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Perspektive für Ex-Soldaten

Sie haben sich voll und ganz dem Dienst fürs Vaterland verschrieben, aber, wie ihr Name schon sagt, nur auf Zeit. Wenn Zeitsoldaten früher das Heer verließen, war die Frage: Wie geht es weiter? Das soll sich mit dem Berufsförderungsdienst ändern.

Von Susanne Arlt | 21.07.2011
    Ein Lastkraftwagen mit Gefahrengut hält an. Eine Waage, die in den Asphalt eingelassen ist, misst das Gut. Auf dem Fabrikgelände riecht es nach faulen Eiern. Wenn wir die Stoffe entladen, wird dabei Schwefelwasserstoff freigesetzt, erklärt Stephan Herrmann. Der Stabsunteroffizier winkt den Fahrer durch, erklärt ihm, in welchen Stahltank er das Produkt füllen soll. Herrmann, 1,80 Meter groß, Dreitagebart, trägt einen Blaumann. Den Tarnanzug hat er längst abgelegt. Seit fast einem Jahr drückt der 28-Jährige wieder die Schulbank, absolviert eine Lehre zum Chemikanten bei der Mitteldeutsche Bitumenwerk GmbH in Webau. Das Werk in Sachsen-Anhalt produziert Industrie-Bitumen, was zur Herstellung von Farben oder Asphalt benötigt wird.

    Wer sich wie Stephan Herrmann für acht Jahre als Zeitsoldat verpflichtet hat, darf schon zum Ende seiner Dienstzeit mit der Umschulung beginnen. Der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr unterstützt 36 Monate lang die Rückkehr ins zivile Leben. Solange erhält Herrmann 90 Prozent seines bisherigen Solds. Einzige Voraussetzung: Er muss einen Ausbildungsplatz oder eine Weiterbildungsmaßnahme in der Tasche haben. Bei der Suche hatte der 28-Jährige Glück. Er schickte nur eine Bewerbung ab, wurde eine Woche später eingeladen und eingestellt.

    "Ich war auch selber von mir angetan. Weil ich dachte, was habe ich an mir, dass ich genau beim ersten Schuss auch einen Treffer lande. Das hat mich sehr verwundert. Ich habe gedacht, na ja wer weiß, ich muss wahrscheinlich viele Bewerbungen schreiben und viele Vorstellungsgespräche mitnehmen, aber das Ganze hatte sich dann erledigt."

    Diese Erfahrung machen in letzter Zeit immer mehr Bundeswehrsoldaten. Kathleen Schubsda hat zusammen mit Stephan Herrmann in Weißenfels gedient. Jetzt lässt auch sie sich bei der Mitteldeutschen Bitumenwerk GmbH umschulen – zur Chemielaborantin. Die junge Frau öffnet die Reinigungskammer, legt die mit Bitumen verschmutzten Werkzeuge in Reinigungsbenzin. Der neue Job mache ihr Spaß, erzählt die 26-Jährige. Sie sei noch immer überrascht, wie schnell sie einen Ausbildungsplatz gefunden hat. Vor zwei Jahren hätten ihre Kameraden noch ganz andere Erfahrungen bei der Jobsuche gemacht, weiß Kathleen Schubsda. Viele Unternehmer hatten Vorurteile. Soldaten seien faul, lautete einer.

    "Es gibt viele, die sagen wir wollen keine Bundis. Ich habe das von vielen so erfahren, die gekämpft haben, um überhaupt etwas zu bekommen. Die hat sich beworben und beworben, und ihr wurde immer gesagt, ja sie waren ja beim Bund und sie haben das Arbeiten nicht erfunden."

    Inzwischen interessieren sich immer mehr Unternehmen für die Zeitsoldaten. Der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr veranstaltet deshalb immer öfter Berufsmessen in den Kasernen. Der Öffentliche Dienst, Industrie- und Handwerksbetriebe, mittelständische Unternehmen und auch Großkonzerne buhlen geradezu um die Soldaten. Ein Grund für das wachsende Interesse sei sicherlich der Fachkräftemangel, sagt Irina Frenzel von der Wehrverwaltung, ein anderer, dass die Zeitsoldaten schon während ihrer Dienstzeit fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Sie besuchen Rhetorikseminare und machen Bewerbungstrainings mit.

    "Wir bieten Kurse an, auch Dienstzeit begleitend, da sind unter anderem Mathematikkurse bei, mit denen man sich vielleicht für ein Studium vorbereiten kann oder für ein Assessmentverfahren. Es sind auch Rechtschreibekurse, die wir anbieten. Also wir machen die dann schon ein bisschen fitter."

    Was sich bei der Jobsuche oft als Vorteil erweist. Günther Behnke sitzt in seinem Büro in Magdeburg. Vor ihm auf dem runden Tisch türmen sich Bewerbungsunterlagen. Behnke kratzt sich am Kopf, bläht die Backen auf, zieht seine Stirn kraus, dann legt er los. Die meisten der Unterlagen könne er gleich in den Mülleimer schmeißen, regt sich der Unternehmer auf, der in Magdeburg eine Bauschlosserei betreibt. Viele Haupt- und Realschüler würden bei seinen Einstellungstests nur 30 Prozent der Gesamtpunktzahl erreichen, schimpft er. Aber auch Abiturienten hätten mit einer Dreisatzrechnung ihre Schwierigkeiten, fährt der Handwerker fort und schaut dabei irgendwie gequält.

    "Da geht es um naturwissenschaftliche Grundlagen, Allgemeinwissen, Politik, abstraktes Denken, Wahrnehmung, Vorstellungsvermögen und Logik und da sind eben die Ergebnisse in den letzten Jahren katastrophal."

    Inzwischen hole er sich seine Lehrlinge nur noch beim Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, sagt Günther Behnke und sein Gesicht schaut jetzt irgendwie erleichtert aus. In Sachen Pünktlichkeit und Disziplin sei auf diese Jungs eben Verlass.

    "Die sind erstens willig, natürlich sind sie gereift in ihrer ganzen Persönlichkeit. Die wissen was sie wollen, und so gestaltet sich das sehr sympathisch für uns."

    Von den soldatische Eigenschaften ihrer beiden Azubis ist auch die Chefetage des Bitumen-Werkes inzwischen recht angetan. Stephan Herrmann und Kathlee Schubsda würden wissen, was sie wollen, seien pünktlich, zuverlässig und diszipliniert, lobt die kaufmännische Leiterin Christel Kopp.

    "Was, sage ich mal, bei anderen Auszubildenden zu wünschen übrig lässt. Man merkt schon die Reife und die Vorbildung über die Bundeswehr."

    In wenigen Jahren geht ein Teil der 52 Mitarbeiter des Chemiewerkes in Rente. Unser Unternehmen braucht dringend Nachwuchs, betont Christel Koop. Bei der nächsten Berufsmesse der Bundeswehr wird sie darum ganz sicher dabei sein.