Donnerstag, 25. April 2024

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Peter Henning: "Mein Schmetterlingsjahr"
Edelfalter sucht gezielte Interaktion mit dem Menschen

Eine Reise durch Europa, eine Reise in die eigene Vergangenheit: Peter Henning bricht auf zu einer ganz persönlichen Expedition, immer auf der Spur seltener Tag- und Nachtfalter. Am Ende des Sommers kehrt er zurück – mit noch mehr Wissen über das Beobachten, Sammeln und Züchten von Schmetterlingen.

Von Joachim Budde | 05.10.2018
    In Köln ist Winter, als Peter Henning zur griechischen Insel Samos aufbricht, in die Sonne, zu jenen Tieren, die ihn schon sein ganzes Leben lang begeistern. Danach macht der Schriftsteller Station in Italien, Spanien, Österreich, Bayern und der Schweiz - immer auf der Spur seltener Tag- und Nachtfalter. Erst am Ende des Sommers kehrt er nach Hause zurück - und beschreibt seine Faszination in dem Buch "Mein Schmetterlingsjahr".
    "Wenn ich einem Schmetterling begegne, steigt augenblicklich ein Gefühl des Triumphs und der Lebendigkeit in mir auf. Weil er mir vor Augen führt, wie schön und vital das Dasein trotz aller Zerbrechlichkeit ist und dass das Leben immer neu beginnt."
    Erinnerung an die Stationen des Lebens
    Dieses Glücksgefühl hat Peter Henning schon als kleiner Junge beim Anblick dieser Tiere gespürt, als ihm Viktor, der Partner seiner Oma, dieses Hobby nahebrachte, mit ihm Schmetterlinge aufspürte, sammelte und in selbstgebaute Holzrahmen steckte. So ist die Reise durch Europa auch eine Reise in Hennings Vergangenheit, zu Stationen seines Lebens: Mithilfe der Schmetterlinge frischt er seine Erinnerungen auf. Der Admiral auf Samos zum Beispiel ruft ihm wieder ins Gedächtnis, wie diese Falter einmal im Garten seiner Großmutter am gärenden Fallobst saugten.
    "Eine Weile verfolgten wir das Schauspiel, bis sie bei dem Versuch, einen Apfel aufzuheben, mit der Fußspitze im feuchten, ungemähten Gras hängeblieb, ungebremst nach vorn fiel und mit der Stirn gegen einen Baumstamm schlug. Von dem Sturz trug sie eine stark blutende Platzwunde davon, die genäht werden musste. 'Weißt Du noch?', sagte ich, als ich, kurz bevor sie starb, an ihrem Krankenhausbett saß und die Narbe berührte, die seither ihre Stirn zierte. 'Na klar!', antwortete sie lächelnd. 'Daran sind die Admirale schuld.'"
    Profundes Wissen aus 50 Jahren
    Solche persönlichen Memoiren und die Beschreibungen von Hennings aktuellen Schmetterlingsexkursionen lesen sich schön. Noch faszinierender aber ist, wie spielerisch es dem Autor gelingt, sein profundes Wissen einzuflechten, erworben in 50 Jahren beim Beobachten, Sammeln und Züchten von Schmetterlingen. Der Leser lernt viel über das Leben der Tiere, über ihre Aufzucht, ihre Vorlieben, ja, ihren Charakter:
    "Seine Zutraulichkeit macht den Admiral zu einem entomologischen Sonderling. Er ist zweifellos der kontaktfreudigste unter den Edelfaltern und scheint die Interaktion mit dem Menschen manchmal gezielt zu suchen, indem er diesen neckt und foppt und immer wieder derart direkt und ungeniert anfliegt, als wollte er ihm damit bedeuten: 'Na los, spiel mit mir!'"
    So wie die Schmetterlinge ihre Salti und Kapriolen vollführen, so federleicht flattert auch Peter Henning zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Sein Buch hat nur ein Manko, wenn auch kein kleines: Die wunderschönen bunten Falter, über die er im Text schreibt, sind leider nirgends im Bild zu sehen.
    Zielgruppe
    Menschen, die sich der Schönheit der Schmetterlinge öffnen und ihrer Poesie hingeben wollen.
    Erkenntnisgewinn
    Man muss kein Biologe sein, um ein faszinierendes Buch über Insekten schreiben zu können.
    Spaßfaktor
    So viel Wissenswertes über Schmetterlinge so elegant mit einer spannenden Lebensgeschichte zu verweben - das muss ein Schriftsteller erst einmal hinbekommen.
    Peter Henning: "Mein Schmetterlingsjahr"
    Konrad Theiss Verlag, 228 Seiten, 19,95 Euro