
Musik: "El Sermon"
Martin Morales:
"Das Leben ist zum Lernen da, und mir gefallen die großen Herausforderungen. Mir gefällt die Musikindustrie sehr, aber ich wollte auch die peruanische Küche besser kennen lernen. Ich habe schon mit neun Jahren zu kochen angefangen. Und dann, ja, habe ich mein Haus verkauft, fast alles ehrlich gesagt. Meine Frau hat mich dabei auch noch unterstützt. Wir wollten das beste peruanische Restaurant der Welt in London aufbauen."
Sein erstes Lokal "Ceviche" schlug ein wie eine Bombe, die Gäste liebten seine Kreationen. Also ging es weiter, Morales gründete das Zweite, und aktuell leitet er fünf mehrfach ausgezeichnete Lokale in der britischen Hauptstadt, die sich alle der Küche Perus verschrieben haben. Tradition vermischt sich hier mit experimenteller und hoch kreativer Kulinarik. "The Guardian" hat Morales als "A Peruvian Ambassador" bezeichnet.
Martín Morales hat seine Kindheit im Lima verbracht. Der Vater war Engländer, die Mutter Peruanerin. Damals herrschte Bürgerkrieg: Verantwortlich dafür war die Bewegung "Sendero Luminoso", die eigentlich gegen die Regierung war, kommunistische Züge hatte, aber jeder, der sich dem Sendero wiedersetzte, wurde brutal bestraft.
"Zu dieser Zeit in Lima zu leben war kein sehr freies Leben. Ich begann damals zu kochen, die Musik gefiel mir, meine peruanischen Wurzeln haben mich schon immer interessiert. Ganz im Gegensatz zur Gesellschaft damals. Man hasste die peruanischen, traditionellen Wurzeln und schaute nach Europa oder in die USA. Ich nicht."
Ceviche - das Nationalgericht Perus
Als sein Vater bedroht wurde, zog die Familie 1984 nach England. Die Erinnerungen an die dortige Kultur haben ihn aber nie losgelassen. Für Martín war es also nur folgerichtig diesen Schritt zu gehen und sich seiner Kultur zu widmen. "Eigentlich hätte ich das viel früher machen sollen", sagt er heute.
Musik: "La Gallina"
Wie der Name seines ersten Lokals ist das Nationalgericht Perus: roher Fisch getränkt in Limetten-Ingwersauce. In seinem gleichnamigen Rezeptbuch, 2014 auf Deutsch erschienen, erzählt er, dass man während seiner Kindheit in Lima Ceviche an allen Straßenecken kaufen konnte. Die Küstenbewohner sollen schon vor tausenden Jahren diese Art der Fischzubereitung gepflegt haben.
Don Ceviche - das Hausgericht von Martin Morales:
1 große rote Zwiebel in sehr dünnen Streifen
600 gr Seebarschfilet enthäutet
1 Portion Chili-Tigermilch
Korianderblätter, fein gehackt
1 rote scharfe Chili, fein gehackt
1 Süßkartoffel, gekocht und in kleine Würfel geschnitten
feines Meersalz
600 gr Seebarschfilet enthäutet
1 Portion Chili-Tigermilch
Korianderblätter, fein gehackt
1 rote scharfe Chili, fein gehackt
1 Süßkartoffel, gekocht und in kleine Würfel geschnitten
feines Meersalz
Die Musik spielt aber trotz der kulinarischen Passion noch eine große Rolle in Martins Leben. 2013 gründete er zusammen mit Duncan Ballantyne das Musiklabel Tiger’s Milk Records. Dort veröffentlichen sie Musik, die in Europa nahezu unbekannt ist: alternativen, peruanischen Latin-Funk, Chicha, Soul, afro-peruanischen Sound, politischen Rock, psychedelische-Musik. Viele Songs haben es nie über die Grenzen ihrer Heimat geschafft. Wie z.B. die der CD "Peru Bravo". Lieder aus der legendären Underground-Szene der 60er.
