Es mutet ein wenig seltsam an, wenn ausgerechnet das größte und legendärste Theaterereignis Frankreichs in seinem 60. Jubiläumsjahr mit einem zirkusartigen Pferdespektakel beginnt. Bartabas, der Leiter des Pferdetheaters "Zingaro", macht ein Geheimnis um seine Biografie und lässt sich mit Vorliebe als zwielichtiger Zigeuner im Zebraanzug auf einem Esel abbilden.
Seit 1984 inszeniert er seine "Reiteropern" und ist regelmäßiger Gast in Avignon. Die Zeitungen überschlagen sich vor Begeisterung. "Danke für diese Feier des Lebens und seiner Wunder!" jubelt die seriöse Le Monde über das sicher schöne, aber doch inhaltsarme Spektakel "Battuta", Treibjagd auf Roma, in dem Pferde und ihre Reiter zu packender Balkanmusik ihre Runden in der Arena drehen, rund um eine Wasserfontäne. Eine Braut auf einem Karren wird von ihrem Bräutigam verfolgt, vielleicht ist es auch ihr Vater, ansonsten: lebendige Ölbilder, pittoreske Campingszenen, treibender Pferdegalopp - seltsame Franzosen.
Doch so richtig beginnt das Festival ohnehin erst mit der großen Premiere im Papstpalast. Joseph Nadj ist bekannt durch seine hermetischen, kleinteiligen Choreografien mit stets wiederkehrenden Elementen: Männer in schwarzen Anzügen, rote Nasen, Tische, klaustrophobisch-kafkaeske Stellwände. Es ist kaum vorstellbar, wie er mit seinen versponnenen mentalen Landschaften den gigantischen Ehrenhof ausfüllen will.
Nadj behilft sich mit einem Kunstgriff: in der Mitte ist ein kleiner Boxring aufgebaut, auf die Mauern des Palastes wird lediglich ein Film projiziert über Nadjs stets als mythischer Bezugspunkt wiederkehrende Heimat, die ungarische Enklave Kanitza in Ex-Jugoslawien. "ASUBA", was auf Japanisch "Spiel" bedeutet, ist eine Hommage an den französischen, von Psychodrogen inspirierten Maler-Dichter Henri Michaux, rätselhafter Einzelgänger wie Nadj, dessen Sehnsuchtsland Japan war - weshalb auch vier Butoh-Tänzer Nadjs Kompanie ergänzen. Gedichtfragmente von Michaux huschen an den Wänden vorbei, die Tänzer bilden kalligraphische Buchstaben hinter weißen Stellwänden, und zuweilen scheint tatsächlich wundersam auf, wie durchlässig die Grenzen zwischen Schrift, Skulptur und Tanz sind und wie eins mit dem anderen zusammenhängt.
"Poetisch" und "surreal" sind die meistgebrauchten Begriffe zu diesem choreografisch verstaubt und müde wirkenden Theater. Verhalten, aber erleichtert sind die französischen Reaktionen: "Kein Enthusiasmus, aber Respekt", verspürt "L’humanité", "Bewegungspoesie, bei der man vergeblich einen Sinn sucht", schreibt La Provence.
Dies ist die Geschichte eines toten Sohnes, singt die Needcompany von Jan Lauwers, drei Männer und drei Frauen springen wie versunkene Kinder in Glitzerkleidung zwischen den geometrischen Gipselementen auf der Bühne herum und singen. Der belgische Regisseur ist auf Schmerzbearbeitung durch kindliche Freude spezialisiert. Seine legendäre Inszenierung "Isabellas Zimmer" macht bereits seit drei Jahren Furore bei den einschlägigen Theaterfestivals von Berlin bis Zürich - typische Festival-Exportware, von allen gefeiert, von allen verstanden, mit wunderschönen Songs und der stets wiederkehrenden Botschaft, dass es nicht auf Alter und Schönheit ankommt, sondern auf Lebensfreude.
Sein neues Stück, eigentlich müsste man eher Musical sagen, heißt "Der Hummer-Laden", the "Lobster Shop" und ist die abstruse Geschichte des Genetikprofessors Axel, der im Meer seinen Sohn verloren hat. Darüber geht auch seine Ehe kaputt, und das neue, von im selbst geklonte Ersatzkind entwickelt sich zu einem destruktiven Monster. Aber das Leben geht weiter, man muss es feiern, auch wenn alles schiefläuft. Eine schöne Psychiaterin kommentiert einfühlsam das Elend von Axel und seinen Lebensbegleitern.
Der Hummer, den der Kellner im Restaurant fallenlässt, ist eigentlich nur der Auslöser eines Zeitstillstands wie bei Marcel Prousts Madeleine: das komplizierte Bühnengeschehen passiert in Axels Erinnerung, im Moment, bevor der Hummer auf seiner Hose landet. Doch weder dem Schmerz noch der Freude wird psychologisch nachgespürt, die übermütigen Tänze und die packende Musik bleiben Behauptung. "Welche Bedeutung hat ein Hummer?" fragt die Psychiaterin zum Schluss, und es ist ein Glück, dass die Needcompany sich wenigstens selbst ironisiert - sonst würde man ihnen diese unfertige und langatmige, kitschig naive Inszenierung nicht verzeihen. Avignon startet lau. Aber es hat ja noch eine Weile Zeit, aufzuholen.
