Es gibt Orte, an denen man verstärkt mit performativen Projekten oder einem Cross-Over der künstlerischen Disziplinen rechnen kann. Ins Forum Freies Theater in Düsseldorf zum Beispiel, kurz: dem "FFT", sollte man mit offenen Erwartungen gehen. Man könnte einer Klanginstallation auf der Bühne begegnen, bekocht werden, sich wie in einem Vortrag oder Museum fühlen.
Wie eine Musealisierung des privaten Augenblicks etwa wirkt es, wenn die Darsteller aus Hofmann & Lindholms "Geschichte des Publikums" detailgetreu ihre Schreibtische auf der Bühne so aufbauen, als hätten sie kurz die Arbeit am Projekt verlassen. Sie dokumentieren, ohne dass man den Wahrheitsgehalt wirklich nachprüfen könnte, wie sie Öffentliches nachgeahmt und dann das Private in die Öffentlichkeit eingebracht haben: Sie leihen ein Buch aus der Bibliothek, kaufen zusätzlich ein anderes Exemplar und geben ein inklusive Geruch nachgeahmtes Buch wieder ab, sie tauschen die Blumen eines öffentlichen Beetes gegen Selbstgekaufte aus oder den Kunstdruck im Arbeitsamt gegen den gleichen privaten, mit dem persönliche Erinnerungen zusammenhängen.
Die Darsteller sind authentisch und wurden gecastet. Ihre Lebensgeschichte bringen sie aber nicht in dem Maße wie beispielsweise bei Rimini Protokoll auf die Bühne. Es sind "Komplizen", wie Sven Lindholm sie nennt, die den Ansatz des Duos Hofmann & Lindholm verwirklichen helfen, "Gebrauchsanweisungen zum Einschreiten im Alltag ans Publikum weiterzugeben". Das Private ins Öffentliche einzuschmuggeln bezieht sich nicht nur auf Materielles, sondern auch auf Dienstleistungen: Man führt Kundenberatung im Supermarkt durch oder zeigt "vorauseilenden Gehorsam" und mäht öffentliche Grünflächen. Die Akteure berichten einem Publikum, wie sie sich im Kleinen und heimlich die Öffentlichkeit wieder aneignen. Und sie "spielen Publikum" nach Partitur, und zwar auf der Bühne; ein "Publikum" als solches entdeckt das Handeln neu – kein Mitmachtheater, sondern ein Spielen mit Erwartungshaltungen – intelligent poetisch, nicht agitatorisch. Man hat einen irrsinnigen Spaß daran, die Ebenen aufeinander zu beziehen. Und geht noch eine Weile mit anderem Blick durch die Straßen.
So ganz und gar nicht ums "Kleine", sondern den Krieg geht es in "Achill in Modern Wars" von Frank Raddatz – neben dem des Schauspiels auch mit den Ausdrucksmitteln Tanz und Film. Die Produktion ist sehr lange sehr schwerer Stoff: Das Schicksal eines modernen Soldaten, der kaum vorstellbare Grauen erzählt, wird nach dem Buch eines amerikanischen Psychiaters parallel gesetzt zur Geschichte Achills im trojanischen Krieg.
"”Ja, da staunte der Trojaner Priamos über Achilleus,
Wie groß und wie schön er war.
Den Göttern glich er von Angesicht.
Aber über den Trojaner Priamos staunte Achilleus,
Als er sah sein edles Gesicht und seine Rede hörte.""
Bei Homer respektieren sich Priamos und Achill, finden letztlich Frieden und können menschlich handeln. Der Krieger der Gegenwart lernt nur im Nachhinein mit Hilfe einer Therapeutin, den Feind als Menschen zu sehen und zu respektieren – wobei deren Darstellerin spielt und tanzt, auch den Nachtmahr auf seiner Brust verkörpert.
Dann aber wechseln die Stimmungen plötzlich sehr schnell, fürs Verständnis wird es vielleicht auch zu schnell zu lustig, grotesk, ironisch – letztendlich bleiben, in der Gegenwart, Hass und Akzeptanz seltsam nebeneinander bestehen.
Eine Performance im alten Sinne ist "Der Tod in Rom" nach Wolfgang Koeppens Roman unter der Regie von Jacob Wren. Hier steht eine Klanginstallation auf der Bühne, die sogar "mitspielt" für ein Konzert der neuen Musik, bei dem sich in Koeppens Roman alle treffen: der alte Nazi und die ehemaligen Verfolgten, die Söhne, die nach Abgrenzung suchen, und die Karrieristen aus der alten Garde.
Manches ist sinnlich – wenn auf der Bühne beim Kochen die Gerüche durch den Raum ziehen, manches wirkt überdeutlich, wie das Auf- und Abbauen der Gläserpyramiden, das für "Nachkriegszeit" steht, manches dagegen erschließt sich kaum, wenn das naive Barmädchen seinen Namen auf Brotscheiben stickt. Man wohnt einem überwiegend eintönigem Textaufsagen bei, und im Gegensatz zur treibenden Sprache des Romanswirkt das über weite Strecken seltsam entspannt. Mag sein, dass das mehr Nähe zum Publikum bewirken oder aber Machtlosigkeit darstellen soll – man gerät aber über weite Strecken auch in eine Trance, aus der sich dann auch keine Fallhöhe mehr ergibt.
