwarz billiger? / (...) ein Überbleibsel / von Viktorias fortdauerndem Begräbnissonntag". Unterwegs in Plaths Amerika dagegen nimmt Hughes zwar "Die allgegenwärtige Riesenblüte der Freiheit!" wahr, doch sein Blick richtet sich auf die "Badlands", Wüsteneien, wo Stimmen mit ihren Einflüsterungen lauern: "'Findet eure Seele', sagte die Stimme. / 'Findet euer wahres Ich. Hier entlang. Sucht, sucht.' In der Mitte dieses amerikanischen Irrgartens war für Hughes nichts als "Dein totes Gesicht. / Deine toten, bleichen Lippen."
Hughes' "Birthday Letters" enthielten eine klare Antwort auf die Frage: Wer war schuld am Tod von Sylvia Plath? Ihr gehaßter, ihr geliebter Vatergott und Gottvater, Otto Plath, den die Dichterin zum Motor ihres Schreibens machte: "ich war dein Ehemann / Der die Rolle deines Vaters / In unserem neuen Mythos spielte".
Eines der treffendsten Bilder für die Verwandlung von Leben in Literatur, von Plaths Schreiben dem Tod entgegen fand Hughes, als er von dem Schreibtisch aus Ulmenholz erzählte, den er seiner Frau zimmerte: "Ich wußte nicht, / Daß ich eine Tür getischlert und eingepaßt hatte, / Die sich nach unten in das Grab deines Vaters öffnete."
So gelungen diese Gedichte der "Birthday Letters" waren, der Leser folgte Ted Hughes nicht ohne Scham und gelegentlich auch Wut in diese private Hölle. Warum hat Hughes diesen intimen Band nicht postum veröffentlicht, fragte man sich. Sein Wissen um seine Krankheit gibt nun die Antwort darauf.
Ist jetzt die Zeit gekommen, den Lyriker Ted Hughes hinter dem Ehemann von Sylvia Plath zu entdecken? In seinem 1989 erschienen Band "Moortown Diary" findet sich das Gedicht "The Day He Died". Darin heißt es:
"Von heute an muß das Land Ohne ihn auskommen. Doch es zaudert in diesem mählichen Wirklichwerden des Lichts Kindhaft, allzu nackt, in einer schwachen Sonne Mit gekappten Wurzeln Und einer großen Leerstelle in seinem Gedächtnis."
Ted Hughes liest "Ravens"
hughes.ram