Seit 1984 inszeniert er seine "Reiteropern" und ist regelmäßiger Gast in Avignon. Die Zeitungen überschlagen sich vor Begeisterung. "Danke für diese Feier des Lebens und seiner Wunder!" jubelt die seriöse Le Monde über das sicher schöne, aber doch inhaltsarme Spektakel "Battuta", Treibjagd auf Roma, in dem Pferde und ihre Reiter zu packender Balkanmusik ihre Runden in der Arena drehen, rund um eine Wasserfontäne. Eine Braut auf einem Karren wird von ihrem Bräutigam verfolgt, vielleicht ist es auch ihr Vater, ansonsten: lebendige Ölbilder, pittoreske Campingszenen, treibender Pferdegalopp - seltsame Franzosen.
Doch so richtig beginnt das Festival ohnehin erst mit der großen Premiere im Papstpalast. Joseph Nadj ist bekannt durch seine hermetischen, kleinteiligen Choreografien mit stets wiederkehrenden Elementen: Männer in schwarzen Anzügen, rote Nasen, Tische, klaustrophobisch-kafkaeske Stellwände. Es ist kaum vorstellbar, wie er mit seinen versponnenen mentalen Landschaften den gigantischen Ehrenhof ausfüllen will.
Nadj behilft sich mit einem Kunstgriff: in der Mitte ist ein kleiner Boxring aufgebaut, auf die Mauern des Palastes wird lediglich ein Film projiziert über Nadjs stets als mythischer Bezugspunkt wiederkehrende Heimat, die ungarische Enklave Kanitza in Ex-Jugoslawien. "ASUBA", was auf Japanisch "Spiel" bedeutet, ist eine Hommage an den französischen, von Psychodrogen inspirierten Maler-Dichter Henri Michaux, rätselhafter Einzelgänger wie Nadj, dessen Sehnsuchtsland Japan war - weshalb auch vier Butoh-Tänzer Nadjs Kompanie ergänzen. Gedichtfragmente von Michaux huschen an den Wänden vorbei, die Tänzer bilden kalligraphische Buchstaben hinter weißen Stellwänden, und zuweilen scheint tatsächlich wundersam auf, wie durchlässig die Grenzen zwischen Schrift, Skulptur und Tanz sind und wie eins mit dem anderen zusammenhängt.
"Poetisch" und "surreal" sind die meistgebrauchten Begriffe zu diesem choreografisch verstaubt und müde wirkenden Theater. Verhalten, aber erleichtert sind die französischen Reaktionen: "Kein Enthusiasmus, aber Respekt", verspürt "L’humanité", "Bewegungspoesie, bei der man vergeblich einen Sinn sucht", schreibt La Provence.
Dies ist die Geschichte eines toten Sohnes, singt die Needcompany von Jan Lauwers, drei Männer und drei Frauen springen wie versunkene Kinder in Glitzerkleidung zwischen den geometrischen Gipselementen auf der Bühne herum und singen. Der belgische Regisseur ist auf Schmerzbearbeitung durch kindliche Freude spezialisiert. Seine legendäre Inszenierung "Isabellas Zimmer" macht bereits seit drei Jahren Furore bei den einschlägigen Theaterfestivals von Berlin bis Zürich - typische Festival-Exportware, von allen gefeiert, von allen verstanden, mit wunderschönen Songs und der stets wiederkehrenden Botschaft, dass es nicht auf Alter und Schönheit ankommt, sondern auf Lebensfreude.
Sein neues Stück, eigentlich müsste man eher Musical sagen, heißt "Der Hummer-Laden", the "Lobster Shop" und ist die abstruse Geschichte des Genetikprofessors Axel, der im Meer seinen Sohn verloren hat. Darüber geht auch seine Ehe kaputt, und das neue, von im selbst geklonte Ersatzkind entwickelt sich zu einem destruktiven Monster. Aber das Leben geht weiter, man muss es feiern, auch wenn alles schiefläuft. Eine schöne Psychiaterin kommentiert einfühlsam das Elend von Axel und seinen Lebensbegleitern.
Der Hummer, den der Kellner im Restaurant fallenlässt, ist eigentlich nur der Auslöser eines Zeitstillstands wie bei Marcel Prousts Madeleine: das komplizierte Bühnengeschehen passiert in Axels Erinnerung, im Moment, bevor der Hummer auf seiner Hose landet. Doch weder dem Schmerz noch der Freude wird psychologisch nachgespürt, die übermütigen Tänze und die packende Musik bleiben Behauptung. "Welche Bedeutung hat ein Hummer?" fragt die Psychiaterin zum Schluss, und es ist ein Glück, dass die Needcompany sich wenigstens selbst ironisiert - sonst würde man ihnen diese unfertige und langatmige, kitschig naive Inszenierung nicht verzeihen. Avignon startet lau. Aber es hat ja noch eine Weile Zeit, aufzuholen.