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Persönlichkeitsförderung im Studium
Nicht nur Fachwissen ist wichtig

Das Netzwerk Nord, dem mehrere Hochschulen angehören, möchte die sozialen Fähigkeiten von Studierenden stärken und ihnen Reflexionsvermögen abseits von Fachwissen mit auf den Weg geben. Wie das geschehen kann, wurde nun auf einer Tagung erörtert.

Von Ursula Storost | 31.01.2014
    Später Nachmittag in der Hamburger Bucerius Law School. In der sogenannten Cafe Launch hocken Studierende zwischen Kaffee, Tee, Laptops, Skripts und juristischen Fachbegriffen.
    "Natürlich bekommt man hier sehr viel inhaltlichen Input über alle möglichen komplizierten Probleme. Aber gerade im Beruf der Juristen und Juristinnen ist ja sehr wichtig, dass man auch mit Menschen umgehen kann."
    Dass Studentin Juliane Wimmer solche Kompetenzen entwickelt, dafür will das Zentrum für Studium Generale und Persönlichkeitsentwicklung sorgen. Bei Studierenden wie Philipp Kastrup kommt das gut an.
    "Es ist ja auch wichtig, dass man sich selber weiterentwickelt und nicht nur sein Fachwissen. Denn ansonsten ist man ja auch keine vollständige Person."
    Kommilitone Hendrik Bachmann hat vor kurzem eine historische Einführung in die Philosophie belegt.
    "Für meine Persönlichkeit hat das etwas gebracht, über mein tägliches Verhalten zu reflektieren und noch mal zu überlegen, wie ich mich in bestimmten Situationen verhalten will und wie ich die Welt begreife."
    Aber Persönlichkeit, das sei doch vor allem eine Frage des Charakters, wendet Philipp Koch ein.
    "Ich glaube, dass wir doch halbwegs unsere Persönlichkeit schon mitbringen und dann eher noch einzelne Aspekte weiterbilden. Der Begriff Persönlichkeitsentwicklung, der ist ein bisschen schwierig."
    Wie Persönlichkeitsförderung an der Hochschule aussehen kann, darum kümmern sich derweil die Leiterinnen und Leiter der Zentren für Persönlichkeitsförderung bei dieser Tagung. Dr. Ulrike Pluschke von der Bucerius Law School.
    "Trägt unser Bild von Persönlichkeit überhaupt? Kann man mit diesem Begriff arbeiten an den Hochschulen? Was kann man den Studierenden überhaupt im Bereich Persönlichkeitsentwicklung mitgeben auf den Weg?
    Dass man die Studierenden anregen und zum Nachdenken bringen kann, glauben alle Tagungsteilnehmer. Denn, so Ulrike Pluschke, die Studierenden sind heutzutage noch sehr jung, wenn sie an die Hochschule kommen.
    "Uns ist es sehr wichtig, dass wir die Studenten auch zu verantwortungsbewussten Persönlichkeiten machen., die ihre Fähigkeiten und Kenntnisse, die sie an der Hochschule erworben haben, später in den Dienst der Gesellschaft stellen."
    Der Gesellschaft dienen bedeutet zum Beispiel die Umwelt zu schützen, sagt Frank Schneider von der Universität Zittau-Görlitz.
    "Den Studierenden eine gewisse Sensibilisierung beizubringen, dass er mit seinem Handeln als Ingenieur, Techniker und so weiter, dass er mit diesem Handeln gegenüber Mensch, Natur und Umwelt verantwortlich sein muss."
    Ein weiterer Ansatz, um Persönlichkeit voranzubringen, ist interkulturelle Reflexion, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Martina Kurth von der Hamburger Hochschule für Musik und Theater:
    "Wieso handeln Menschen in dieser Art und Weise? Welche Werte stecken dahinter, welche Normen? Also wenn wir solche Unterrichtseinheiten machen, dann merkt man richtig, dieses Reflektieren über: Wie stark ist mein Handeln eigentlich?, geprägt von dem, was ich gelernt habe, ist da sehr, sehr stark zu erfahren."
    Martina Kurth, selber Coach für interkulturelle Kompetenzen, hat erfahren: Will man, dass jemand sich selber kritisch hinterfragt, muss man ihn bei seiner eigenen Fachkompetenz abholen."
    "Dann müssen sie erst mal seine Perspektive einnehmen. Wenn sie von seiner Perspektive nichts wissen, können sie ihn auch nicht abholen . Also eine hohe Fachkenntnis der Studierenden, mit denen sie zusammenarbeiten, ist unbedingt notwendig."
    Eine Hochschule, da war man sich einig, könne die Persönlichkeit von Menschen nicht entwickeln. Die Philosophin Ursula Konnertz von der Universität Tübingen bringt es auf den Punkt.
    "Eine Hochschule kann nur fördern dabei. Kann sozusagen Bezug zu sich selbst, zu andern unterstützen durch Lehrangebote. Durch problemfeldbezogene Seminare. Wo Studierende zum Beispiel aus den Naturwissenschaften auch mal Seminare zum Problem globaler Gerechtigkeit machen."
    Welchen Inhalt ein Seminar letztendlich brauche, um eine Persönlichkeit weiterzubringen, dass könne man nicht vorhersagen, resümiert Ursula Konnertz.
    "Das dürfte für die einzelnen Menschen sehr unterschiedlich sein. Weil Menschen nicht hingehen in ein Seminar und nicht lernen: Wie werde ich zu einer Persönlichkeit? Sondern es kommen Persönlichkeiten in ein Seminar und die dann, wenn es so funktioniert, wie wir uns das wünschen würden, eine Art von Lehrerfahrung machen, die sie verändert. Nur das ist eigentlich lernen."