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Pfandpflicht

Nach dem Weg durch die Instanzen wird die Pfandpflicht ausgeweitet: Schon in knapp vier Wochen soll es sich nach dem Willen des Gesetzgebers lohnen, auch Dosen und Einwegflaschen dem Handel wieder zurückzugeben. Während Umwelt- und Verbraucherschützer im Schulterschluss mit mittelständischen Brauern, Mineralbrunnenbetreibern und Getränkehändlern jubeln, stöhnt die Lobby der Betroffenen - auch vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Daher will der Bundesverband der Ernährungsindustrie (BVE) die Einführung des Pfandpflichts nicht kampflos hinnehmen.

Ein Beitrag von Christoph Overkott |
    Ganz so schlimm wird es Industrie und Handel nun doch nicht treffen: Einweg-Getränkeverpackungen, die vor dem 1. Januar 2003 gekauft worden sind, muss ein Händler nicht zurücknehmen. Schließlich hat er dafür auch kein Pfand bekommen. Aber soweit ein Händler auf Dosen und Einwegverpackungen kein Pfand erhebt oder bei Pfandverpackungen die Rücknahme verweigert, begeht er eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeldbescheid bis zu einer Höhe von 50.000 Euro rechnen. Doch was für das Bundesumweltministerium und die Vollzugsbehörden in den Ländern nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster in trockenen Tüchern ist, steht nach Ansicht der Ernährungsindustrie rechtlich auf wackeligen Füßen. BVE-Geschäftsführer "Umwelt und Recht" Bernd-Ulrich Sieberger räumt ein, dass die Pfandpflicht vorerst in Kraft treten könne. Doch hält er dagegen:

    In der Hauptsache ist durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster keine Entscheidung gefallen. Die Hauptsacheentscheidung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf ist aufrecht erhalten geblieben und geht im Wege der Sprungrevision vor das Bundesverwaltungsgericht. In der Hauptsache, kurz gefasst, wird entschieden werden im April/Mai.

    In der Hoffnung auf einen Erfolg vor Gericht haben Industrie und Handel die Vorbereitungen für ein funktionierendes Pfandrücknahmesystem erst spät aufgenommen. Dieses System soll gewährleisten, dass man Pfandverpackungen in Deutschland überall dort zurückgeben kann, wo Getränke in gleichartigen Verpackungen verkauft werden. Wer als Einzelhändler mehr Verpackungen zurücknimmt, als er verkauft hat, bekommt von einer so genannten zentralen Clearing-Stelle das zusätzliche Pfand zurückerstattet. Noch gibt es auf dem Weg zu dieser Clearing-Stelle kartellrechtliche Hürden. Doch das Bundeskartellamt habe das Clearing-Monopol als diskutabel bezeichnet, wenn sich alle Beteiligten auf ein System einigen könnten. Der BVE-Vorsitzende, Peter Traumann, hält eine Einigung für möglich:

    Wir haben jetzt ja mit dem Handel zusammen eine Arbeitsgruppe gebildet, die ist ja schon einige Wochen jetzt aktiv, die ein solches System in jeder Hinsicht vorbereitet, mit entsprechenden Facharbeitsgruppen, die arbeiten inzwischen alle schon. Da hat sich aber im Vorlauf schon herausgestellt, dafür brauchen wir mindestens neun Monate. Also, wir werden frühestens im Herbst nächsten Jahres in der Lage sein, ein Flächen deckendes Rücknahme- und Geld-Clearingsystem zu installieren.

    In der Übergangszeit kann es vorkommen, dass Einzelhändler ihren Kunden beim Verkauf einer Einweg-Verpackung eine Wertmarke aushändigen. Während dieser Übergangszeit kann man nur dort seine Dose oder Einwegflasche zurückgeben, wo man die Verpackung gekauft hat. Mit der Einrichtung des flächendeckenden Rücknahmesystems werden auch Automaten aufgestellt. Das Mehrwegsystem wird dadurch nach Ansicht des BVE allerdings nicht stabilisiert. Schließlich würden die Händler alles tun, damit sich die Investitionen in ihr Rücknahmesystem amortisieren, prognostiziert der Industrieverband:

    Und sie müssen die unglaublichen Mengen der rückzunehmenden Einwegverpackungen irgendwo in ihren Läden lagern. Und da haben sie sehr eindeutig erklärt, das geht nur innerhalb der Getränkeabteilung. Also müssen wir Flächen vom Mehrweg wegnehmen. Das wird passieren.

    Die Auswirkungen des Pflichtpfands auf die konjunkturelle Lage der Branche halte sich in Grenzen. Nach steigenden Umsätzen in den vergangenen Jahren und einem Rekordumsatz in 2001 hat die Ernährungsindustrie 2002 zunächst eine Atempause eingelegt. Allerdings soll es im nächsten Jahr mit einem Zuwachs von einem halben Prozent wieder moderat aufwärts gehen. Nach wie vor entfällt der Löwenanteil des Umsatzes mit rund 75 Prozent auf das Inland, gleichzeitig hat der Export an Bedeutung zugenommen.