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Permafrostböden
Giftiges Quecksilber wird in der Arktis freigesetzt

Im Zuge der globalen Erwärmung kann aus den Eisböden der Arktis nicht nur Kohlenstoff freigesetzt werden, sondern es können auch Schadstoffe sein, die dort eingelagert sind. Auf dieses Risiko machten kanadische Forscher bei der größten wissenschaftlichen Tagung über Permafrost in Potsdam aufmerksam.

Von Volker Mrasek |
    Die Aufnahme von 2003 zeigt einen Eisberg vor der Nordküste von Baffin Island im kanadischen Territorium Nunavut.
    Quecksilber ist ein Nervengift, das Entwicklungsstörungen verursachen kann und steckt auch in Permafrostböden der Arktis. (picture-alliance / dpa / Silvia Pecota)
    Über Jahrtausende haben die Permafrostböden im hohen Norden große Mengen Kohlenstoff eingelagert, die sich jetzt - mit steigenden Temperaturen - als zusätzliche Quelle für Treibhausgase erweisen. Das ist es, was die meisten Forscher in der Arktis interessiert. In den gefrorenen Böden wurden aber auch unentwegt Schadstoffe aus der Luft deponiert. Das ist es, wofür sich eine Arbeitsgruppe der Universität von Alberta in Kanada interessiert. Zu ihr gehört auch der Geowissenschaften-Student Sasiri Bandara:
    "Wir schauen nach Quecksilber. Wenn der Permafrost taut, kann es genauso freigesetzt werden wie Kohlendioxid oder Methan. Wir möchten gerne herausfinden, welche Mengen das sein können."
    Quecksilber ist ein Nervengift, das Entwicklungsstörungen verursachen kann. Das Schwermetall kommt von Natur aus als Mineral in der Erdkruste vor - das einzige, das flüssig ist. Es gerät aber auch immer wieder in die Atmosphäre und wird weiträumig verteilt. So landet Quecksilber am Ende selbst in der Arktis. Duane Froese, Professor für Geo- und Atmosphärenwissenschaften an der Universität von Alberta:
    "Heutzutage stammt das meiste Quecksilber aus industriellen Prozessen, zum Beispiel aus der Verbrennung von Kohle. Aber es wird auch bei Vulkanausbrüchen freigesetzt und steckt in atmosphärischen Stäuben. Diese natürlichen Quellen für Quecksilber existieren schon immer und nicht erst seit Beginn des Industriezeitalters."
    Der Klimawandel setzt der Arktis zu
    Tatsächlich gehen die Forscher davon aus, dass die Permafrostböden der Arktis schon seit Tausenden Jahren Quecksilber anhäufen. Und dass das Schwermetall dort immer sicher deponiert war wie in einem Safe. Denn die Eisböden waren ja dauerhaft gefroren. Umweltbakterien, die in der Lage sind, Quecksilber umzusetzen, hatten nie Zugang zu dieser Tiefkühlkammer. Jetzt aber setzt der Klimawandel der Arktis zu. Weil es wärmer wird, tauen die Böden immer tiefer auf. Der eisige Safe - er öffnet sich:
    "Sobald das Quecksilber in Gewässer gelangt, kann daraus Methyl-Quecksilber entstehen. In dieser chemischen Form reichert es sich in Lebewesen an und schließlich in der gesamten Nahrungskette bis hin zu Fischen. Wobei die Konzentrationen immer mehr zunehmen."
    Yukon - das ist das kanadische Territorium, in dem die Arbeitsgruppe von Duane Froese kürzlich mit ersten Quecksilber-Messungen begonnen hat. Der Landstrich grenzt direkt an Alaska. Er ist unwirtlich, aber durchaus besiedelt. Indigene Bevölkerungsgruppen leben dort.
    "Das ist einer der Gründe für unsere Studie: Dort oben leben Menschen noch ganz traditionell von der Jagd und vom Fischen in Seen mitten im Permafrost. Und in diese Gewässersysteme könnte Quecksilber jetzt ziemlich schlagartig gelangen. Deshalb sind wir besorgt."
    Auch in Schweden gibt es Wissenschaftler, die sich schon mit dem Problem beschäftigt haben. Demnach können Torfböden auf einer Fläche von gerade einmal 0,6 Hektar bis zu 50 Gramm Quecksilber abgeben, sobald sie auftauen und dann unter Wasser stehen:
    "In einer ausgedehnten Moor-Landschaft im Permafrost können sicher Tonnen von Quecksilber deponiert sein. Selbst wenn nur wenig davon in die Umwelt gelangt, ist das kritisch. Weil Quecksilber so ein starkes Gift ist. Leider wissen wir aber nicht genau, wie groß die eingelagerten Mengen in der Arktis sind. Auch deswegen sind wir nach Potsdam zu dieser Konferenz gereist. Um mit Fachkollegen zu sprechen und mehr Proben zu bekommen - zum Beispiel auch aus Sibirien."
    Auch dort ist das Problem offenbar geläufig. Aber man spricht nur hinter vorgehaltener Hand darüber, wie ein russischer Arktisforscher am Rande der Konferenz verriet. Von einer neuen Umweltdiskussion wolle in Russland niemand etwas wissen.