Heuer: In Deutschland wurden ja besonders viele Proben beanstandet. Woran liegt das?
Griese: Das liegt vor allem daran, dass in Deutschland besonders zielorientiert kontrolliert wird. Wenn man die Kontrolldichte natürlich nicht so intensiv fährt wie wir, stellt man auch nicht so viel fest. Das heißt, der Eindruck, der da zum Teil auch geprägt wird nach dem Motto, Deutschland schneidet besonders schlecht ab, ist so nicht richtig. In Deutschland wird besonders intensiv kontrolliert, dann findet man auch was, wenn man natürlich nicht so intensiv kontrolliert und das ist in einigen anderen europäischen Ländern der Fall, dann findet man auch nicht so viel, aber wir denken, es ist richtiger, auch intensiv zu kontrollieren.
Heuer: Kontrollieren wir also einfach zu viel, verglichen mit den "schlampigen" anderen EU-Staaten?
Griese: Nein, umgekehrt, wir halten es für sinnvoll, dass überall in diesem Ausmaß kontrolliert wird. Das ist auch deshalb notwendig, weil ein Großteil der aufgefallenen Überschreitungen ja auf Importen beruht. Es ist so, dass bei den Höchstmengen Überschreitungen, die wir festgestellt haben, ein ganz überwiegender Teil auf Obst- und Gemüseimporte aus anderen Ländern entfallen ist. Zum Beispiel bei den Erdbeeren insbesondere auf spanische Herkunft, auf Herkunft aus der Türkei zum Beispiel. Die Schwäche besteht eben darin, dass in diesen Produktionsländern nicht ausreichend kontrolliert wird und sie besteht weiter darin, dass dort auch noch eine Reihe von Pflanzenschutzmitteln zugelassen sind, die bei uns bereits verboten sind.
Heuer: Nun sagt Greenpeace aber, Herr Griese, die Qualitätskontrollen auch in der Bundesrepublik seien miserabel. Zum Beispiel sei es so, dass von 800 Wirkstoffen, die eingesetzt werden, nur die Hälfte überhaupt kontrolliert werden kann.
Griese: Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich glaube, die Ergebnisse zeigen schon, dass hier intensiv kontrolliert wird, weil wir ja eine entsprechende Beanstandungsquote finden. Natürlich ist es so, dass diese Kontrollen auch noch verbessert werden können. Bei uns ist das ja so, dass dafür die Kommunen zuständig sind, also die Kreise und die kreisfreien Städte und dass da auch noch mehr getan werden kann. Aber ich glaube, der Gesamteindruck darf nicht jetzt der sein, dass Deutschland besonders schlecht dran ist, sondern im Gegenteil: Deutschland ist durch die Intensität seiner Kontrollen eigentlich auf dem richtigen Weg.
Heuer: Wenn Sie sagen, dass noch mehr getan werden kann, heißt das, es muss einfach mehr Geld ausgegeben werden, denn im Bundesverbraucherschutzministerium sagt man zum Beispiel, es gebe ein Vollzugsdefizit in den Ländern. Die würden nämlich den Verbraucherschutz als Sparbüchse behandeln.
Griese: Nein, das stimmt so nicht. Ich glaube auch nicht, dass es richtig ist, sich jetzt vor allem auf die Kontrolle zu fokussieren, sondern wichtig ist ja, dass wir das Problem an der Wurzel bekämpfen. Die Wurzel heißt ja, dass noch zu viele Pestizide überhaupt zugelassen sind. Deshalb muss es darum gehen, das auf europäischer Ebene zu vereinheitlichen. Deswegen kämpfen wir auch so dafür, dass die EU-Pestizidrichtlinie endlich verabschiedet wird, die diesem Fehlgebrauch von Pestiziden eben einen deutlicheren Riegel vorschieben würde und vor allem auch bewirken würde, dass Pestizide, die hier bei uns auch schon nicht mehr zugelassen sind, auch in anderen europäischen Ländern nicht mehr zugelassen werden. Denn es nützt nichts, über die Kontrolle dann im Nachhinein herauszufinden, wo etwas nicht richtig gelaufen ist, sondern wir müssen im Vorfeld eingreifen, und das heißt, eben schon bei der Produktion muss der Einsatz von Pestiziden zurückgedrängt werden.
Heuer: Müsste sich da die deutsche Bundesregierung stärker engagieren?
Griese: Sie hat sich engagiert, aber sie muss da weiter am Ball bleiben und muss auch Druck auf die europäischen Gremien ausüben, dass es zu dieser Vereinheitlichung kommt.
Heuer: Alleine handeln kann Deutschland nicht?
Griese: Nein, weil wir einen freien Binnenmarkt haben. Man kann nicht das, was in EU-Staaten noch rechtlich zulässig ist, durch Importverbote behindern. Das ist im freien Binnenmarkt rechtlich nicht möglich. Das heißt, wir sind schon darauf angewiesen, dass diese EU-Pestizidrichtlinie in Kraft tritt und damit der Einsatz von Pestiziden begrenzt wird.
Heuer: Und bis dahin, Herr Griese, schaut der Verbraucher in die Röhre. Was raten Sie denn den Deutschen, die Obst und Gemüse weiter essen möchten? Eigentlich soll das ja auch gesund sein.
Griese: Ja, das ist auch gesund. Ich glaube auch nicht, dass man sagen kann, dass der Verbraucher in die Röhre schaut. Er sollte aber schon auf Herkunft und auch auf die Saison für das jeweilige Obst und Gemüse achten. Denn wir haben ja festgestellt, ich sagte das ja eingangs, dass Importe aus bestimmten Ländern besonders belastet sind. Also, Spanien, Erdbeeren zum Beispiel. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass bei Produkten, die nicht saisonal angeboten werden, die Belastung leicht höher sein kann. Also, auf entsprechende Herkünfte achten, heißt das, und wer ganz sicher gehen will, sollte eben Produkte aus ökologischem Anbau erwerben, da ist ja schon durch die Anbaurichtlinien ausgeschlossen, dass Pestizide eingesetzt werden.
Heuer: Das kostet aber richtig viel Geld. Gesundheit, Herr Griese, nur noch für die Wohlhabenden?
Griese: Nein, das stimmt nicht. Lebensmittel insgesamt sind recht billig. Man muss sehen, dass insgesamt nur noch etwa 14 Prozent des monatlichen Ausgabenbudgets bei den Verbrauchern für Lebensmittel ausgegeben wird. Gerade bei Obst und Gemüse auch aus ökologischem Anbau ist das so, dass das alles, verglichen mit anderen Produkten wie zum Beispiel Zigaretten oder Benzin, vergleichsweise billig ist. Deswegen: Das kann sich jeder leisten, gerade wenn es um Obst und Gemüse geht, und es ist auch gerade für diejenigen, die sicher gehen wollen, zu empfehlen.
Heuer: Und unter dem Strich, Herr Griese, empfehlen Sie deutschen Verbrauchern, deutsches Obst und deutsches Gemüse, verstehe ich das richtig?
Griese: Nicht unbedingt nur deutsches, aber jedenfalls bei der Herkunft darauf zu achten, dass es aus Regionen kommt, die nicht durch besonders hohe Beanstandungsquoten aufgefallen sind, und auch die Empfehlung, im Zweifelsfall auch mal zu Bioprodukten zu greifen.