Fazit: Im FFT wird man mit seinen zu starren Erwartungen konfrontiert. Das kann Enttäuschungen einschließen. Aber auch Ent-Täuschungen, einen positiven Vorher-Nachher-Effekt. Und das ist doch das, worauf man hofft. Als Publikum.
Wie eine Musealisierung des privaten Augenblicks etwa wirkt es, wenn die Darsteller aus Hofmann & Lindholms "Geschichte des Publikums" detailgetreu ihre Schreibtische auf der Bühne so aufbauen, als hätten sie kurz die Arbeit am Projekt verlassen. Sie dokumentieren, ohne dass man den Wahrheitsgehalt wirklich nachprüfen könnte, wie sie Öffentliches nachgeahmt und dann das Private in die Öffentlichkeit eingebracht haben: Sie leihen ein Buch aus der Bibliothek, kaufen zusätzlich ein anderes Exemplar und geben ein inklusive Geruch nachgeahmtes Buch wieder ab, sie tauschen die Blumen eines öffentlichen Beetes gegen Selbstgekaufte aus oder den Kunstdruck im Arbeitsamt gegen den gleichen privaten, mit dem persönliche Erinnerungen zusammenhängen.
Die Darsteller sind authentisch und wurden gecastet. Ihre Lebensgeschichte bringen sie aber nicht in dem Maße wie beispielsweise bei Rimini Protokoll auf die Bühne. Es sind "Komplizen", wie Sven Lindholm sie nennt, die den Ansatz des Duos Hofmann & Lindholm verwirklichen helfen, "Gebrauchsanweisungen zum Einschreiten im Alltag ans Publikum weiterzugeben". Das Private ins Öffentliche einzuschmuggeln bezieht sich nicht nur auf Materielles, sondern auch auf Dienstleistungen: Man führt Kundenberatung im Supermarkt durch oder zeigt "vorauseilenden Gehorsam" und mäht öffentliche Grünflächen. Die Akteure berichten einem Publikum, wie sie sich im Kleinen und heimlich die Öffentlichkeit wieder aneignen. Und sie "spielen Publikum" nach Partitur, und zwar auf der Bühne; ein "Publikum" als solches entdeckt das Handeln neu – kein Mitmachtheater, sondern ein Spielen mit Erwartungshaltungen – intelligent poetisch, nicht agitatorisch. Man hat einen irrsinnigen Spaß daran, die Ebenen aufeinander zu beziehen. Und geht noch eine Weile mit anderem Blick durch die Straßen.
So ganz und gar nicht ums "Kleine", sondern den Krieg geht es in "Achill in Modern Wars" von Frank Raddatz – neben dem des Schauspiels auch mit den Ausdrucksmitteln Tanz und Film. Die Produktion ist sehr lange sehr schwerer Stoff: Das Schicksal eines modernen Soldaten, der kaum vorstellbare Grauen erzählt, wird nach dem Buch eines amerikanischen Psychiaters parallel gesetzt zur Geschichte Achills im trojanischen Krieg.
"”Ja, da staunte der Trojaner Priamos über Achilleus,
Wie groß und wie schön er war.
Den Göttern glich er von Angesicht.
Aber über den Trojaner Priamos staunte Achilleus,
Als er sah sein edles Gesicht und seine Rede hörte.""
Bei Homer respektieren sich Priamos und Achill, finden letztlich Frieden und können menschlich handeln. Der Krieger der Gegenwart lernt nur im Nachhinein mit Hilfe einer Therapeutin, den Feind als Menschen zu sehen und zu respektieren – wobei deren Darstellerin spielt und tanzt, auch den Nachtmahr auf seiner Brust verkörpert.
Dann aber wechseln die Stimmungen plötzlich sehr schnell, fürs Verständnis wird es vielleicht auch zu schnell zu lustig, grotesk, ironisch – letztendlich bleiben, in der Gegenwart, Hass und Akzeptanz seltsam nebeneinander bestehen.
Eine Performance im alten Sinne ist "Der Tod in Rom" nach Wolfgang Koeppens Roman unter der Regie von Jacob Wren. Hier steht eine Klanginstallation auf der Bühne, die sogar "mitspielt" für ein Konzert der neuen Musik, bei dem sich in Koeppens Roman alle treffen: der alte Nazi und die ehemaligen Verfolgten, die Söhne, die nach Abgrenzung suchen, und die Karrieristen aus der alten Garde.
Manches ist sinnlich – wenn auf der Bühne beim Kochen die Gerüche durch den Raum ziehen, manches wirkt überdeutlich, wie das Auf- und Abbauen der Gläserpyramiden, das für "Nachkriegszeit" steht, manches dagegen erschließt sich kaum, wenn das naive Barmädchen seinen Namen auf Brotscheiben stickt. Man wohnt einem überwiegend eintönigem Textaufsagen bei, und im Gegensatz zur treibenden Sprache des Romanswirkt das über weite Strecken seltsam entspannt. Mag sein, dass das mehr Nähe zum Publikum bewirken oder aber Machtlosigkeit darstellen soll – man gerät aber über weite Strecken auch in eine Trance, aus der sich dann auch keine Fallhöhe mehr ergibt.
Fazit: Im FFT wird man mit seinen zu starren Erwartungen konfrontiert. Das kann Enttäuschungen einschließen. Aber auch Ent-Täuschungen, einen positiven Vorher-Nachher-Effekt. Und das ist doch das, worauf man hofft. Als Publikum.