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Pflanzengesundheit im Öko-Landbau

Wie lässt sich sicherstellen, dass es auch in Zukunft Saatgut für Nutzpflanzen gibt, das nicht mit gentechnischen Methoden gezüchtet wurde? Dieser Aufgabe stellte sich vor 6 Jahren die "Zukunftsstiftung Landwirtschaft" in Bochum und gründete einen Saatgutfond, der ökologische Züchtungen finanziert. Am Wochenende veranstaltete der Saatgutfond in Frankfurt eine Tagung, in der es um die speziellen Anforderungen von Saatgut für den ökologischen Landbau ging und wie sich Öko-Saatgut von konventionellem unterscheidet.

Von Michael Schlag |
    Saatzucht ist ein teures Geschäft. Die Züchtung einer neuen Getreidesorte dauert 10 bis 12 Jahre und kostet in dieser Zeit etwa 600.000 Euro. Warum also macht man sich im Öko-Landbau die Mühe, eigene Sorten zu entwickeln und sich vom konventionellen Sortenangebot zu lösen? Gründe nennt Oliver Willing vom Saatgutfond der Zukunftsstiftung Landwirtschaft:

    Normale konventionelle Landwirte können Stickstoff düngen und dadurch zum Beispiel back-technologische Eigenschaften erreichen, bestimmte Eiweißqualitäten. Das kann der ökologische Landbau nicht weil er in einem Zusammenhang steht wo eben die Düngung nicht 'aus dem Sack' geschieht mit mineralischem Stickstoffdünger sondern durch Fruchtfolge, durch tierischen Dünger und dadurch eben ganz andere Anforderungen hat. Auch bei den Krankheiten andere Anforderungen hat. Zum Beispiel kann ich gegen viele Dinge ja überhaupt nicht spritzen, was ich im konventionellen Landbau machen kann. Das Saatgut darf ich nicht chemisch beizen und deshalb muss ich ganz andere Schwerpunkte legen in einer Züchtung, wo dann wirklich die Sorten geeignet sein sollen für dieses Anbausystem.

    Eine Öko-Sorte muss in der Lage sein, sich die Nährstoffe ohne schnell fliessende Stickstoffdüngung aus organischem Dünger anzueignen, soll daraus ein gutes Backgetreide werden. Auch kann der fehlende chemische Schutz des Saatkorns zu samenbürtigen Krankheiten führen wie dem Weizensteinbrand, gegen den eine Öko-Züchtung widerstandsfähig sein muss. Eine Möglichkeit wäre, wie in der konventionellen Zucht, Resistenzgene gegen bestimmte Krankheiten einzukreuzen. Resistenzzüchtung ist aber gerade nicht das Ziel der Ökozüchter, sagt Hartmut Spiess vom Forschungsring biologisch-dynamische Landwirtschaft:

    Gerade beim Salat hat man das Beispiel, dass die x-te Resistenz eingekreuzt wurde und wieder durchbrochen worden ist. Das heisst man muss laufend hinterherzüchten, was viel Geld kostet und der andere Weg wäre ja sozusagen die Nachhaltigkeit, dass man eine Widerstandsfähigkeit bei der Pflanze erzeugt, die auf verschiedenen Wegen hervorgerufen wird - über die Züchtung, aber auch über die Bewirtschaftungsmaßnahmen und über den gezielten Einsatz von Mitteln, die die Widerstandsfähigkeit spezifisch stärken.

    Nicht Resistenz, sondern "Toleranz" ist das Ziel der Öko-Züchter. Toleranz heisst: ein Erreger kann die Pflanze befallen, aber der Schaden hält sich wirtschaftlich in Grenzen. Und anders als bei der Resistenz, die oft nur auf einem einzigen Gen beruht, ist die Toleranz eine vielschichtige Eigenschaft. Eine Pflanze kann sich zum Beispiel auch vor einem Pilz schützen, wenn ihre Blüten in der Hauptverbreitungszeit des Pilzes geschlossen sind, was eine Barriere für den Schädling schafft. Ökologische Saatzucht sucht auch nicht eine Sorte für alle Regionen und Standorte, sondern züchtet regional angepasst. Peter Kunz, Züchter beim Schweizer Verein für Kulturpflanzenentwicklung auf die Frage, was für ihn die ideale Sorte im Öko-Landbau ist:

    Das ist eine Pflanze, die mit den aktuellen Krankheiten, die halt da am Ort vorhanden sind - die sind je nach Standort verschieden - die mit diesen Krankheiten leben können, ohne dass sie massiv geschädigt werden. Also die mit diesen Krankheiten kooperieren können, so dass sie trotzdem gesund bleiben.

    Der Begriff der Pflanzenkrankheit wird damit relativ. Krankheiten sind immer vorhanden, aber ob sie schaden oder ob die Pflanze damit zurecht kommt ist vor allem eine Frage des Anbausystems. So spielt der im konventionellen Getreidebau gefürchtete Mehltau im Öko-Landbau kaum eine Rolle. Denn die Pflanzen sind hier so knapp mit Stickstoff versorgt, dass sie dem Mehltau keinen Nährboden geben.