"Damals gab es in Peru eine Reihe junger Leute, die sich - natürlich auch durch die 68er-Bewegung - unglaublich frei fühlten. Sie benutzten amerikanische Instrumente, hörten Rock, Beatles und die Rolling Stones, Funk von James Brown und mischten sie mit indigenen Stilen. Aber dann kam General Velasco an die Macht und machte alles zunichte, verbot alles, es entstand eine erdrückende Stille. Aber in jeder Bewegung, die durch Unterdrückung entsteht, gibt es eine wirkliche Underground-Szene. Und die beschloss, künstlerisch gegen die Militärs anzugehen."
Musik: "Hey Joe"
Die Cover-Version von Jimi Hendrix' "Hey Joe" von Marcelo Reátegui, veröffentlicht 1971 unter dem Namen "Jeriko". Am Ende des Songs - mit fast demselben Text wie im Original - ändert er ihn aber und singt: "Me voy cuesta abajo, donde pueda encontrar trabajo. La cruz del sur en el camino, me guiará hasta mi destino. Adiós a todo el mundo, nos vemos en el próximo perro mundo."
"Ich gehe in den Süden, wo es Arbeit gibt, das Kreuz des Südens wird mir den Weg geleiten. Tschüs an alle, wir sehen uns in einer anderen Scheißwelt wieder."
"Ich gehe in den Süden, wo es Arbeit gibt, das Kreuz des Südens wird mir den Weg geleiten. Tschüs an alle, wir sehen uns in einer anderen Scheißwelt wieder."
"Diese Version von "Hey Joe" ist die beste, mit dem meisten Background, die ich kenne. Mit sehr schnellem Latin-Funk."
Ähnlich wie Jerikos Coverversion von Jimi Hendrix' "Hey Joe" entstanden in den späten 1960ern bis Anfang der 1970er Jahre in Peru Stücke gegen die Regierung, gegen die repressive Politik. Sie waren in ihrer Form revolutionär. D.h. bis zu dieser Zeit wurden zum Beispiel lokale Instrumente oder Rhythmen wie die andinische Harfe oder der Huayno nicht mit amerikanischen Beats und Instrumenten vermischt. Der Huayno, ein Tanz und Musikstil im 2/4-Takt, die Melodien wechseln zwischen Moll und Dur ab, geht wahrscheinlich auf die Pre-Inka-Zeit zurück. Die andinische Harfe ist kleiner als die bekannte Konzertharfe, gibt es verschiedenen Formen und gilt als das Instrument der traditionellen, peruanischen Musik, obwohl sie erst durch die spanischen Eroberer nach Lateinamerika gelangte. Inhaltlich waren die Lieder unter anderem Ausdruck für den Schmerz über die ermordeten oder verschwundenen Freunde. Mitte der 1970er war diese revolutionäre Phase jedoch schon wieder vorbei. Und wenn Martin und Partner Duncan sie nicht akribisch recherchiert und zusammengetragen hätten, wären diese Songs - die heute auf der CD "Peru Bravo" veröffentlicht sind -, sicher in der Versenkung verschwunden. "Peru Bravo" bedeutet übrigens so viel wie mutiges aber auch gefährliches Peru.
"Das Revolutionäre dieser Songs drückt sich nicht nur in den Texten aus, sondern auch in der Art zu singen, oder mit der Aggressivität mit der die Instrumente gespielt werden. Z.B. bei der Band Cissy Strut oder The Mad´s. The Mad´s hatten z.B. einen großen europäisch/amerikanischen Einfluss. Keith Richards und Mick Jagger haben The Mad´s in Lima spielen hören als sie dort zu Besuch waren, und sie dann nach England eingeladen."
Das ist der Titel "Aouh Aouh" von The Mad´s:
Musik: "Aoh Aoh"- The Mad´s
Ein anderer, großartiger "Chicha-Song" auf dem Album "Peru Bravo" ist "Onsta la Yerbita" von Los Destellos, 1971 aufgenommen. Enrique Delgado, der Kopf der Band gehörte zu den ultimativen Modernisierern peruanischer Musik. Er hat die Chicha oder auch Cumbia Peruana begründet. Darunter versteht man die Fusion aus der originalen, kolumbianischen Cumbia mit dem Huyano aus dem Hochland und Rock, bzw. vor allem psychedelischem Rock. "Chicha" ist auch der Name des traditionellen Maisbiers, das seit der Inkazeit das typische Getränk der Andenhochländer ist und gefährlich lecker schmeckt. Auf jeden Fall hat sich Enrique Delgado mit dem Song "Onsta la Yerbita" damals an die Spitze der Psychedelic-Musik gehievt. Onsta La Yerbita heißt so viel wie: Wo ist das Kraut? Klar, was damit gemeint war.
