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Personalisierte Preise
"Es steht zu befürchten, dass Kunden diskriminiert werden"

Wie Unternehmen Preise personalisieren, sei höchst intransparent, sagte Friedemann Ebelt vom Verein Digitalcourage im DLF. Er befürchtet, dass Unternehmen Kundendaten unter Umständen illegal mit ihren Partnern abgleichen und Kunden so diskriminiert würden.

Friedemann Ebelt im Gespräch mit Georg Ehring | 24.10.2016
    Kunden gehen am 15.04.2015 durch einen Drogeriemarkt dm in Stuttgart.
    Der Verein Digitalcourage befürchtet, dass Unternehmen personalisierte Preise ausschließlich zu ihrem Vorteil nutzen (dpa/ picture alliance/ Daniel Naupold)
    Georg Ehring: Wer bin ich und wieviel Geld kann man mir abnehmen? Diese Frage stellt sich nicht nur an Ladenkassen bei unseren Schweizer Nachbarn. Personalisierte Preise gibt es längst und darüber möchte ich jetzt mit Friedemann Ebelt sprechen. Er beobachtet die Entwicklung beim Verein Digitalcourage. Guten Tag, Herr Ebelt.
    Friedemann Ebelt: Hallo!
    Ehring: Herr Ebelt, wo muss ich denn heute schon mit personalisierten Preisen rechnen und wie funktioniert das?
    Ebelt: Wir haben die personalisierten Preise jetzt schon. Wenn wir zum Beispiel einen Flug buchen wollen, dann wird natürlich mein Reiseverhalten analysiert. Wir haben das aber auch bei Amazon zum Beispiel. Da wird dann geguckt, welches Betriebssystem habe ich, wenn ich jetzt ein bestimmtes Produkt kaufen will. Im Internet, online haben wir das schon länger. Jetzt kommt es halt in die Geschäfte.
    "Ich werde bewertet, ob ich zahlungskräftig bin oder nicht"
    Ehring: Und wie funktioniert das im Internet und wie kann ich möglicherweise dem ausweichen oder das für mich nutzen, indem ich für mich besonders billige Preise heraushandele?
    Ebelt: Ganz grundsätzlich funktioniert das über Daten. Daten sind einfach unglaublich wertvoll. Deswegen werden sie einfach gesammelt, persönliche Daten über mein Einkaufsverhalten, über meine Reisebewegungen, wann ich wo bin, aber auch soziale Beziehungen sind wichtig, im welchen Milieu halte ich mich auf. Diese Daten werden dann von Algorithmen, also Computern verarbeitet und dann werden Abschätzungen getroffen. Ich werde bewertet, bin ich jetzt zahlkräftig oder nicht.
    Das ist hoch intransparent. Wir wissen nicht, was passiert. Deswegen ist es eine Riesenmachtverschiebung. Die Unternehmen haben viel Macht und Kontrolle, können uns über ihre Angebote in gewisser Weise auch steuern, und die Kund(inn)en wissen nicht viel und können sogar gezwungen werden im schlimmsten Fall, wenn zum Beispiel klar ist, ich fliege immer an dem und dem Tag zu einem Familienfest, dann sind die Flüge für mich genau an dem Datum einfach mal besonders teuer.
    "Wenn das Wetter schlecht wird, dann steigen die Preise für Regenschirme"
    Ehring: Im Supermarkt sind solche personalisierten Preise neu?
    Ebelt: Die sind neu. Das wird kommen. Es gab schon Teste. Auch in der Schweiz im Sommer 2015, da gab es dann viel, viel Kritik und Protest, weil es einfach auch eine Unfair-Behandlung ist. Wir sprechen von Preisdiskriminierung. Und wenn wir uns einfach überlegen, es ist abzusehen, dass das Wetter schlecht wird, und auch solche Daten fließen da mit ein, dann steigen die Preise für Regenschirme und warme Kleidung. Oder Micros überlegt, sogar Daten aus Partnerunternehmen einfließen zu lassen, Gesundheitsdaten, Fitnessdaten, und wenn dann die glutenfreien Produkte meinetwegen, die ich brauche, für mich besonders teuer werden, dann ist das Zwang.
    Ehring: Ginge das denn nicht nur über Kundenkarten, sondern auch über Girokarten oder die Kreditkarte?
    Ebelt: Nur über Umwege. Dann müssten Unternehmen miteinander kooperieren und Daten austauschen. Dazu müsste ich gefragt werden nach Datenschutzgesetz. Ich denke, praktikabel für die Unternehmen sind eigene Apps beziehungsweise das eigene Sammeln von Daten über den Computer oder Kundenkarten.
    "Bargeld soll ja auch eingeschränkt beziehungsweise abgeschafft werden"
    Ehring: Empfehlen Sie denn den Kunden, die sich jetzt da nicht so gerne erfassen lassen wollen, Barzahlung zum Beispiel?
    Ebelt: Grundsätzlich ja, bringt auch Probleme mit sich. Das Bargeld soll ja auch eingeschränkt werden beziehungsweise sogar abgeschafft werden. Auch die Diskussion haben wir schon. Und die große Gefahr ist natürlich, dass Kund(inn)en, die dann nicht bei diesem Programm mitmachen, einfach diskriminiert werden. Das ginge nicht, das wäre dann illegal, steht trotzdem zu befürchten, und ich würde sagen, dass Kund(inn)en, die dann einen Heidenaufwand treiben müssen, um nicht diskriminiert zu werden, das ist der falsche Maßstab. Es muss genau umgekehrt sein. Das Recht auf Privatsphäre und das Recht, nicht verfolgt und analysiert und bewertet zu werden, steht über dem.
    Ehring: Jetzt mal eine persönliche Frage. Haben Sie eine Kundenkarte oder sogar mehrere?
    Ebelt: Ich habe eine spezielle von Digitalcourage, eine Kundenkarte. Da wurde eine Kundenkarte mehrfach aufgelegt, so dass das Profil verwässert wird, weil viele Menschen unter derselben Nummer einkaufen und dann sich an dem System beteiligen. Das erlaubt aber dann keine Profilbildung.
    Ehring: Friedemann Ebelt war das vom Verein Digitalcourage - herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.