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Personenrettung
Dünne Eisschichten - Proben für den Ernstfall

Die Temperaturen klettern am Wochenende wieder, die Eisschichten auf noch zugefrorenen Seen werden dünner. Damit steigt die Gefahr für Menschen, in Teiche und Seen einzubrechen. Für die Feuerwehren bedeutet das, den Ernstfall in Sachen Rettungsmaßnahmen zu proben. Ein Besuch in Darmstadt.

Von Ludger Fittkau | 02.03.2018
    Feuerwehrmann übt auf Schwimmbrett
    Feuerwehrübungen auf zugefrorenen Eisseen haben Hochkonjunktur (imago / newspic)
    Ein Feuerwehrmann klopft mit der Hacke am Ufer des zugefrorenen Badesees auf das Eis. Es knackt – aber es hält. Er braucht den wasserdichten Schutzanzug, der nur noch knapp Mund und Nase frei lässt, hier am Ufer nicht: "Ich kann nur schlecht reden durch den Anzug. Jetzt müssen wir erst mal ein Loch schaffen da vorne."
    Er greift zu einer Axt und geht – angeseilt – immer weiter hinaus auf das Eis. Es trägt ihn – ungefähr 50 Meter vom Ufer entfernt versucht der Feuerwehrmann, er mit der Axt ein Loch in das Eis zu schlagen. Das Eis ist fest – mit der Axt fällt es schwer, ein Loch zu schlagen, durch das ein Mensch ins Wasser eingelassen wird, um die Eisrettung zu üben.
    Tragschicht noch relativ fest
    Nächster Versuch – mit der Motorsäge. Diesmal klappt es mit dem Loch. Der Darmstädter Feuerwehr-Zugführer Heiko Hefter steht am Ufer und erkärt, das gerade in den nächsten Tagen, wenn es wärmer wird, die Gefahr besonders groß ist, das Menschen aus Teichen und Seen ins Eis einbrechen: "Wenn die Temperatur wieder zunimmt, wird die Gefahr natürlich wieder größer. Momentan ist die Tragschicht ja relativ fest, wie man sieht."
    Deswegen bricht auch keiner der Feuerwehrleute ein und das Loch im Eis muss künstlich hergestellt werden, so Heiko Hefter:
    "Na gut, wir simulieren an diesem Loch dann eben den eingebrochenen Menschen im Prinzip. Wir wollten das ja eigentlich dadurch simulieren, dass er tatsächlich einbricht. Aber die Tragfähigkeit ist doch mehr als erwartet."
    Arbeiten unter Alarmbedingungen
    Wenige Minuten später gibt Jens Rönfeld das Startzeichen für die Übung. Rönfeld ist stellvertretender Feuerwehrchef in Darmstadt. Er weist darauf hin, dass ein echter Alarm die Übung sofort beenden würde: "Wir arbeiten unter Alarmbedingungen, das heißt im schlechtesten Fall, wenn es ganz blöd läuft, müssen wir das ganze Abbrechen, das muss ich gleich dazusagen. Dann können wir auch nicht mehr viel diskutieren, dann müssen die Kollegen abrücken. Das ist nun mal unser Geschäftsmodell."
    Die Spezialgruppe für Höhen- und Wasserrettung lässt nun einen Kollegen langsam durch das Loch im Eis ins Wasser sinken. Dann robbt sich ein Retter auf dem Bauch und an einem Seil gesichert über das Eis an den Kollegen im Wasser heran. In den milden Wintern der letzten Jahre hatte die Darmstädter Feuerwehr nur wenig Gelegenheit, die Eisrettung zu üben.
    "Im Grunde machen wir das viel zu selten, das ist eine Spezialeinheit, die sehr viel andere Aufgaben noch hat, Höhenrettung. Wasserrettung grundsätzlich."
    Letzte Übung liegt lange zurück
    Die letzte Übung hier am zugefrorenen Darmstädter Badesee Woog war 2013. Das liegt eigentlich zu lange zurück, erklärt Jens Rönfeld am Ufer, während er seinen Kollegen im Wasser nicht aus dem Blick verliert: "Der hat normale Kleidung wahrscheinlich an und er ist jetzt nach wenigen Minuten völlig unterkühlt, wird wahrscheinlich seine Muskeln nicht mehr kontrollieren können. Der Kollege gibt jetzt schon das Zeichen, er hat ihn an der Bandschlinge gesichert und zieht in raus. Alle beide tragen so orangene Anzüge, das sind sogenannte Überlebensanzüge, die schützen halt auch vor der Kälte, sonst könnte man das gar nicht übungsmäßig machen."
    Jens Rönfeld rät Bürgerinnen und Bürgern ab, einem ins Eis eingebrochenen selbst zu helfen. Leitern gäbe es ohnehin nicht an den Teichen der Stadt: "Weil die geklaut werden. Und dann ist dann Vandalismus wahrscheinlich das Problem. Und jetzt: Wir haben ja nicht genau auf die Uhr geguckt, aber ich würde mal sagen, das war jetzt im Bereich von zwei, bis drei Minuten, maximal Und das ist hier Crashrettung, super gelaufen, haben die Kollegen gut gemacht."
    Die beiden Feuerwehrleute – der Gerettete und der Retter - sind an den Seilen zurück ans Ufer gezogen worden. Rund 10 Minuten bräuchte die Darmstädter Berufsfeuerwehr im Ernstfall, um an einer Eis- Einbruchstelle an einem innerstädtischen Gewässer zu sein. Das ist lang für einen Menschen im Eiswasser – aber dennoch sollten die Bürger nicht selbst aufs Eis gehen – warnt Jens Rönfeld noch einmal: "Nein, nicht selber retten, das ist genau die Botschaft!"
    Reporter: "Auch bundesweit?" - Rönfeld: "Egal wo, überall auf der Welt."
    Nach einer Viertelstunde ist die Übung erfolgreich absolviert. Bleibt zu hoffen, das die am Wochenende nicht den Ernstfall haben wird- wenn das Eis auftaut und nicht mehr so tragfähig sein wird wie heute Morgen – als man die Motorsäge aufs feste Eis mitnehmen musste.