Sie hören: "Onsta la Yerbita" von Los Destellos.
Musik: "Onsta la Yerbita" - Los Destellos
Tiger´s Milk Records - so der Name von Martin Morales Musiklabel - schließt wieder den Kreis zur Kulinarik, schließlich gehört doch alles zusammen, so Morales schmunzelnd.
Tigermilk – Tigermilch: "Eine Marinade aus Limettensaft, Salz, Chilis, je nach Geschmack Knoblauch, Ingwer und Koriander."
Tigermilk ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Ceviche!"
Musik: "Meshkalina"
Tigermilk ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Ceviche!"
Musik: "Meshkalina"
Zubereitung des Ceviche
Zwiebelstreifen waschen und 5 Minuten in Eiswasser einweichen. Abtropfen lassen auf Küchenkrepp und im Kühlschrank aufbewahren. Dadurch wird die Schärfe der Zwiebeln gemildert.
Fisch in schmale Streifen schneiden, in eine große Schüssel gebe, eine Prise Salz dazu und vermengen. Durch das Salz öffnen sich die Fischporen. "5 Minuten ruhen lassen, dann die Tigermilch drüber träufeln. Fisch 2 Minuten in der Marinade lassen
Restliche Zutaten, Koriander, Chili, Kartoffelwürfel, Ingwer zum Fisch geben, mit Salz und Chili abschmecken. Sofort servieren!
Zwiebelstreifen waschen und 5 Minuten in Eiswasser einweichen. Abtropfen lassen auf Küchenkrepp und im Kühlschrank aufbewahren. Dadurch wird die Schärfe der Zwiebeln gemildert.
Fisch in schmale Streifen schneiden, in eine große Schüssel gebe, eine Prise Salz dazu und vermengen. Durch das Salz öffnen sich die Fischporen. "5 Minuten ruhen lassen, dann die Tigermilch drüber träufeln. Fisch 2 Minuten in der Marinade lassen
Restliche Zutaten, Koriander, Chili, Kartoffelwürfel, Ingwer zum Fisch geben, mit Salz und Chili abschmecken. Sofort servieren!
Rezepte und Geschichten aus den Anden
Martin Morales sagt, egal was er gerade mache, eine neue peruanische Band rausbringen, als Co-Kurator in seiner Ceviche Old St Gallery - der ersten Galerie für zeitgenössische Kunst außerhalb Perus - über 50 der besten, zeitgenössischen Künstler Perus ausstellen oder ein neues Gericht zubereiten, für alle Projekte gelte dasselbe:
"Ich versuche immer etwas unserer Kultur zu erzählen. Peru ist unglaublich reich an Mythologie, Spiritualismus, an Geschichten, das ist sehr interessant, das muss man kennen lernen."
"Rezepte und Geschichten aus den Anden" lautet deswegen nicht umsonst auch der Untertitel seines zweiten Rezeptbuchs "Andina", das 2018 auch auf Deutsch erschienen ist. Morales erklärt:
"Meine Küche ist ein Spiegel meines Lebens und meiner Abenteuer und Herausforderungen. Diese spiegeln sich in den Geschichten im letzten Teil des Buches wider."
Zum Frühstück "Picante de huevos" – Feurige Eier", "Otongo – Süße, gedämpfte Kartoffelbrötchen" oder "Yawar Picante"- Blutwurst und Wachteleier". Die Bilder und kurzen Beschreibungen – "Lieblingsgericht meiner Großtante Carmela" - in seinem Buch "Andina" verleiten zum sofortigen ausprobieren. "Mit den Rezepten erzähle ich von der Kultur und Geschichte Perus", erklärt Morales.

