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Perspektivwechsel
Querköpfe

Als die Mauer noch stand, unterschied sich der Status von Kabarettisten in Ost und West ganz erheblich. In der DDR wurde von ihnen erwartet, dass sie staatlich gefördert und finanziert - den Aufbau des Sozialismus humorvoll begleiten. Ihre Kollegen im Westen hingegen konnten das Recht auf freie Meinungsäußerung für sich in Anspruch nehmen.

Von Katinka Strassberger | 05.11.2014
    Dieter Hildebrandt sitzt an einem Tisch.
    Dieter Hildebrandt gehörte zu den wenigen, die den Kontakt nach "drüben" immer gesucht hatten. (Deutschlandradio / Bettina Straub)
    Ost- und Westkabarettisten begegneten sich daher eher skeptisch, wenn überhaupt. Dieter Hildebrandt gehörte zu den wenigen, die den Kontakt nach "drüben" immer gesucht hatten. Die Erlaubnis, 1985 in Leipzig aufzutreten, erhielt er aber nur deshalb, weil er mit seinem österreichischen Bühnenpartner Werner Schneyder anreiste. Dieses Gastspiel bezeichnete Dieter Hildebrandt später als Höhepunkt seiner Karriere. Für linientreue DDR-Kabaretts wie die Berliner Distel war es kein Problem, im Westen aufzutreten - gegen Valuta natürlich.
    Nach dem Mauerfall gelang es einigen von ihnen, ihre Theaterbetriebe auf privatwirtschaftlicher Basis weiterzuführen und ihr Publikum mit der Fokussierung auf ostdeutsches Wir-Gefühl bei der Stange zu halten. Eine Kabarettistin, die den Mauerfall als Chance für einen Perspektivwechsel nutzte, ist Simone Solga, die Anfang der 90er-Jahre die Leipziger Pfeffermühle verließ und Mitglied im Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft in München wurde. Mittlerweile ist sie mit ihren Soloprogrammen überall in Deutschland erfolgreich unterwegs. Ähnliches gilt für den Satiriker Nils Heinrich aus Sachsen-Anhalt und den Dresdner Comedian Olaf Schubert. Von West nach Ost zog es den Würzburger Kabarettisten Mathias Tretter: Vor einigen Jahren hat er sich "rübergemacht" nach Leipzig.