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Pflanzen für Medizin und Kosmetik

Aus schätzungsweise 70.000 Pflanzenarten wird Medizin oder Kosmetik hergestellt, Tendenz steigend. Denn die Verbraucher mögen Produkte aus der Natur. Doch nur ein kleiner Teil der Pflanzen wird gezielt angebaut wird, die meisten stammen aus Wildsammlungen. Ökologische Gesichtspunkte spielen dabei kaum eine Rolle. Aber das soll sich jetzt ändern. Auf der Messe BioFach in Nürnberg hat der World Wide Fund for Nature, WWF heute einen ersten ökologischen Standard für die Wildsammlung von Heilpflanzen vorgestellt.

Von Eva Lell |
    Aus der Teufelskralle, die in Namibia gesammelt wird, wird ein Rheumamittel gewonnen, sibirische Bärentraubenblätter werden in den USA zu Heilkräutertees verarbeitet. Auch aus Indien kommen viele Kräuter, Blätter und Wurzeln. Girindhar Kindal betreut in Indien seit vier Jahren Projekte, in denen Kräuter für den internationalen Markt gesammelt werden.

    " In Indien gibt es etwa 9000 Heilpflanzen, etwa 900 davon sind im nationalen und internationalen Handel. Wegen des ökonomischen Drucks pflücken die Menschen in Indien mittlerweile mehr Heilpflanzen, als es die nachhaltige Wildsammlung erlaubt. Die Population dieser Arten ist bereits dezimiert und jeden Tag wächst die Zahl der Arten, die vom Aussterben bedroht sind. Es gibt bereits Arten, die ausgestorben sind. "

    10 bis 12 Prozent der indischen Heilpflanzen sind vom Aussterben bedroht. Das ökonomische Interesse ist groß, erklärt Detlef Drenckhan, Präsident des WWF Deutschland. Der Verband hat den neuen Nachhaltigkeitsstandard mitentwickelt:

    " Etwa eine halbe Milliarde Tonnen an Arzneipflanzen werden jährlich gehandelt, mit einem Handelswert von etwa 2 Milliarden US Dollar. Das heißt, ein großer finanzieller Druck lastet auf diesen Arzneipflanzen, die lokal aufgrund der großen Profite, die daraus erzielt werden, übererntet werden. Die Bevölkerung hat dann schließlich gar keinen Zugang mehr, zu den Arzneipflanzen, die sie für ihre Selbstbehandlung benötigt. "

    Der neue Standard dient also nicht nur der Erhaltung der Artenvielfalt, es geht auch darum, die medizinische Versorgung der einheimischen Bevölkerung zu sichern und ihnen durch eine nachhaltige Wildkräutersammlung ein langfristiges Einkommen zu sichern. Uwe Schippmann vom Bundesamt für Naturschutz hat diesen Standard in den vergangenen zwei Jahren mit entwickelt:

    " Wir hatten vor allem das Ziel, nicht nur allgemeine Richtlinien und Grundsätze zu formulieren, sondern möglichst in den praxisnahen Bereich zu kommen: Also Kriterien zu formulieren, wann eine Sammlung im nachhaltigen Bereich ist und das nach Möglichkeit noch mit Indikatoren zu unterlegen, so dass man im Endeffekt eine Checkliste hat, nach der man dann weiß, ob ein Projekt nachhaltig sammelt oder nicht. "

    Konkret muss ein Unternehmen, das vor Ort Wildsammlungen organisiert, alle Heilpflanzen die in der Region wachsen, inventarisieren, um dann ableiten zu können, wie viele Pflanzen gepflückt werden können, ohne dass die Art dezimiert wird. Organisationen, die Lebensmittel zertifizieren, können anhand einer Checkliste vor Ort beurteilen, ob nachhaltig gesammelt wurde. Diese Organisationen entscheiden dann darüber, ob die Kräuter den Standard für nachhaltige Wildsammlung von Heilpflanzen, kurz, ISSC-MAP, bekommen. In den nächsten zwei Jahren werden 10 bis 15 Wildsammelprojekte weltweit diese Standards anwenden, über 50 haben Interesse gezeigt, langfristig diesen Standard zu verwenden. Eines der ersten Unternehmen, das sich bereit erklärt hat, nur Pflanzen mit diesem Standard weiter zu verarbeiten, ist die kalifornische Firma "Traditional Medicinals". Joseph Brinckmann, der stellvertretende Firmenchef:

    " Die Firma verwendet nicht nur Heilkräuter in Arzneibuchqualität, sondern legt großen Wert darauf, dass die Rohstoffe aus kontrolliert-biologischem Anbau oder Wildsammlung stammen. Nachhaltige Materialbeschaffung ist ein Kernprinzip der Firma. Nicht nur ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch soziale und Ökonomische Nachhaltigkeit. Dies ist unsere Unternehmensphilosophie. "

    Tees, Pastillen und Cremes, die aus Wildpflanzen mit dem neuen Standard gewonnen werden, werden mehr kosten, wie viel, können die Verantwortlichen noch nicht sagen. Viele Heilpflanzen werden im Ausland gesammelt. Dennoch hat Deutschland eine große Verantwortung. Hier werden jährlich 45.000 Heilpflanzen verbraucht. Beim Import belegt Deutschland den vierten, beim Export den fünften Platz weltweit. Eingedenk dieser Tatsache liegt es auf der Hand, dass sich vor allem der WWF Deutschland und das Bundesamt für Naturschutz für den neuen internationalen Standard stark machen.