Im ersten Interview mit Martin 2015 meinte er, es sei relativ wenig über die sehr reiche, peruanische Kultur bekannt, sei es die Musik oder die Kulinarik. Die peruanische Küche beispielsweise ist sowohl durch die Prä-Inka-Kultur, die Inkas selbst, die Spanier, Afrikaner, Chinesen und Japaner beeinflusst. Das habe sich aber mittlerweile verändert, sagt Martín.
"Ich habe ständig daran gearbeitet, die kulinarische Kultur Perus bekannt zu machen. Vor allem die regionale Küche. Mit meinen Büchern, mit meinem YouTube-Kanal Martin’s Peruvian Kitchen und durch unsere Restaurants der Gruppe Ceviche Family. Trotzdem gibt es noch sehr viel zu tun und zu helfen. Wir müssen unsere kulinarische Tradition unterstützen, damit sie in Zukunft existiert, wir müssen die picanteras unterstützen, damit sich ihr Geschäft verbessert, und wir müssen Gerichte servieren, die Authentizität und Geschichte haben."
Musik:"Pancito Caliente"
"Dieses (Rezept-)Buch fußt doch schlussendlich auf der Kreativität der eigentlichen Stars der peruanischen Küche: der picanteras, also den vielen Generationen von Andina-Köchinnen, denen wir die großartigen Aromen und Zubereitungen verdanken."
"Probiert mein Brötchen,
es ist noch heiß,
du wirst sehen, wie lecker es ist.."
es ist noch heiß,
du wirst sehen, wie lecker es ist.."
Martín Morales reist oft monatelang durch Peru, streift über die Märkte, redet mit den Köchinnen, auf der Suche nach Rezepten, Überlieferungen, Bräuchen - und Musik. So ist auch seine CD "Andina, the sound of the peruvian Andes" entstanden, mit Liedern aus den Jahren 1968-1978. Aktuelle peruanische Bands interessieren ihn aber genauso, wie z.B. "Kanaku y el Tigre". Das Duo Nico Saba und Bruno Bellatin stammt aus Lima. Musikalisch haben sie eine Fusion aus psychedelischen Beats und Popmusik kreiert, aber sie komponieren auch Stücke in der lateinamerikanischen Tradition der Cantautores, Liedermacher: nur Gitarre und Stimme. Hier kommt von ihnen "Si te mueres mañana" - "Wenn du morgen stirbst". Das Video dazu zeigt eine Truppe von Jungs zwischen zehn und 14 Jahren, die mit ihren Skateboards durch die Armenviertel fährt. Ziel sind die endlosen Küstenstraßen Limas, die die Jungs berauscht durch die Schnelligkeit runtersausen.
Musik: "Si te mueres mañana"
Außerhalb Perus gebe für die peruanische Musik kaum Möglichkeiten zur Verbreitung, sagt Morales. "Deswegen müssen wir weitermachen und diese Kultur unterstützen." Manche Band schafft den Durchbruch dennoch, wie z.B. Novalima. Ihr afro-peruanischer Elektro-R´n´B-Beat kommt sehr gut an. Letztes Jahr haben sie ihr 15-jähriges Jubiläum weltweit gefeiert, und 2019 sind sie auch wieder auf Tour.
"Ich suche immer wieder nach Künstlern, die etwas zu sagen haben. Eines Tages wird Peru ein großartiges Beispiel in dieser Kategorie haben, jemand, der die Menschen dort und ihre Herausforderungen wirklich repräsentiert. Einer, der in die Fußstapfen der ganz Großen tritt wie Bob Marley, Mercedes Sosa, Manu Chao, Victor Jara oder Fela Kuti, und der mit der ganzen Welt kommunizieren kann."
Einer der besten Fotojournalisten Perus, Carlos "Chino" Domínguez" (1933-2011) meinte: "Eine Konversation beginnt man mit einem guten Pisco", dem Nationalcocktail Perus. Oder man beendet damit eine Sendung… Am Mikrofon verabschiedet sich Camilla Hildebrandt mit einem letzten Song von der CD Peru Maravilloso: "Sueño de Amor" – "Traum von der Liebe" von 1974.
Musik: "Sueño de Amor"